Ich habe eine ausgewachsene Strahlenkrankheit. Juchhu?! Gute eine Woche nach meiner Bestrahlung habe ich eine ausgewachsene Strahlenkrankheit entwickelt. Das heißt, ich huste Blut, weil in meiner Lunge “viele dislocierte Schädigungen” im MRT und per Lungenspiegelung nachweisbar sind. Dazu kommt eine Schädigung aller Schleimhäute im Magen/Darm/Mund/Rachen-Raum, was aber wohl (im Gegensatz zu der Lungenschädigung)  bei meiner Strahlen/Chemokombination normal ist. Ich habe einen halben Tag auf der Intensivstation verbracht, bis ich meine Ärzte davon überzeugen konnte, dass ich ihnen jetzt nicht gleich wegsterben werden, nur weil niemand alle 2 Minuten an mein Bett zum Gucken kommt.

Eigentlich sollte eine solche Schädigung meiner Lunge durch die Bleiplatten verhindert werden, die dann die Organdosis auf 4 Sievert senken sollten. Woran es jetzt wirklich gelegen hat, kann man leider nicht genau sagen und es bieten sich mehrere Möglichkeiten an. Zum einen könnte meine Lunge eine höhere Organdosis abbekommen haben als berechnet. Falsche Platzierung der Bleiplatte, falsche Platzierung von mir im (aufgeweiteten) Strahl, falsche Berechnungen etc. pp. Da gibt es viele Möglichkeiten. Zum anderen könnte die Organdosis, die meine Lunge abbekommen hat, genau richtig (also wie berechnet) gewesen sein, nur mit dem Problem, dass meine Lunge etwas sensibler auf die Strahlung reagiert hat als normal (oder sensibler auf die Chemo, was dann in der Verbindung mit den Strahlen die Reaktion ausgelöst hat). Da meine Dosis so nahe am medizinisch machbaren, wie möglich gelegen hat (S-Kurve in der Strahlenmedizin) ist es hier leicht, über die Schwelle zu rutschen bei der es gefährlich wird. Das ist nun eben bei mir passiert und 12 Sievert an Photonen-Strahlung haben mir eindringlich verdeutlicht, warum ionisierende Strahlung so gefährlich ist.

Da bin ich auch eigentlich ein gutes Stück dankbar für. Ok, wenn ich die Wahl gehabt hätte, dann hätte ich natürlich lieber auf die Erfahrung verzichtet, aber das gilt logischerweise für meine ganze Leukämie. Nun bin ich einer der wenigen Strahlenschützer Deutschlands, die tatsächlich mal eine Strahlenkrankheit gehabt haben. Wieviele können das schon sein? Aktives Strahlenschutzpersonal gibt es in Deutschland vielleicht 10.000 (wenn man man Röntgen etc. weglässt), davon gab es mWn keinen Unfall in Deutschland, der eine unbeabsichtigte Strahlenkrankheit zur Folge gehabt hätte. Das heißt, es bleiben nur noch die Leute, die im Rahmen einer medizinischen Prozedur so viel Dosis abbekommen haben. Eine Ganzkörperbestrahlung gibt es aber wiederum nur für die Flüssigkrebs-Geschichten und da auch nur für die Hochrisikofälle… und die sind in der Größenordnung 1:100.000. Tja, ich werde mich mal umhören, ob die Kollegen noch jemanden kennen, der jemanden kennt…

Während ich das hier schreibe, fühlt sich die Strahlenkrankheit noch eher wie eine Verwundung an, was mich verhältnismäßig fit dabei sein lässt. Da wurde ich aber schon eindringlich gewarnt, dass das in den kommenden Tagen, wenn langsam nach und nach alle anderen Organe in Mitleidenschaft gezogen werden, nicht mehr der Fall sein wird und sich das Ganze zu einem allgemeinen “Kranksein” entwickelt. Daher erwartet bitte in den kommenden Tagen nicht allzu viel von mir. Meine Arbeit hat mich sprichwörtlich eingeholt 😉

Alle Leukämie-Tagebuch Einträge

Letzter Tagesbucheintrag – nächster Tagesbucheintrag

Strahlenphysiker hat jetzt Leukämie – Blog 14 – Tag 0Strahlenphysiker hat jetzt Leukämie – Blog 16 – Tag 9

Kommentare (31)

  1. #1 Peter K.
    8. November 2018

    Moin Tobias,
    ich glaube, man muss Dir hier einen Extradaumen drücken – Du kannst ihn wohl gebrauchen. Meine guten Wünsche mit Dir, dass Du dies gut überstehst.
    Peter

  2. #2 haehtinaeh
    8. November 2018

    Ganz ganz gute Besserung! Hier sind alle Daumen gedrückt!

  3. #3 JLutz
    8. November 2018

    Da drücke ich dir gerne auch weiterhin alle verfügbaren Daumen.
    Erstes umhorchen bei den Kollegen bracht auch keine vergleichbaren Sachen.

    Viel Gück und weiterhin “viel Spaß”

    juergen

  4. #4 Peter K.
    8. November 2018

    Spaß im Limbus? Ich weiß mal nicht. So zwischen Leben und Tod zu schweben, ist vielleicht nur wenig lustig – bei aller Begeisterung für die Technik.

    Gruß
    Peter

  5. #5 UMa
    8. November 2018

    Hallo Tobias,
    ich wünsche Dir hier ebenfalls alles Gute und eine Gute Besserung, dass du auch die Strahlenkrankheit gut überstehst.

  6. #6 tomtoo
    8. November 2018

    Jetzt kommt wohl die harte Zeit. Drücke alle Daumen, das du schnell wieder auf dem Damm bist!

  7. #7 RPGNo1
    8. November 2018

    Ich schließe mich meine Mitkommentatoren an und drück zusätzlich noch die großen Zehen.

    Mach bloß keine Dummheiten und komm wieder auf Beine.

  8. #8 HS
    Magdeburg
    8. November 2018

    Hallo Tobias, ich möchte einfach nur alles Gute wünschen!! Ist echt bewundernswert, wie Du mit der ganzen Geschichte umgehst.

  9. #9 Tobias Cronert
    8. November 2018

    Hey, danke für die ganzen guten Wünsche und liebe Grüße

  10. #10 Sarallian
    Berlin
    8. November 2018

    ch wpnscge a ucg akkes gzte!
    (Mit gedrückten Daumen tippen ist nicht leicht)

    *die Daumen der Bürokollegen auch noch drücken geh

  11. #11 stone1
    8. November 2018

    Das hätte es jetzt aber nicht auch noch gebraucht.
    Gute Besserung für die Strahlenkrankheit und gedrückte Daumen auch von mir.

  12. #12 Spritkopf
    8. November 2018

    Den Genesungswünschen meiner Vorkommentatoren schließe ich mich an und hoffe, dass du die kommenden unangenehmen Tage gut überstehst. Alles Beste für dich und gedrückte Daumen.

  13. #13 Tim
    8. November 2018

    Woran kann man denn erkennen, dass die Transplation geklappt hat bzw. dass die neuen Stammzellen bei Dir einer geregelten Arbeit nachgehen? Ausschließlich an den Blutwerten (Leukozyten usw.)? Oder gibt es noch andere (direkte) Indikatoren?

  14. #14 roel
    8. November 2018

    @Tobias Cronert

    Gute Besserung! Ich hoffe es ist etwas besser, als es sich liest. Bis zum vorhergehenden Post war doch alles auf dem besten Weg. Ich drücke alle Daumen!

  15. #15 Jerowski
    8. November 2018

    Gutes Anwachsen und gute Besserung! Vielen Dank, dass du uns so eng teilhaben kannst. Achte auf dich!

  16. #16 LasurCyan
    8. November 2018

    Oh Mann..gute Besserung und vielen Dank, dass Du das so auf Deine schöne Art so beschreibst.

  17. #17 Minkowski
    8. November 2018

    Hallo Herr Cronert,
    gute Besserung. Bisher nur stiller Mitleser ihres hervorragenden Blogs,
    drücke ich Ihnen nun alle verfügbaren Daumen.

    Zähne zusammenbeissen und durchhalten.

