Die Neutronenphysik ist ein Kind des Atomzeitalters und entwickelt worden, als man noch dachte von der Zahnpasta bis IMG_20171108_145012zum Weltfrieden alle Probleme des Universums mit Kernspaltung lösen zu können. Auch wenn diese Denkweise mittlerweile stark in die letzten Winkel der Meinungsbiotope zurückgedrängt worden ist, so taucht der hässliche Onkel mit den radikalen politischen Ansichten doch immer mal wieder auf einem der Familienfeste auf oder man muss sich bei einem Alltagsgespräch dafür rechtfertigen, mit DEM überhaupt verwandt zu sein.

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made in the USA

Als Einstieg möchte ich mal eine Reihe toller Merchandising- und Fan-Artikel benutzen, die mir eine gute Freundin und Kollegin aus Oak Ridge Tennessee hat zukommen lassen. Der Y-12 Security Komplex ist der Geburtsplatz der Atombombe und auch heutzutage werden die meisten amerikanischen Atombomben dort zusammengebaut und das entsprechende Material wird dort gelagert (wenn sich nicht gerade alte Nonnen durch die Security schleichen) . Zum 70-jährigen Jubiläum der ersten Atombombe haben die stolzen und patriotischen Mitarbeiter noch mal Becher und T-shirts bestellt, die von Ihnen in ihrer Freizeit Dienstags von 10-11 Uhr am Eingang zum internen Komplex verkauft werden. Neben Tassen und Plastikbechern, die im Gegensatz zu Trumps Merchandising-Artikeln tatsächlich in den USA hergestellt wurden, gibt es auch dieses T-Shirt, was mMn wunderbar die Geisteshaltung der Menschen wiedergibt, die dort arbeiten.

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Auf der Brust prangt die allgegenwärtige Flagge mit den Y-12 Logo und einem Ball auf einer Umlaufbahn, der aus irgendwelchen Gründen allgemein mit “Atom”-irgendwas assoziiert wird, über dem Slogan “Keeping America safe”. Auf dem Rücken gibt es dann ein Bild von “Little Boy” und eben anlässlich des Geburtstages eine Referenz auf das Manhattan Projekt … zusätzlich zu den Y-12 und “Keeping America safe” Slogans. Die aktuellen Mitarbeiter, die 2017 in Amerika Atombomben herstellen, halten dies nicht nur für eine wichtige Art, die Sicherheit ihres Landes zu garantieren, sondern sind darüber hinaus auch stolz auf das bislang Erreichte – wie eben auch die erste Atombombe.

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Als Enrico Fermi mit seinen Kollegen die erste Kettenreaktion in Gang gesetzt hatte, war dies noch weitgehend wissenschaftlich, wurde dann aber schnellstens von den Umständen des zweiten Weltkrieges aufgefressen und auch das Atomzeitalter, das sich ja quasi direkt an den WWII angeschlossen hat, war immer reichlich durch politische Konflikte befeuert. In vielen Ländern hat man einfach mal ein paar Reaktoren gebaut und erst dann geguckt, was man damit überhaupt Sinnvolles anstellen kann. Unter anderem unser alter Forschungsreaktor (FRJ-2 DIDO) hier in Jülich wurde erst einmal gebaut (die Genehmigung soll damals auf einen Bierdeckel gepasst haben), bis man dann merkte, dass man mit Neutronenstrahlen das Gleiche machen kann wie mit Röntgen – nur besser und er uns indirekt den ersten und einzigen Nobelpreis in unserer Geschichte eingefahren hat.

Das sind die aber Geschichten meiner wissenschaftlichen Großväter, die vor zwei Wissenschaftlergenerationen die Neutronenstreuung als mikroskopische Analysemethode für Materialien etabliert haben. Heute, zwei Generationen später, haben sich die Neutronenstreuer emanzipiert und setzen Neutronenstrahlen ganz selbstverständlich als exzellente und weit verbreitete Methode in der Physik, Chemie, Biologie und den Ingenieurswissenschaften ein und auch wenn wir vielleicht irgendwann mal aus dem Atomzeitalter gekommen sind, so haben wir mit der Spallation und dem HBS- und NOVA ERA Projekt Methoden entwickelt, Neutronenstrahlen zu produzieren ohne Uran spalten zu müssen.

