Im Westen nichts Neues. Ich bin zu Hause und nähere mich sowohl der Jahresmarke nach Erstdiagnose als auch dem Punkt, an dem ich anfangen kann, die Medikamente abzusetzen. Gerade Letzteres stimmt mich recht positiv, denn bislang habe ich einen nahezu idealen Verlauf (von ein paar kleinen Infektionen mal abgesehen) und habe so die realistische Hoffnung, den Krebs endgültig und abschließend besiegen zu können. Sobald man dann die Medikamente absetzt, bekommt man wohl erst mal 1001 dumme kleine Krankheiten, bis sich das neue Immunsystem darum eigenständig kümmern kann, aber Husten, Schnupfen, Heiserkeit sind im Gegensatz zu so ein paar anderen Dingen, mit denen ich es in der letzten Zeit zu tun hatte, echt mal zu vernachlässigen.
Ich war beim Anwalt und habe Widerspruch gegen die Behauptung der Berufsgenossenschaft eingelegt, dass meine Leukämie keine Berufskrankheit wäre. Erstmal nur formell fristwahrend und gerade bin ich dabei, die letzten Pinselstriche unter meine Begründung für ebenjenen Einspruch zu setzen. Grundsätzlich zweifele ich die Berechnung der Organdosis an und fordere sie auf, das Ganze doch bitte noch mal in Vernünftig zu machen. Was ich genau im Detail geschrieben habe, werde ich dann bei Gelegenheit hier ebenfalls veröffentlichen und entsprechend kommentieren. Ich denke, dass da einige Leute im großen weiten Internet sicher von profitieren könnten, mal ein “Musterbeispiel” für einen solchen Prozess vernünftig dokumentiert zu sehen. Naja, und außerdem ist Schadenfreude und Katastrophentourismus ja auch immer eine willkommene Ablenkung im Netz *g*.
Bei der Begründung des Widerspruchs musste ich teilweise an mich halten, um nicht böse oder schnippisch dem Gutachter der BG gegenüber zu sein. Ein paar Passagen, die ich schon geschrieben hatte, habe ich dann beim erneuten Lesen wieder komplett gelöscht bzw. umgeschrieben. Beispiel: “Der Versicherte geht davon aus, dass daraus eine Expositionsermittlung errechnet werde kann. Dem ist nicht so.” *Grrr* Natürlich geht der Versicherte nicht davon aus, dass daraus eine Exposition ermittelt werden kann, du Depp! