Physiker, Mediziner und Patienten sprechen oft nicht dieselbe Sprache, besonders, wenn es um die Anforderungen und Vorteile von tollen Medizingeräten geht. Mir als Physiker ist selbstverständlich klar, dass ein MRT so eng wie möglich sein muss, damit der Patient gerade noch so hineinpasst… ist doch logisch, oder?
Das sehen die Patienten oftmals anders und die lieben Mediziner haben dann auch noch eine dritte Meinung. Da ich aktuell irgendwie alles drei in einer Person bin, möchte ich mir mal die Zeit nehmen meine neu gewonnen Erkenntnis zusammen zu fassen. Dabei basiert mein persönlicher Aha-Moment allerdings nicht direkt auf persönlicher Erfahrung, sondern auf einem Gespräch mit einer medizinischen Mitarbeiterin, die folgendes Problem hatte: Sie ist beruflich in der Medizin tätig und es somit durch täglichen Umgang gewöhnt, dass Patienten schnell ins MRT rein und raus müssen, um einen gewissen Durchsatz zu gewährleisten und gleichzeitig schön still liegen sollen, damit die Bilder eine gute Qualität bekommen und die Untersuchung schnell vorüber ist. Nun ist sie selber aufgrund eines Bandscheibenvorfalls Patientin und hat sehr viele Probleme sich in die enge Röhre stecken zu lassen. Sie bekommt Angst und Panik und muss all Ihre Konzentration zusammen nehmen, um eine Behandlung über sich ergehen zu lassen und dabei das – an sich selbst gestellte – Ziel (“sei ein umgänglicher Patient”) zu erfüllen.
Daher kommt nun ihre Frage an den Physiker, der sich auch mal mit dem Bau solcher Geräte beschäftigt. Wieso baut ihr die nicht einfach größer und offener, damit die Patienten nicht so viel Angst haben? Tja, die erste Antwort darauf ist natürlich, weil den Physikern (bzw. Medizin Ingenieuren) die Angst der Patienten vollkommen egal ist. Die zweite Antwort (nachdem man ihnen erklärt hat, dass sowas doch wichtig ist) ist dann eben technischer Natur. Beim MRT ist die Bildqualität linear von der Magnetfeldstärke abhängig und diese ist um so größer (und homogener) je kleiner die Spule bzw. Röhre ist. Beim CT will ich die Distanz zwischen Röntgenquelle und Detektor möglichst klein halten, um die Streustrahlung zu begrenzen und ebenfalls ein sauberes Bild zu bekommen. Für den Physiker stehen Patientenkomfort und Bildqualität also direkt diametral gegenüber.

Ein medizinisches Gerät kann ich immer nur auf eine Kombination aus Parametern optimieren und ein Optimum in einer Disziplin bedeutet oft einen Nachteil, in einer anderen.
Ok, das ist jetzt nichts Neues, aber doch sehr wichtig. Ganz konkret verhindert dieses Dilemma, dass die Medizin im Allgemeinen nicht die besten Behandlungen bietet, die technisch möglich sind… und das nur wegen solch fimschiger Einwände wie “Patientenkomfort”. Bei den Schwerionentherapien zur Bekämpfung von Krebs, die ich hier schon mal des öfteren vorgestellt hatte, könnte man den Krebs super bekämpfen, indem man den Patienten in ein Schwerionen-Zentrum oder einen Forschungsreaktor bringt, ihn dort auf einer Trage festschnallt und durch den Strahl eines Experimentes bewegt. Um den Tumor genau zu treffen würde man den Menschen noch fixieren müssen, aber zur Not kann man ihn ja auch einfach sedieren. So eine Behandlung wäre das Effektivste, was möglich ist…. scheitert aber schon daran, die Mediziner in die Experimentalhalle reinzubekommen, geschweige denn die Patienten.

Experimentierhalle in einem Forschungsreaktor. Wer könnte sich vorstellen in dem Chaos einen Patienten zu behandeln?
Ok, Ok von Zeit zu Zeit findet sich mal eine wagemutige Patient-Mediziner-Physiker-Kombination zusammen. Dann entsteht so ein Fall, wie der, bei dem dem Patient die (Krebs)Leber entnommen, in einen Forschungsreaktor zur Bestrahlung gesteckt und nachher wieder eingesetzt wurde. Aber das ist halt die absolute Ausnahme. In der Regel wird die allgemeine Behandlung weit hinter den technischen Möglichkeiten zurückbleiben, was die meisten Physiker in ihrem Optimierungswahn natürlich schon als persönliche Beleidigung empfinden.

So sieht es in einem High-Tech Teilchenbeschleuniger aus. Auch kein Ort für eine medizinischen Behandlung, oder doch?
Natürlich hat die Medizinindustrie ihre eigenen Antworten auf diese Problematik und so gibt es offene MRT Geräte mit Helmholtzspulen und Pferde CT Geräte. Außerdem baut man schöne kleine Teilchenbeschleuniger in schöne weiße Räume im Keller von Krankenhäusern, um damit Protonentherapie zu machen. Aber so schöne abgerundete medizinische Anwendungen kommen immer erst Jahrzehnte, nachdem die Technik überhaupt möglich wurde.
Vielleicht sollten sich Patienten und Physiker öfter mal zusammen setzen und wilde neue Dinge ausprobieren. Sowohl die Patienten als auch die Physiker haben Motivation genug, auch mal wagemutig zu sein und zu experimentieren… jetzt muss man nur noch einen Medizinier finden, der den Spaß auch mitmacht.
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