Daher sind wir Neutronenstreuer auf den Familienfesten vielleicht genauso weit vom Familienstamm abgekommen wie die Atomwaffen-Jungs. Wenn wir also beim Familienbarbecue im Garten in Oak Ridge Tennessee sitzen, gibt es da zwar den Onkel mit seinen wilden Ansichten, aber wir sind dann wohl die Hipster, die sich mit Solarzellen und Quantencomputern beschäftigen und darauf hoffen niemals von ihren anderen Hipster-Kumpels auf der Straße mit der buckligen Verwandtschaft gesehen zu werden. Wir sind aber auch die Hipster, die trotzdem immer noch zu den Familienfesten gehen, weil … Blut ist eben dicker als Wasser und so.

Kommentare (31)

  1. #1 gedankenknick
    18. Januar 2018

    Och, die Neutronenforschung hat doch auch einen deutschen Urgroß-Verwandten, an den man sich mehr oder weniger stolz erinnern kann, auch wenn er außerhalb einer gewissen nerdigen Familienecke kaum Bekanntheit erlangt haben dürfte: https://de.wikipedia.org/wiki/Forschungsreaktor_Haigerloch , wo immerhin k=0,85 erreicht wurde. Unterschied zu anderen Anlagen dieser Welt ist jedoch, dass er derzeit allgemeine Öffnungzeiten hat und zum Museum umfunktioniert wurde: https://de.wikipedia.org/wiki/Atomkeller-Museum

    Ich war zwar schon in der Nähe, weil die Herzallerliebste da um die Ecke ein Pferd käuflich erwerben wollte. Jedoch waren die Pferdebesichtigungen (leider) familiär VIEL bedeutender als die Nuklearforschungsbesichtigung, so dass ich nur die Hinweisschilder zum Museum betrachten konnte… Immerhin, Pferde bestehen auch aus Atomen, wo durchaus auch radio-aktive Isotope dabei sind. 😉

  2. #2 Tobias Cronert
    18. Januar 2018

    UIUIUI deutsch Kernforschung im dritten Reich ist ja noch mal was gaaaanz besonderes. Das bewahre ich mir aber auf, wenn ich ganz dringend mal Klickbait brauche 😉

    Aus einem ernsthaften Blickwinkel ist das ganze natürlich auch interessant und dass man einen der alten Uranversuche besichtigen kann wusste ich gar nicht – danke an dieser Stelle. Ich hatte mal ein sehr interessantes Interview mit Heisenbergs Tochter gehört, aber sich dem Thema abseits aller “Neuschwabenland”-Diskussionen zu nähern ist auch noch mal eine Menge Arbeit.

  3. #3 Hans Zekl
    Kaltenkirchen
    18. Januar 2018

    Ehrlich, das T-Shirt mit “Little Boy” ist schon echt schräg. Aber manche sehen eine Atombombe halt als Friedensbewahrer – solange nicht ein Irrer irgendwann auf den Knopf drückt.
    Ich kann mich noch an meinen Wehrdienst bei der Bundeswehr erinnern. Das war um 1969. Ich war damals bei einer Manöverbesprechung. In dem damals zugrunde gelegten Szenarium wurden die feindlichen Linien dadurch durchbrochen, dass man ein paar Neutronenbomben auf die Linien des Gegners abfeuerte. Das brachte alle Soldaten in den Explosionsgebieten um. Eine halbe Stunde später marschierten die eigenen Truppen durch und alles war gut. Reststrahlung war kein Thema. Ich fand das damals schon verrückt.
    Aber wer mehr wissen will, wie man früher über die Bombe dachte und wie man sich schützen könne, sollte sich bei Gelegenheit den Film “Atomic Cafe” ansehen.
    Duck and cover.

  4. #4 tomtoob
    18. Januar 2018

    Schräg, aber ok. Denke die schwangeren die im duett, von little boy verdampft wurden, haben nicht viel zu melden.

    Aber ja ,lasst uns denken.
    .

  5. #5 DH
    18. Januar 2018

    Ob man heute noch einen Kult um die Atombombe machen muß, naja.
    Wie der Artikel das sieht, bin ich mir nicht sicher, aber es gibt heute schon auch so eine Haltung, die alles als böse brandmarkt, was mit der Bombe zu tun hat, auch diejenigen, die sie letztlich verwirklicht haben.
    Nur ist es halt leicht als heutiger “Hipster”, damals ging es bekanntermaßen um nichts weniger als das Abfangen der Nazis, was die erste Bombe angeht.
    Ist schon was Anderes als heutiges reaktionäres Gewäsch ewiggestriger Amerika-Beweihräucherer.

