Dankbarkeit – Heute geht es bei mir um Dankbarkeit und erschreckenderweise steht da unser geliebtes deutsches Gesundheitssystem, über das man ja eigentlich eher fluchen als jubilieren sollte, ziemlich hoch auf der Liste. Damit bin ich dann auch gar nicht mehr all zu weit von üblichen Scienceblog-Themen entfernt und brauche kein all zu schlechtes Gewissen zu haben die Allgemeinheit mit meinen lächerlichen Privatthemen zu belästigen.

Aber fangen wir mal vorne an. Ich bin nun den 9ten Tag seit meiner Einlieferung mit Leukämie hier auf der aseptischem Krebsstation und werde mit den schönsten Chemie-Cocktails malträtiert, die die Medizin so zu bieten hat, in der Absicht, meine Leukozyten und andere Blutteilchen so kleinzustampfen, dass man dann irgendwann mal eine Heilung in Gang setzen kann. Das ist super so und mein heutiger Grund verdammt dankbar zu sein. Seit ich durch die Tür der Station gekommen bin hat, habe ich ein Bett in einem Zimmer bekommen, jede 6 Stunden eine Blutanalyse und massenhaft Untersuchungen: Knochenmarksbiopsie, Liquorpunktion, Ultraschall und Röntgen, von jedem halbwegs sinnvollen Organ und jedes Mal, wenn meine HB-, Thrombozyten- oder anderen Werte zu schlecht gewesen sind, habe ich eine Bluttransfusion bekommen.

In den letzten Tagen habe ich den Gegenwert eines Kleinwagens an medizinischen Prozeduren abbekommen, ohne meine Vermögenswerte offen legen zu müssen oder sonstwie mit dem Thema “Geld” belästigt zu werden. Allein die Mitgleidschaft in einer regulären, langweiligen, gesetzlichen deutschen Krankenkasse hat gereicht, um mir all die modernen Annehmlichkeiten der High-Tech Medizin zu gönnen. Ich bin immer noch beeindruckt, denn als so selbstverständlich wir so etwas manchmal empfinden, ist es in Wirklichkeit nicht, wenn man mal nüchtern drüber nachdenkt. Das sich unsere Gesellschaft gedacht hat, dass es doch eine ganz tolle Sache wäre, jemandem in Not (wie mir aktuell) einfach mal zu helfen, finde ich, vor allem aus meiner derzeitigen Perspektive, sehr nett.

Daher geht mein zweiter Dank auch direkt an alle, bzw. “die Gesellschaft”, welche ja quasi Auftraggeber und Organisator des bewundernswerten Zustandes ist, dem ich mich erfreuen darf. Also natürlich auch an alle Leser hier. Ich bin es normalerweise gewohnt auf der gebenden Seite der Gleichung zu stehen. Ich bin es gewohnt anderen zu helfen, andere zu unterstützen, mit dummen Kommentaren im Internet zu beraten etc. pp.. Ich bin es nicht gewohnt, mir helfen zu lassen oder gar, wie im Moment, helfen lassen zu müssen. Das ist schon eine kleine Umstellung und natürlich um so besser, wenn das dann auch wirklich funktioniert.

In vielen anderen Ländern würde ich nun mit Fragen konfrontiert werden, wie meine signifikanten Rechnungen (bzw. Bedürfnisse) bezahlt werden können und die Modelle, wie sowas dann auch in der entsprechenden Realität geschieht, gibt es zuhauf. Als (quasi) Berufseinsteiger nach dem Studium habe ich keine wirklichen (persönlichen) Ressourcen aufzuweisen und in den meisten Fällen würde dann die Familie als erste Anlaufstation in Frage kommen, um Hilfe und Unterstützung zu bieten. Danach weitere Verwandte, Freunde und was man sich sonst noch so in seinem Leben als soziales Umfeld aufgebaut hat … auch als Eremitenphysiker 😉 Wirklich viele Versprechungen für die Zukunft kann ich auch nicht machen, irgendwann mal einen bedeutenden Teil der Kosten zurückzahlen zu können. Denn auch wenn ich die Geschichte hier vernünftig überlebe, wird es sicher noch Jahre dauern, bis ich wieder so produktiv sein kann, dass es etwas ausmacht. Mal ganz davon abgesehen, dass aktuell meine “Produktivität” daraus besteht nette Wissenschaftsdinge zu erforschen, die vielleicht mal irgendwann für die Gesellschaft sinnvoll sind… vielleicht, vielleicht auch nicht. In letzterem Fall sähe meine Lebensbilanz dann doch eher traurig aus 😉

Man hat mir gesagt, dass ich durch so eine Krankheit meine Lebensprioritäten deutlich ändern würde. Dass ich mich stärker auf das fokussieren würde, was wirklich wichtig für mich ist. Wenn dem wirklich so ist, dann spüre ich schon jetzt die ersten Effekte davon. Ich habe keine Ahnung, ob ich jemals wieder in meinen Job in der Wissenschaft zurückkehren kann, aber wenn dazu die ernsthafte Möglichkeit besteht, dann will ich dies auf jeden Fall tun. Auch, oder vor allem wegen der ganzen Überlegungen, die ich hier in den letzten Zeiten angestellt habe. Die Menschheit und die Wissenschaft voranzubringen, weiterzuentwickeln und sei es nur dadurch einen kleines Beitrag für die nächste Generation der Neutronenquellen zu liefern, finde ich sehr wichtig und wenn irgendwie die Möglichkeit besteht, das sinnvoll weiter zu machen … wäre es mir eine große Ehre ebenjenes zu tun.

Bis dahin verabschiede ich mich mit viel Dank im Herzen für Freunde, Familie und Gesellschaft und beim nächsten Mal können wir ja gucken, ob es jemanden gibt, der an meiner Misere schuld ist. Ich meine, Strahlenphysiker mit Leukämie… da muss es doch einen Schuldigen geben, oder?

 

 

 

Kommentare (34)

  1. #1 RPGNo1
    11. Juni 2018

    @Tobias Cronert
    Toller Artikel. Mir wurde beim Lesen wieder klar, wie gut unser Gesundheitssystem eigentlich ist und dass wir gerne auf hohem Niveau jammern. Es gibt ohne Zweifel Probleme, die angegangen werden müssen. Aber mit anderen Ländern, wie z.B. den USA, möchte ich nicht tauschen.

  2. #2 gedankenknick
    11. Juni 2018

    Mal ganz davon abgesehen, dass aktuell meine “Produktivität” daraus besteht nette Wissenschaftsdinge zu erforschen, die vielleicht mal irgendwann für die Gesellschaft sinnvoll sind…
    Wenn ich mir überlege, welche Entwicklungsgeschichte der Laser durchgemacht hat, und was nun alles draus geworden ist…
    …stehen Deine Chancen doch ganz gut, etwas mit Neutronen hinzubekommen, was irgendwann der Menschheit sehr dienlich sein wird. Auch wenn man das Potential heute noch gar nicht absehen kann, so wie Einstein und Ladenburg das Potential eines “Laser” noch nicht absehen konnten.

    Ich meine, Strahlenphysiker mit Leukämie… da muss es doch einen Schuldigen geben, oder?
    Schicksal!? https://www.thediscworld.de/index.php/Schicksal
    Zitat: “Die meisten Götter würfeln, aber Schicksal spielt Schach, und zwar mit zwei Damen – was man erst ganz zum Schluss herausfindet, wenn es zu spät ist. Das Schicksal gewinnt. So sagt man jedenfalls. Was auch immer passiert: Hinterher heißt es, daß es Schicksal gewesen sein muß.*
    *In dieser Hinsicht sind die Leute ein wenig verwirrt, ebenso bei Wundern. Wird jemand durch eine sonderbare Verkettung von Umständen vor dem sicheren Tod gerettet, spricht man von einem Wunder. Doch wenn eine unglückselige Folge von Ereignissen jemanden umbringt – hier ein Ölfleck und dort eine Lücke in der Leitplanke -, so ist das ebenfalls ein Wunder. Der Vorgang wird nicht weniger wundersam, nur weil er uns nicht gefällt. “

  3. #3 Peter K.
    Titz
    11. Juni 2018

    Ich glaube, so ein Blog ist recht hilfreich bei der Bewältigung schwerer Lebenskrisen. Berichten, was einem so alles widerfährt, schafft Distanz zu den weniger glücklichen Gedanken um die persönliche Zukunft. Ich drücke Dir, Tobias, auf jeden Fall die Daumen für einen glücklichen Ausgangs Deines medizinischen Abenteuer. Kleine Frage noch: neben den naturwissenschaftlichen / medizinischen Gedanken gibts da noch Raum für religiöse, spirituelle Reflexionen?