    Beste Grüße

  18. #18 Mamarok
    8. November 2018

    Gute Besserung! Ich weiss leider, wie sich das anfühlt (Radiotherapie ganzer Oberkörper 1997, dann noch mal sehr punktgenau im Hals 2010) Die 2. Radiotherapie war ein Klecks im Vergleich zur großflächigen 1997, weil viel genauer und auf einen präzisen Tumor gerichtet. Ich erinnere mich aber: erstaunlicherweise ging es mir 2 Wochen nach Ende der Therapie wieder recht gut, nur der Husten bleibt recht lange, stellen Sie sich mal darauf ein. Es war bei mir nicht die ungenügende Bleiabdeckung, sondern einfach eine sensiblere Lunge, vielleicht durch mein Asthma aus Kindertagen. Scheinbar reicht da schon ein sehr peripherer Treffer. Aber 21 Jahre danach bin ich ja immer noch hier, wenn auch um etwas Strahlenerfahrung reicher 🙂

  19. #19 Hans Zekl
    z.Zt. MS Trollfjord
    9. November 2018

    Hallo Tobias,
    Ich wünsche dir alles Gute, insbesondere dass deine Verstrahlung keine bleibenden Schäden hinterlässt und die Therapie gegen die Leukämie zum Erfolg führt.

  20. #20 Thomas Gutberlet
    z.Zt. Villigen
    9. November 2018

    Lieber Tobias, meine besten Genesungswünsche. Ich hoffe, du wirst auch weiterhin alles gut überstehen. Immerhin sitze ich derzeit ein paar Meter nur weg von einer deiner geliebten Strahlungsqeullen, an der SINQ am PSI in der Schweiz.
    Alles Gute, Thomas

  21. #21 Aginor
    9. November 2018

    Auch von mir Gute Besserung!
    Und ich muss sagen ich bin beeindruckt, diese positive Grundstimmung die man auch im Blog liest, die bewahrt sich nicht jeder, und die hilft mit Sicherheit auch. 🙂

    Gruß
    Aginor

  22. #22 noch'n Flo
    Schoggiland
    9. November 2018

    @ Tobi:

    Auch von mir gute Besserung – ausser den Daumen drück’ ich sicherheitshalber auch gleich noch die grossen Zehen mit. Hoffe, dass ich damit nicht auf die Nase falle.

  23. #23 Tobias Cronert
    9. November 2018

    Danke Danke

  24. #24 MartinB
    9. November 2018

    Alles alles gute und ganz doll Daumen-drück wie nach jedem deiner Posts.

  25. #25 Dr. Webbaer
    9. November 2018

    Sie haben ja ganz schön Pech, lieber Herr Cronert.
    Hoffentlich kommen Sie da noch heraus, viel Glück dabei, Glück stellt sich oft nach Pech ein,
    MFG
    Wb

  26. #26 Natalie
    11. November 2018

    Drück’ Dich und alle verfügbaren Daumen!

  27. #27 Eva Zellmann
    Karlsruhe
    12. November 2018

    Lieber Tobi, bin wieder hier gewesen, um nach Dir zu sehen.
    Auch von mir die besten Wünsche, dass Du bald da durch bist und wieder gesund! Ich drücke alle erdenklichen Daumen, die ich finden kann.
    Eva

    (Hierfür springe ich übrigens über meinen Schatten und schreibe zum allerersten Mal etwas auf eine Internetseite.)

  28. #28 Polte
    12. November 2018

    Viel kraft und mut, diese Krankheit durchzustehen, wünsche ich ihnen. Mögen bessere tage kommen. Ich finde es cool, wie sie über diese Krankheit schreiben. Sie.machen anderen mut und hoffentlich auch sich selbst.

    Eve

  29. #29 Tobias Cronert
    12. November 2018

    Danke Danke für die ganzen guten Wünsche

  30. #30 Till
    14. November 2018

    Hallo Tobi, alles Gute. Ich drücke die Daumen, dass alles glatt läuft und Du bald wieder auf dem Damm bist. Das schlimmste ist ja hoffentlich bald überstanden.

  31. #31 Irene Böhmer
    Karlsruhe
    18. November 2018

    Mein Vater war ein bekannter Heidelberger Radiologieprofessor und Krebsforscher, so dass ich recht gut in diesem Metier Bescheid weiß.So möchte ich Ihnen viel Mut machen und denke es wird wieder alles gut werden.Eine ostdeutsche Freundin bekam diese Erkrankung unmittelbar nach der “Wende”.Es geht ihr trotz höheren Alters relativ gut.In diesem Sinne alles erdenklich Gute für eine baldige Genesung.
    Irene