    “If its not love, then its the bomb that will bring us together”
    (The Smiths)

  6. #6 Alderamin
    19. Januar 2018

    @DH

    Nur ist es halt leicht als heutiger “Hipster”, damals ging es bekanntermaßen um nichts weniger als das Abfangen der Nazis, was die erste Bombe angeht.

    Nur hat man die Bombe dann erst eingesetzt, als die Nazis schon besiegt waren, gegen einen Gegner, der sie nicht hatte, und zwar gegen dessen Zivilisten, und auch noch zweimal. Eine Demonstration gegen ein militärisches Ziel oder offshore hätte man ja auch erwägen können.

    Umso unverständlicher, dass sich bisher noch keine amerikanische Regierung dafür bei Japan entschuldigt hat.

    “If its not love, then its the bomb that will bring us together”
    (The Smiths)

    “All of the brightest boys, to play with the biggest toys, more than the bargained for”
    (Rush, “Manhattan Project”)

  7. #7 Tobias Cronert
    19. Januar 2018

    Wir hatten früher auf den Fachschafts Esi-Fahrten spät Abends immer die Oppenheimer Diskussionsrunden gestartet, wo jeder dann die Rolle von einem der berühmten Wissenschaftler, von Einstein, Hahn, Oppenheimer und auch Heisenberg und Bor übernommen hat um zu diskutieren ob man nun die Erkenntnis der Kernspaltung öffentlich machen soll/muss wenn man sich sicher ist, dass sie zum Baum der Bombe im Kontext des WWII führt.

    Das ist recht lustig, weil auch die meisten Physiker, die gerade aus der Schule kommen, gerne kontroverse Positionen vehement vertreten und das wegen dem entsprechenden Alkohol auch meist sehr deutlich getan wird. Erstaunlicherweise kommen dabei aber auch immer viele gute Argumente und Philosophien um die Ecke, an die sich die Studierenden auch noch Jahren später zurück erinnern.

    Was will ich damit sagen: Dieser Artikel im Speziellen und der Blog im Allgemeinen wollen keine starken Positionen beziehen, obwohl der Autor durchaus welche hat. Ich denke, dass gerade das sensible Feld um “Strahlung” und allen, was damit zusammenhängt im Internet nicht weit kommt, wenn man nur eine Position vertritt und die dann gegen Angriffe verteidigt. Das gilt für Handystrahlung genauso, wie für AKWs und Atombomben.

  8. #8 roel
    https://scienceblogs.de/10jahrescienceblogs/author/roel/
    19. Januar 2018

    @Alderamin Du bist Rush-fan? Super Musik!

  9. #9 roel
    https://scienceblogs.de/10jahrescienceblogs/author/roel/
    19. Januar 2018

    @Tobias Cronert “Dieser Artikel im Speziellen und der Blog im Allgemeinen wollen keine starken Positionen beziehen, obwohl der Autor durchaus welche hat.”

    Kurz vorweg, es gelingt dir nicht immer. Und dann hinterhergeschoben: Was ist schlecht an starken Positionen, die man mit Fakten begründen kann?

  10. #10 tomtoo
    19. Januar 2018

    Nucularwaffen ; ) Oh, das ist ein spannendes Thema. Muss gestehen so ein entgültiges Urteil hab ich mir trotz meiner 50++ noch nicht gebildet. Und ich beschäftige mich schon lange damit. Ist wie so ein Trapezkünstler, solange er nich runterfällt hat er/sie ja recht. Es geht auf so einem dünnen Seil zu laufen. Da bin ich wohl ein wenig Höhenängstlich, und muss immer an die Gravitation und Fallgeschwindigkeit denken.

  11. #11 Alderamin
    19. Januar 2018

    @roel

    Du bist Rush-fan? Super Musik!

    YESSS! Mir klingeln noch die Ohren von einem Konzert in Oberhausen, wo ich sie live erleben durfte. Nächstesmal nicht ohne Oropax. 🙂

    @Tobias

    Atomwaffen sind ein Irrsinn, der letztlich darauf begründet ist, dass keiner dem anderen traut und das Recht des Stärkeren gilt. Kim zielt mit der Pistole auf Trump, der mit Panzerkanone auf Kim zielt, während Kim den südkoreanischen Premierminister mit dem Messer am Hals schützend vor sich hält. Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.