  4. #4 zimtspinne
    11. Juni 2018

    Warum müssen tiefsinnigere Gedanken um und übers Leben(ssinn) immer irgendwie verbandelt sein mit religiös-spirituell-magisch-mythisch-tanszendentisch-blablubb sein?
    War ja klar, dass wieder einer mit solch Gedöns ankommt, ebenso wie die Wunderheiler.

  5. #5 Ingo
    11. Juni 2018

    Ich kann die Gedanken in dem Artikel nur bestaetigen.
    Als wir in einer aehnlichen Kriese steckten und sich Krankenhausaufenthalt nach Krankenhausaufenthalt, nach Operation nach Operation haeuften, lernt man ploetzlich eine Gewisse Dankbarkeit kennen.

    Diese haben wir sogar darueberhinaus (als alles positiv vorbei war) beibehalten.
    Den ganzen Abzuege auf der Gehaltsabrechung, und sogar der Steuerabrechung des Finanzamts (auch wenn es nur indirekt mit dem Gesundhewitssystem zusammenhaengt) begegnet man ploetzlich viel positiver.

    Wir koennen ja einen “Fankclub des Finanzamt und der Sozialabgaben” gruenden.

  6. #6 Tobias Cronert
    11. Juni 2018

    RPGNo1:Ja, in den USA wäre ich vermutlich nicht krankenversichert gewesen, weil ich bis auf die Leukämie vollkommen Gesund gewesen bin und Krankenversicherungen für Doktoranden und Postdocs (vor allem welche, die mit Strahlung arbeiten *hehe*) nicht allgemein Standard sind. Das ist auch schon etwas gruselig, wenn ich dran denke, dass eine Promotion in den USA auch durchaus bei mir auch als Option auf dem Tisch lag.

    Gedankenknick: Ich werde auf jeden Fall hart dran arbeiten den neuen Laser zu bauen … aber für jeden Physiker, der einen Laser erfidet gibt es 10000, die bestenfalls eine teuere Methode entwickeln Popkorn zu machen 😉
    Meine spezielle Leukämie hat für meine Altergrupe eine Warscheinlichkeit von 1:100000 … leider nicht 1: 1Million …. vielleicht solte ich mich dabei auf ein Bein stellen, oder so. *g*

    @Sinn des Lebens: Bevor ich die konkrete Diagnose ALL hatte und nur “Leukämie” im Raum stand habe ich mir schon überlegt: Was ist jetz, wenn du nur noch 2 Jahre zu leben hast? Aber seit ich die Diagnose habe, hat sich an der Häufigkeit meiner tiefsinnigen Gedanken zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt meines Lebens nichts wirklich geändert. obwohl ja doch ein signifikantes Sterberisiko besteht. Offensichtlich habe ich mir auch schon immer in meinem Leben da so viele Gedanken zu gemacht, dass die konkrete Gefahr jetzt nicht wirklich viel ändert.

    An meiner religiösen, spirituellen Einstellung hat sich durch die Leukämie auch nichts geändert. Ich hatte da vorher eine durchdachte und gelebte Meinunung und dieselbe habe ich immer noch. Ich finde, wer plötzlich in Kriesenzeit aus Angst das Pferd wechselt, der saß auch vorher nicht auf dem Richtigen.

    @Ingo Vieleicht werde ich dann bei der Steuer nicht mehr versuchen jeden Krempel abzusetzen 8ein beliebtes hobby der Kölner) … oder lieber Spenden *g*. Viele Hilfevereine gehören ja in Deutschland auch zur Gesundheitslandschaft und machen tolle Arbeit.