    Irgendwie hat die Abschreckung funktioniert, aber mehr als einmal waren wir Millimeter vor dem Abgrund wegen Fehleinschätzungen der Reaktion des Gegners (Kuba) oder technischer Fehler (Fehlalarm russischer Satelliten 1984). Langfristig kann das gar nicht anders als irgendwann mal schiefgehen, je mehr Atomwaffen im Umlauf sind und je näher sich die Kontrahenten geografisch sind, was die Reaktions- und Entscheidungszeiträume auf Minuten verkürzen kann. Ja, Sekunden, wenn eine Haubitze ein atomares Geschoss über 30 km Entfernung abliefern kann.

    Ich denke, wir sind uns alle hier einig, dass Atomwaffen ein Teufelszeug sind, das nie hätte erfunden werden dürfen, aber unweigerlich erfunden worden wäre, deswegen wollte jeder der erste sein, der es tut. Die sind jetzt in der Welt und wir müssen sehen, wie wir damit fertig werden. Angesichts rund 50% (Halb-)Irrer in der Welt, wenn man gewisse Votums- und Wahlergebnisse in Betracht zieht, verheißt das für die Zukunft nichts Gutes. Alles, was man tun kann, ist an die Menschen zu appellieren, sich darüber klar zu sein, was passiert, wenn man gewisse Wahlen trifft und was die Konsequenzen von Atomwaffen sind, damit es auch der blödeste am Ende versteht, solange er noch ein Rhinozeros von einem Elefanten unterscheiden kann.

    Ich finde es gut und wichtig, dass Du auf die Devotionalien des kalten Krieges hinweist. Ist doch eine gute Gelegenheit, den bösen Onkel mal beim Namen zu nennen und über das Thema nachzudenken. Insbesondere in der aktuellen geopolitischen Lage.

  12. #12 tomtoo
    19. Januar 2018

    @Alderamin
    “””…..auch der blödeste am Ende versteht, solange er noch ein Rhinozeros von einem Elefanten unterscheiden kann….”

    Na hoffentlich überforderst du den ein oder anderen damit nicht ; )

  13. #13 Alderamin
    19. Januar 2018

    @tomtoo

    Derjenige, der gemeint war, hat den Test letzte Woche mit Bravour gemeistert. (ok, war kein Elefant sondern ein Löwe, muss ich mir jetzt selbst Sorgen machen??)

    Das beruhigt uns doch jetzt alle… oder?

  14. #14 Tobias Cronert
    19. Januar 2018

    Kurz vorweg, es gelingt dir nicht immer. Und dann hinterhergeschoben: Was ist schlecht an starken Positionen, die man mit Fakten begründen kann?

    Tja, ich bin halt kein ausgebildeter Journalist, der frei von seiner eigenen Wertung schreiben kann, sondern unterm Strich einfach auch nur “Irgendein Kerl, der irgendwas ins Internet schreibt” und entsprechend sowohl in der eigenen Filterbubble, als auch dem eigenen Wertekanon gefangen ist.

    Schlecht an einer starken Position (vorallem einer fundierten) ist es, dass sie oft Kommunikation verhindert. Ich will hier ja ausdrücklich mit Leuten ins Gespräch kommen, die Angst vor Radioaktivität und Strahlung haben und wenn da eine meiner ersten Aussagen ist “Neben einen AKW zu leben bringt dir keine zusätzliche Strahlung” verhindert das sehr schnell einen Dialog, auch wenn es richtig ist.

    Wenn das Atomzeitalter zu einer friedlicheren Zeit begonnen hätte, hätten wir uns dann international von vorne herein darauf einigen können keine Atomwaffen zu entwickeln und das ganze ausschließlich friedlich zu nutzen? – Das würde ich mir eigentlich sehr wünschen und glaube, dass das sogar ziemlich jeder Mitarbeiten in Y12 unterschreiben würde. Ein Szenario in denen keiner Atomwaffen hat und ein System von Checks und Balances etabliert ist, dass erfolgreich verhindert, dass irgendjemand welche baut.

  15. #15 roel
    https://scienceblogs.de/10jahrescienceblogs/author/roel/
    19. Januar 2018

    @Tobias Cronert “Neben einen AKW zu leben bringt dir keine zusätzliche Strahlung” verhindert das sehr schnell einen Dialog, auch wenn es richtig ist.”

    Es kommt immer auf den Ton an. Leider wird dieser individuell nicht immer gleich empfunden. Aber ich denke auf Nucular hat sich noch niemand über den Ton beschwert.