  7. #7 Omnivor
    Am 'Nordpol' von NRW
    11. Juni 2018

    @Ingo
    An so etwas ähnliches habe ich auch schon gedacht. In meiner beruflichen Vergangenheit im Vertrieb habe ich mich immer wieder gewundert, mit welchen läppischen Dingen man Leute (leider mich auch) anspornen kann.
    Heute gilt als dumm, wer Steuern zahlt. Die größten Steuerzahler sollten aber Orden bekommen und gefeiert werden. Schulen, Schwimmhallen und Finanzämter sollten nach ihnen benannt werden….

  8. #8 Omnivor
    Am 'Nordpol' von NRW
    11. Juni 2018

    Nach einem Studium in den USA oder UK hätte man auch noch ~100k€ Schulden wegen des Studiums.

  9. #9 Ingo
    11. Juni 2018

    Sehr geehrtes Finanzamt

    auch in diesem Jahr senden wir Ihnen keine Steuererklaerung, sondern bitten sie stattdessen den hoechsten Steuersatz anzunehmen.
    Desweiteren moechten wir sie gerne zu unseren Sommerfest ‘Fanclub Finanzamt’ einladen. Es gibt Voll-Versteuerte Wuestchen.

    Mfg
    Fanclub Finanzamt

  10. #10 Mars
    11. Juni 2018

    ich find es gut, dass du dir so viel von der ‘seele’ schreiben kannst
    ich kenne jemand, der das gleiche durchgemacht hat,
    mit allen zweifeln die dann irgendwann kommen, und ist froh, durchgehalten zu haben
    – weil es am ende gut war.
    und ja, seine leben hat sich – in ganz vielen bereichen – grundlegend geändert: seine sicht auf das leben und das was dann wirklich noch als wichtig definiert wurde.

    noch eine medizinische bemerkung:
    du schreibst:
    “” …. jede 6 Stunden eine Blutanalyse, … später dann eine Bluttransfusion bekommen.””

    das scheint mir ein grundlegendes problem in der analyse zu sein. in vielen bereichen reicht zur analyse ein tropfen, und dennoch werden vielen patienten am tag mal locker 100 ml abgenommen.
    dass du da nach einer woche leergesaugt bist … wundert wenig.
    Und die risiken, die eine transfusion mitbringt, sind in diesem fall eher unbedeutend, aber nicht zu vernachlässigen, da dein körper sowieso schon aufs maximale malträtiert wird.

    auch wenn der anlass sicher nicht der beste ist, ist das berichten aus erster hand für viele sicher hilfreich
    am meisten wohl für dich

    weiter so.
    alles gute
    Mars

  11. #11 JW
    11. Juni 2018

    @ Mars: “Für viele Analysen reicht ein Tropfen”. Na ja, oft braucht man mehr. Sei es, um die Probe aufzuteilen und auf mehreren Geräten gleichzeitig zu messen, damit es schneller geht. Seit es wegen pipettierverlusten und Totvolumina. Oder manchmal, weil man einfach mehr braucht. Und wenn man 10 Parameter bestimmern will, braucht man locker mehr als das 10-fache Volumen.

  12. #12 JW
    11. Juni 2018

    @Dankbarkeit: Bei der Gelegenheit sollte man auch darüber nachdenken, ob es bei entsprechendem Einkommen wirklich die Private KV sein muss oder ob sich auch solidarisch zeigen kann.
    Nebenher bringt das sicher auch im Alter und bei schweren und chronischen Erkrankungen Vorteile. Solidarität ist nicht unbedingt eine Einbahnstraße.

  13. #13 Tobias Cronert
    11. Juni 2018

    Meine Familie ist klassischer Mittelstand. Mit Schulden von Sutdiengebühren und Behandlungskosten wären dann alle Vewanten und Frizens Hund, die sich an meiner Behandlung beteiligen würden pleite.

  14. #14 Tim
    11. Juni 2018

    Ich kann Dich gut verstehen. Dankbarkeit ist eine schöne, angenehme und verständliche Haltung als Patient. Insbesondere dann, wenn man Bluttransfusionen bekommt, das sind ja schon höchst spezielle Momente.