    “Wenn das Atomzeitalter zu einer friedlicheren Zeit begonnen hätte, hätten wir uns dann international von vorne herein darauf einigen können keine Atomwaffen zu entwickeln und das ganze ausschließlich friedlich zu nutzen?”

    Ich denke eine ausschließlich friedliche Nutzung gibt es für keine Erfindung, die auch zu Kriegszwecken genutzt werden kann. Früher oder später sucht irgendjemand seinen Vorteil.

    @Alderamin “Nächstesmal nicht ohne Oropax.” Aber dann welche mit Akustikfilter, es wäre sonst schade um die Musik.

  16. #16 DH
    19. Januar 2018

    @Alderamin
    Eine Demonstration wäre eine Option gewesen.
    Die nicht von der Hand zu weisende Begründung, Hundertausende eigene Opfer zu vermeiden, war wohl ein prima Aufhänger für die härtere Lösung.
    Dennoch haben die zwei Abwürfe auch Hunderttausenden, vielleicht Millionen von Japanern das Leben gerettet (ich weiß, man kann sowas nicht aufrechnen, sondern erst hinterher feststellen).
    Nach dem Sieg im Zweiten Weltkrieg kam das, was in solchen Situationen häufig kommt, die eigene Machtbesoffenheit.

    Auf dem Höhepunkt ihrer Macht begannen die Amis, ihre Macht zu mißbrauchen (“victory culture”), bereits im Koreakrieg und später in Vietnam.
    Daher greift es zu kurz, die schwersten kriegerischen Übergriffe in den beiden Abwürfen zu sehen. Der mit Abstand schlimmste Bombenkrieg der bisherigen Geschichte war der gegen den Norden Koreas.
    Auch der größte (konventionelle) Bomberangriff auf Tokio bewegte sich in der Größenordnung von Hiroshima und Nagasaki, mit etwa 100 000 Toten.

  17. #17 DH
    19. Januar 2018

    @Tobias Cronert
    “Wenn das Atomzeitalter zu einer friedlicheren Zeit begonnen hätte, hätten wir uns dann international von vorne herein darauf einigen können keine Atomwaffen zu entwickeln und das ganze ausschließlich friedlich zu nutzen?”

    Hätte es eine friedlichere Zeit gegeben ohne Atomzeitalter? Neigt der Mensch nicht eher dazu, die destruktiven Optionen auszureizen, bis es nicht mehr geht? Ich glaube nicht, daß es Zufall ist, daß die schlimmste Eskalation der kriegerischen Barbarei ausgerechnet im letzten Zeitfenster stattfand, in dem sie noch machbar war.

  18. #18 demolog
    20. Januar 2018

    Ich finde ja, dass selbst die Fusion irgendwie schon alte Kamellen sind und letztlich kaum zu einer wirklich besseren Energieerzeugung führen.

    Die Fusion ist nur die schlüssige Weiterführung der gegenwärtigen Technologie der Energieerzeugung. Nur mit gerüchteweise noch höherer Energieausbeute bei der Kerntechnik.

    Das “Umwandlungsproblem” bleibt aber und macht Energieerzeugung zukünftig immer großtechnischer.

    Die Frage ist, ob man solche leistungsfähigen Kraftwerke irgendwann noch mit genügend Kühlwasser verorgen kann. Da gibt es Grenzen, die die Technik womöglich unpraktikabel/unflexibel machen.

    Welche anderen (auch erstmal theoretischen) Methoden gibt es denn, um Elektronenstrom auszulösen, die idealerweise ohne den aufwändigen Umwandlungsprozess von Wärme in Rotation auskommt?

  19. #19 Alderamin
    21. Januar 2018

    @DH

    Die nicht von der Hand zu weisende Begründung, Hundertausende eigene Opfer zu vermeiden, war wohl ein prima Aufhänger für die härtere Lösung.
    Dennoch haben die zwei Abwürfe auch Hunderttausenden, vielleicht Millionen von Japanern das Leben gerettet (ich weiß, man kann sowas nicht aufrechnen, sondern erst hinterher feststellen).

    Wikipedia verzeichnet 130.000 getötete amerikanische Soldaten im Pazifikkrieg. Ich weiß nicht, wieviele amerikanische Zivilisten auf Hawaii umkamen, aber m.W.n. wurden nie amerikanische Zivilisten seit dem Bürgerkrieg durch kriegerische Angriffe (abgesehen von Terroranschlägen, vor allem 9/11) auf dem Festland getötet. Demgegenüber stehen 500.000 getötete japanische Zivilisten, davon gehen alleine 330000 auf das Konto der Atombombenabwürfe (ca. 200.000 sofort, 130.000 bis Ende 1945 und eine schwer abschätzbare Zahl, die nach dem Krieg an den Folgeschäden verstarb). Das ist mit nichts zu rechtfertigen.

    Es gab auch keine Vorwarnung. Es gab in Hiroshima zwar einen Alarm, als die Enola Gay geortet worden war, dem aber eine Entwarnung folgte, da niemand damit rechnete, dass ein einzelnes Flugzeug in der Lage war, die Stadt anzugreifen. Aber man wollte die Machtdemonstration, wohl auch um den Russen zu zeigen, wo der Hammer hängt.

    Daher greift es zu kurz, die schwersten kriegerischen Übergriffe in den beiden Abwürfen zu sehen. Der mit Abstand schlimmste Bombenkrieg der bisherigen Geschichte war der gegen den Norden Koreas.

    Mag sein, aber das ist letztlich Whatabouttismus und rechtfertigt den Atombombenabwurf auf Zivilisten in keiner Weise.

  20. #20 DH
    22. Januar 2018

    @Alderamin
    Mit Schlagworten wie whataboutismus kommt man vielleicht im bequemen Frieden weiter, klingt ja auch irgendwie cool und vor allem “gut”.
    Tatsächlich hatten die Amerikaner sehr wohl vor Augen, wie heftig und bedingungslos sich die Japaner wehrten und gingen zurecht davon aus, daß eine Invasion der Insel Hunderttausende eigene Opfer fordern würde.
    Klarzustellen wäre noch, daß es keineswegs die Japaner selber sind, die die Romantisierung der Abwürfe betreiben, das wird ausschließlich von außen herangetragen.

  21. #21 Alderamin
    23. Januar 2018

    @DH

    Mit Schlagworten wie whataboutismus kommt man vielleicht im bequemen Frieden weiter, klingt ja auch irgendwie cool und vor allem “gut”.

    Ohne Schlagworte: eine Untat kann man nicht durch eine andere relativieren. Wenn man falsch parkt, ist das nicht weniger verboten, weil andere es auch machen oder weil man es selbst schon getan hat und nicht erwischt wurde.

    Tatsächlich hatten die Amerikaner sehr wohl vor Augen, wie heftig und bedingungslos sich die Japaner wehrten und gingen zurecht davon aus, daß eine Invasion der Insel Hunderttausende eigene Opfer fordern würde.

    Wie verzweifelt die Situation der japanischen Streitkräfte war, erkennt man doch schon daran, dass sie ihre Piloten zu Kamikaze-Einsätzen losschickten. Das waren doch die letzten Rückzugsgefechte. Die Zivilisten hatten am wenigsten damit zu tun (während man die Bombenabwürfe über deutschen Städten als Rache dafür rechtfertigen konnte, dass das NS-Regime auch englische Städte bombardiert und die Bevölkerung vor allem in Russland massakriert hatte).

    Klarzustellen wäre noch, daß es keineswegs die Japaner selber sind, die die Romantisierung der Abwürfe betreiben, das wird ausschließlich von außen herangetragen.

    Jährlich begangen (wird auch immer in den Nachrichten drüber berichtet):
    https://visithiroshima.net/things_to_do/seasonal_events/summer/hiroshima_peace_memorial_ceremony_peace_message_lantern_floating_ceremony.html

  22. #22 DH
    23. Januar 2018

    @Alderamin
    “während man die Bombenabwürfe über deutschen Städten als Rache dafür rechtfertigen konnte, dass das NS-Regime auch englische Städte bombardiert und die Bevölkerung vor allem in Russland massakriert hatte).”

    Hochinteressanter Punkt.
    Im Krieg gegen China verübten die Japaner schwerste Kriegsverbrechen, die Zahl der getöteten Zivilisten wird auf 17 bis 25 Millionen geschätzt.
    Keine Eroberung, bei der die Soldateska extrem aus dem Ruder lief, sondern Folge einer ultrarassistischen Haltung , die den Charakter dieses Krieges bestimmte.

    Vor allem im Militär gab es die bestimmende Haltung, daß Japaner das höherwertige und vor allem Chinesen das minderwertige Volk seien.
    Die Soldaten wurden vorher jahrelang entsprechend indoktriniert und sahen die Chinesen als eine Art Untermensch, mit dem entsprechend zu verfahren sei.