    Je mehr Krankenhaus- und Arzterfahrungen man macht, desto klarer sieht man allerdings auch die vielen unverständlichen Schwachstellen und Ungerechtigkeiten des Systems. Letztlich führen diese dazu, dass Patienten nicht die Leistungen bekommen, die sie bei besserer Gestaltung des Gesundheitssystems bekommen könnten.

    Und darum darf man auch gern über das deutsche Gesundheitssystem klagen, selbst wenn es in den meisten anderen Weltregionen natürlich viel schlechter ist.

  15. #15 tomtoo
    11. Juni 2018

    @Tobias
    Ist ja ein spannendes Thema. Gut du bist Wissenschaftler, würde mal sagen du bist sozusagen vorbelastet bzgl. Informationsbeschaffung. Ist ja nicht jeder. Wie sieht es da mit Informationsgesprächen usw. aus?

  16. #16 René
    11. Juni 2018

    @Mars: Du hast falsch zitiert.

    du schreibst:
    “” …. jede 6 Stunden eine Blutanalyse, … später dann eine Bluttransfusion bekommen.””

    Richtig ist, dass @Tobias Cronert schrieb:

    jede 6 Stunden eine Blutanalyse und massenhaft Untersuchungen […] und jedes Mal, wenn meine HB-, Thrombozyten- oder anderen Werte zu schlecht gewesen sind, habe ich eine Bluttransfusion bekommen.

    Du kannst nicht einfach irgendwas zwischen die Anführungszeichen schreiben, was Du für gleichbedeutend hältst. Hier hast Du mit der Verfälschung obendrein die Bedeutung verändert. Dein Falschzitat erweckt den Anschein, als habe Tobias generell nach jeder Blutanalyse eine Bluttransfusion bekommen (was Du nicht verwunderlich findest). Das schrieb Tobias so aber gar nicht.

    @Peter K.: Ich verstehe genausowenig wie @zimtspinne, was das Thema hier plötzlich mit Religion zu tun haben soll. Das ist nun, zusammen mit “Kurz notiert” der sechste Beitrag, den Tobias uns hier seit seiner Leukämiediagnose dankenswerterweise liefert. Bisher ist der Kommentarbereich dazu ohne Religionsgeschwafel ausgekommen. Ich fände es schön, wenn das so bliebe. Das Themenspektrum, was Tobias uns hier liefert, das gesamte Gemisch von Fachartikeln mit seiner momentanen persönlichen Erfahrung, finde ich nämlich viel interessanter.

  17. #17 Kokee Thornton
    11. Juni 2018

    Ich wünsch dir die nötige Kraft und das du wieder gesund wirst und in deinen Beruf zurückkehren kannst. Fiese Scheiße. Alles Gute!

  18. #18 Mars
    11. Juni 2018

    @Rene

    … hab das schon richtig verstanden, nur gekürzt um auf der einen seite zu zeigen, dass den patienten eine nicht unerhebliche blutmenge im laufe der tage durch die vielen analysen abgenommen wird. natürlich werden die ärzte bluttransfusionen geben, weil bestimmte werte das notwendig erscheinen lassen.

    aber es ist nicht von der hand zu weisen, dass bei längerer behandlung ohne weiteres eine blutspende von gut 500 ml/woche keine seltenheit darstellt.
    jeder andere darf das nur alle 6 wochen leisten
    … und nicht 6x in 6 wochen

    es gibt mittlerweile einige KH, die dieses problem erkannt haben, und versuchen micro-blutentnahmen zu machen, weil die diagnostik das auch zulässt

    aber es bedeutete auch, neue fläschchen und systeme einzuführen, denn – wie immer – hat man das ja schon immer so gemacht —- aber eben nicht zum besten des patienten in einer solchen situation.

    bei der normalen labordiagnostik 1-2x im jahr ist das ja egal, aber bei mehrmaliger entnahme pro tag, kommt eben doch in 4-6 wochen behandlung eine lebensbedrohende menge zusammen, die ja auch wieder irgendwie ausgeglichen werden muss

    aber jede bluttransfusion wird auch als kleine transplantation angesehen – mit allen wirk und nebenwirkungen – erhöhtes risiko bei nierenversagen und blutverklumpung sind noch die bekanntesten.

    man sollte das gerade bei so einer dramatischen behandlung nicht aus dem auge verlieren.
    Mars

  19. #19 Krypto
    11. Juni 2018

    Gute Genesung, Tobias!