    Manche Historiker sprechen denn auch vom asiatischen Holocaust, eine sicher zu drastische Formulierung.
    Ein Vergleich mit dem antislawischen Vernichtungskrieg, den SS und Wehrmacht im Osten verübten, ist aber nicht von der Hand zu weisen.

    Das japanische Regime war nicht eins zu eins gleichzusetzen mit dem NS-Regime, aber es war viel näher bei den Nazis als an einer herkömmlichen Militärdiktatur.

  23. #23 Alderamin
    24. Januar 2018

    @DH

    @Alderamin
    “während man die Bombenabwürfe über deutschen Städten als Rache dafür rechtfertigen konnte, dass das NS-Regime auch englische Städte bombardiert und die Bevölkerung vor allem in Russland massakriert hatte).”

    Hochinteressanter Punkt.
    […]
    Das japanische Regime war nicht eins zu eins gleichzusetzen mit dem NS-Regime, aber es war viel näher bei den Nazis als an einer herkömmlichen Militärdiktatur.

    Diese Rechtfertigung soll jedoch nicht als valides Argument verstanden werden, Zivilisten anzugreifen. Es waren ja nicht die Zivilisten, die für den Krieg verantwortlich waren (in Deutschland höchstens indirekt wegen der Dummheit, die NS an die Macht gebracht zu haben; in Japan gab’s, so viel ich weiß, nicht mal eine Demokratie). Genau so gut könnte man Bomben auf Saudi Arabien werfen, weil die Attentäter des 11. September größtenteils Saudi-Arabier waren.

    Vorgestern lief der zweite Teil von Sven Plögers Doku über den Wind (ist noch in der ARD-Mediathek, hab’s gestern geschaut), da berichtete er, wie amerikanische Wissenschaftler an einem deutschen Modelldorf geprobt hatten, wie man Häuser am besten in Brand setzen kann, und mit dieser Technik wurde dann Hamburg angegriffen (Dresden wohl auch). Es kam zum berüchtigten Feuersturm. Mir gruselte es gewaltig angesichts des Gedankens, dass man hier gezielt Techniken entwickelt hatte, um mit möglichst wenig Aufwand möglichst viele Menschen umzubringen. Der Einsatz der Atombomben war wohl des gleichen Geistes Kind.

  24. #24 DH
    24. Januar 2018

    @Alderamin
    “Diese Rechtfertigung soll jedoch nicht als valides Argument verstanden werden, Zivilisten anzugreifen.”

    Natürlich nicht,es geht nur um eine Würdigung der Gesamtsituation.

    Bei Hamburg und Dresden war es wohl eine Mischung. Vor allem von englischer Seite war das “moral bombing” offiziell militärisch begründet, man wollte die deutsche Bevölkerung demoralisieren (trotz gegenteiliger Erfahrungen mit der eigenen Bevölkerung).
    Aber es gab auch einen Aspekt der Rache, der nicht ausgesprochen wurde und der sowohl auf eigene Opfer als auch auf eine allgemeine Haltung zurückging, den Deutschen jetzt mal kräftig eins mitzugeben, wegen der Verbrechen, die bereits ruchbar wurden.
    Den Amerikanern muß man zugestehen, daß sie beim Krieg gegen Deutschland den Fokus etwas stärker auf direkt militärische Ziele gerichtet haben, weswegen Dresden fast nicht stattgefunden hätte.
    Gegen Japan allerdings dürfte es einen starken Drang gegeben haben, die Atombombe auch einfach mal auszuprobieren.

  25. #25 Alderamin
    25. Januar 2018

    @DH

    Bei Hamburg und Dresden war es wohl eine Mischung. Vor allem von englischer Seite war das “moral bombing” offiziell militärisch begründet, man wollte die deutsche Bevölkerung demoralisieren (trotz gegenteiliger Erfahrungen mit der eigenen Bevölkerung).

    Indem man sie umbringt… hat im Gaza-Streifen übrigens auch nicht funktioniert, die Wut bringt mehr Gegner hervor als die Angst verhindern könnte.

    Aber es gab auch einen Aspekt der Rache, der nicht ausgesprochen wurde und der sowohl auf eigene Opfer als auch auf eine allgemeine Haltung zurückging, den Deutschen jetzt mal kräftig eins mitzugeben, wegen der Verbrechen, die bereits ruchbar wurden.