  20. #20 zimtspinne
    11. Juni 2018

    danke René, war schon kurz im Bereu-Modus, das geschrieben zu haben, da ich keinen Unfrieden stiften möchte.
    Es ist Tobias Sache, Spiritualität, Glaubensfragen etc hier einzubringen, sollte er das Bedürfnis haben.
    Da das bisher nicht geschah, sehe ich auch keinen Grund, dieses Thema von außen an ihn heranzutragen.
    Kann ja auch eine ganz harmlose Frage gewesen sein, doch leider zeigen die Erfahrungswerte hier herum, dass dies fast immer (eigentlich sogar immer) der Auftakt zu Diskussionsstress und allerlei Streiterei ist, und das hier sicher keiner möchte.

    Ich find das nämlich auch richtig interessant, weil es so eine ungewöhnliche wissenschaftliche Herangehensweise ist, die es in der Form gewiss kaum gibt im inet.
    Da kann man einfach auch Fragen stellen, was man sich bei einem “normalen” Krebsblogger (oder auch Freund im RL) nie trauen würde. Da steht doch viel mehr die Emotionalität im Vordergrund (was auch völlig ok ist).

  21. #21 Lercherl
    11. Juni 2018

    @mars:

    das scheint mir ein grundlegendes problem in der analyse zu sein. in vielen bereichen reicht zur analyse ein tropfen, und dennoch werden vielen patienten am tag mal locker 100 ml abgenommen.

    Dass ein Tropfen reicht, hat auch eine gewisse Elizabeth Holmes behauptet. Sie wollte mit ihren neuen Methoden die Blutanalyse revolutionieren. Ihr Vermögen wurde von Forbes auf 4,5 Milliarden beziffert … bis sich herausstellte, dass ihre revolutionären Methoden schicht und einfach nicht funktionieren. Forbes hat daraufhin ihr geschätztes Vermögen auf Null korrigiert und die Securities and Exchange Commission ihr “massive fraud” vorgeworfen.

    Es mag schon sein, dass in einem oder anderen Fall mehr Blut abgezapft wird als unbedingt nötig, aber mit einem Tropfen kommt man meistens nicht weit.

  22. #22 Mars
    11. Juni 2018

    @Lecherl

    … dann seh ich in dem tropfen halt einen (1) ml.
    nicht aber 10, 15 ml die üblicherweise pro Röhrchen genommen werden
    dann sind es schnell 3-5 röhrchen, da ja jeder irgendwas anderes messen will/muss

    ich wollte damit nur aufzeigen, dass man einen patienten, der es sowieso schwer hat körperlich nicht komplett in die knie zu gehen, und im dann jeden tag ein mehrfacher aderlass verpasst wird.
    wo es auch anders gehen kann UND muß.
    Grüssle

  23. #23 tomtoo
    11. Juni 2018

    @Mars
    Was macht dich so skeptisch
    gegenüber den Medizinern? Könnte mir schon vorstellen, das die über soetwas auch nachdenken.

  24. #24 Mars
    11. Juni 2018

    hallo @tomtoo

    … meinst du wirklich, nachdenken, im klinikalltag? …
    weil man das doch schon immer so gemacht hat.
    oder, sowas haben wir noch nie gemacht

    ja, diverse einblicke in die medizinerausbildung und KH betrieb ist mir nicht ganz ungeläufig.
    und ich weiss, dass es tatsächlich ansätze gibt, diesen übermässigen aderlass bei patienten zu minimieren.
    früher … als noch menschen mit pipetten an den analysen saßen, am mikroskop und mit reagenzien, war das notwendig. aber heute mit den schnellen, (fast) menschenlosen analysegeräten genügen wirklich tropfen

    das blut-management wird in vielen bereichen immer wichtiger. in der chirurgie ist man ja schon länger bemüht, weil eben vermieden werden soll eine unnötige transfusion geben zu müssen, weil man allmählich dahinter kommt, dass die nebenwirkungen erheblicher sind als bisher gesehen.
    dass aber eine vermehrte – zudem noch unnötige – blutabnahmen den patient im schlimmsten falle ‘leerzuzeln’ ist zwar bekannt, wird aber sehr spährlich umgesetzt.
    im falle einer krebsbehandlung kommt man wegen der chemo oder bestrahlung oft nicht um transfusionen herum, nimmt risiken dazu leichter in kauf – wäre aber für mich gerade dann ein grund alles zu tun, um das so gering als möglich zu halten.

    denn als regelmässiger, gesunder blutspender tut das sogar gut, aber als ‘risikopatient’… muss nicht sein!
    grüssle

    es gibt diverse veröffentlichungen in einschlägigen bereichen zb:
    https://www.beck-shop.de/fachbuch/leseprobe/9783131706218_Excerpt_001.pdf

  25. #25 Tobias Cronert
    11. Juni 2018

    @ Spiritualität: Also ich kann mir gut vorstellen, dass in einer ungewöhnlichen Lebenssituation einige Leute entweder zu einem Glauber/einer Spiritualität finden oder die, die sie vorher gahabt haben verliren/ablegen.
    Meine Einstellung ist da schon immer eigentlich recht langweilig gewesen und hat sich auch nicht geändert, weshalb ich es hier auch nicht für erwähnenswert halte.

    @Blut: Man hat mir gesagt ich würde zur Zeit für ca. 1-2000 kCal Blut pro Tag produzieren. Also inklusive Krebsblasten etc. Das “verbrauchte” verlässt dann über tote Zellen durch Chemo und Blutproben den Körper. Wieviel davon jetzt alleine für die Blutproben ist? … Hm ich glaube keine 100ml. Es muss aber wohl Leute mit meiner Form der ALL geben, die nicht mehr im Knochenmarkpunktiert werden können, weil durch die ganzen Probenentnahmen “nichts mehr drin ist”.

  26. #26 roel
    11. Juni 2018

    @Tobias Cronert “Heute geht es bei mir um Dankbarkeit und erschreckenderweise steht da unser geliebtes deutsches Gesundheitssystem”

    Das freut mich! Du scheinst dort aber auch ein besonderer Patient zu sein. Ich denke soviel positive Interesse bekommt das Krankenhauspersonal meistens nicht zu spüren (Ich weiß es eigentlich).Teil 1 von #25 volles Verständnis.

  27. #27 SkeptikSkeptiker
    Randpolen
    12. Juni 2018

    Immer mal schön zu hören – und das auch als langjähriger regelmäßiger Blutspender weit jenseits der 100+ – wenn man vom konkreten Einsatz der “Konserven” erfährt. Also Tobias, meine letzte von voriger Woche kannst du haben. 😉
    Konkrete Fälle und Geschichten dahinter animieren vielleicht auch mal den einen oder anderen, seinen A… zu heben, um 500ml seiner Gesundheit zu teilen. Ähnlich ist das ja bei Typisierungsaktionen; wenn ein kleines Kind in Umgebung Leukämie hat, rennen Tausende hin, ansonsten interessiert es kaum jemanden. Was man da an Meinungen hört, wenn mal vorsichtig dafür wirbt, vom pösen Gesundheits/Pharma/DRK….usw., die nur damit Profit machen, bis zu “Ich spende nichts, will auch niemals fremdes Blut haben.” – zumindest bis nach dem nächsten Autobahncrash auf der Intensivstation… als Gutmensch belächelt zu werden ist noch das harmloseste. So trifft sich ein immer gleiches und ein immer älter werdendes Klientel alle 8 Wochen bei der Blutspende und alle paar Jahre bei Ehrungen der Jubiläen. Ist aber vielleicht auch eine regionale Wahrnehmung. Hoffenlich. Ansonsten…