    Richtig, was dann aus Sicht der Amerikaner allerdings weniger nachvollziehbar ist, als aus Sicht der Engländer, deren eigene Städte bombardiert wurden. Am ehesten vielleicht aus der Sicht amerikanischer und geflohener Juden, es war wohl bekannt, was in den KZs vor sich ging, auch wenn sich das Ausmaß wahrscheinlich kaum jemand vorstellen konnte. Ob das eine Rolle für die amerikanischen Luftangriffe auf Deutschland gespielt hat, weiß ich nicht. Für Japan aber wohl nicht, da war es eher die Kränkung über den Angriff auf Pearl Harbour. Was die Japaner den Chinesen angetan hatten, hatte die Amerikaner vorher jedenfalls anscheinend nicht sonderlich interessiert, war kein Grund, Japan anzugreifen.

    Gegen Japan allerdings dürfte es einen starken Drang gegeben haben, die Atombombe auch einfach mal auszuprobieren.

    Genau. Und Stalin zu zeigen, wer jetzt das Sagen hat.

  26. #26 Rudi Knoth
    München
    25. Januar 2018

    @Alderamin

    Zitat:”Vorgestern lief der zweite Teil von Sven Plögers Doku über den Wind (ist noch in der ARD-Mediathek, hab’s gestern geschaut), da berichtete er, wie amerikanische Wissenschaftler an einem deutschen Modelldorf geprobt hatten, wie man Häuser am besten in Brand setzen kann, und mit dieser Technik wurde dann Hamburg angegriffen (Dresden wohl auch). ”

    Es wird behauptet, das diese Versuche vor 1933 stattfanden. Da war aber Hitler nicht an der Macht.

  27. #27 Alderamin
    25. Januar 2018

    @Rudi Knoth

    Es wird behauptet, das diese Versuche vor 1933 stattfanden. Da war aber Hitler nicht an der Macht.

    Das hätte keinen Sinn gemacht. Erstens war damals noch kein Luftkrieg in diesem Ausmaß abzusehen, schon gar keiner, an dem die Amerikaner hätten beteiligt sein können. Und zweitens war das Dorf ein German Village, man kannte seinen Gegner also schon.

    Ein wenig Googelei liefert das Datum der Versuche: es war 1943.

    Interessant: es gab auch ein Japanese Village.

    Und natürlich in den 50ern diese berühmten Häuser.

  28. #28 Rudi Knoth
    München
    25. Januar 2018

    @Alderamin #27

    Zitat:”Das hätte keinen Sinn gemacht. Erstens war damals noch kein Luftkrieg in diesem Ausmaß abzusehen, schon gar keiner, an dem die Amerikaner hätten beteiligt sein können. Und zweitens war das Dorf ein German Village, man kannte seinen Gegner also schon.

    Ein wenig Googelei liefert das Datum der Versuche: es war 1943.”

    Sorry ich habe es jetzt auch raus gefunden. Es war mit dem Datum 1928 wohl ein Gerücht oder Propaganda.

  29. #29 DH
    26. Januar 2018

    @Alderamin
    Moral Bombing war vor allem eine englische Idee. Die Amerikaner waren zwar nicht dagegen, haben aber erst mitgemacht, wenn auch konkrete militärische Ziele im Raum standen wie Industrie oder Infrastruktur.
    Nur stellte sich diese Frage nicht ernsthaft vor der Bombadierung Dresdens, wo die Amerikaner erstmals Zweifel am militärischen Sinn hatten.
    Für Japan galt eine ganz andere Haltung, stimme zu.

  30. #30 Alderamin
    26. Januar 2018

    @DH

    Habe im Wikipedia-Artikel zu Arthur “Bomber” Harris gelesen, dass der selbst in England nach dem Krieg umstritten war.

  31. #31 DH
    26. Januar 2018

    @Alderamin
    Interessant. Trotz Coventry und deutscher Verbrechen.
    Dennoch bleibt natürlich klar, daß solche leicht fanatischen Typen eben hochkommen, wenn es die andere Seite zu bunt getrieben hat. Die berühmte Spirale der Gewalt.
    Harris hat darüberhinaus auch auf die eigenen Flieger keine Rücksicht genommen. In der Frühphase des Bombenkriegs kam es einem Todesurteil gleich, als Flieger eingeteilt zu werden. Die Chance, nach zehn Pflichteinsätzen zurückzukommen, war bei eins zu zehn.