  28. #28 Charlotta
    12. Juni 2018

    Aus meiner eigenen Familie weiß ich, dass meine eigenen Kinder (inzwischen erwachsen), Blut spenden, ebenso wie es ihre Eltern und ihr Opa getan haben.
    Weitergehend führen sie einen Organspendeausweis mit sich.
    Da fühle ich mich dem Zitat, das Karl Valentin zugeschrieben wird, sehr verbunden.
    “Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen einem sowieso alles nach.”
    Unser heutiges Wissen um Spenderdatenbanken für Stammzellentransplantationen zeigt den weiteren Weg:Typisierung.
    @Skeptik Skeptiker
    Aus meiner Sicht ist “Öffentlichkeitsarbeit” sehr wichtig, ganz alleine schon deshalb, um Möglichkeiten überhaupt kennenzulernen, da wo es nicht vorgelebt wird.
    Kommentare (positive und negative) wird es immer geben.
    Wichtig ist dabei wohl, mir meiner selbst klar zu sein, warum ich es tue und den Sinn sehe. Dann mache ich es auch gerne und es schützt.

  29. #29 Tobias Cronert
    12. Juni 2018

    Ja, den Effekt von Blutspenden bekomme ich aktuell sehr direkt und zeitnah mit. Vor allem hat die Uniklinik hier ja eine eigene Blutspende und das gespendete Blut wird auch hier verwendet. Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit, das ich wirklich das Blut von einem meiner Kumpels bekomme, die nach dem Besuch bei mir noch zur Blutspende gegangen sind ist recht hoch … toller direkter Effekt mMn.

  30. #30 JoAl
    nahe HD
    13. Juni 2018

    MoinmMoin,
    ich wünsch dir alles Gute und viel Erfolg!
    Und falls es dich beruhigt – ich finde meine KK-Beiträge sind bei einem Wissenschaftler weit besser aufgehoben als bei einem Motorradfahrer oder Extremsportler 😉
    Ich werde auf jeden Fall verfolgen, was du so schreibst und denke dass auch du davon profitierst – sei es auch nur die Ablenkung in Einzelhaft.
    Gruß Jochen (der normal still mitliest)

  31. #31 René
    13. Juni 2018

    @JoAl: Sehr beruhigend, dass nicht die Wertigkeiten solcher pauschalurteilfällenden Menschen wie Dir darüber entscheiden, wer medizinische Hilfe aus unsere Krankenkassenbeiträgen bekommen darf.

  32. #32 JoAl
    nahe HD
    13. Juni 2018

    @René
    Smiley gesehen?! Ironie kapiert? plumber Trollversuch?
    So warm ist’s doch heute garnicht…

  33. #33 Tobias Cronert
    13. Juni 2018

    Es hatte ein paar Tage braucht, bis die erte Person aus meinem Bekanntenkreis erzählt hatte, dass ihre erste Reaktion auf meine Krankheit der Gedanke gewesen wäre: “Wiso der Tobi und keine niemand anderes. Es gäbte so viele Leute, die es verdient hätte.”

    Teil 1 ist mir persönlich nicht in den Kopf gekommen. Wahrscheinlich, weil ich dafür zu egoistisch bin. Meine Krankheit ist halt meine Krankheit, die geb ich nicht so schnell her.

    Teil 2 finde ich regelrecht abstoßend. Jemad anderem ein schlechtes Schicksal zu wünschen finde ich nicht gut. Ich bin für Gerechtigkeit, aber kontrolliert durch ein Rechtssystem etc. pp. und nicht durch Schicksal.

  34. #34 René
    14. Juni 2018

    @JoAl: Schon gut. Ich versuche, Dich nicht weiter zu füttern. Trotzdem möchte ich nicht ganz ohne Reaktion verbleiben, weil es auch die Allgemeinheit betrifft:

    Ein Emote ist meines Erachtens dazu geeignet, die Stimmung zu verdeutlichen, mit der Du einen Text übermitteln möchtest. Ich halte es jedoch für eine unlautere aber verbreitete Unsitte, solche dazu zu verwenden, im Nachhinein auf die angebliche Ungültigkeit der gemachten Aussagen zu plädieren.

    Mit oder ohne Emote. Die pauschale Bewertung von Unglücksfällen bei den von Dir genannten Personengruppen wird schon so in Deinem Kopf stattgefunden haben, sonst hättest Du die Worte nicht schreiben müssen. Und das finde ich doch schon etwas kritikwürdig.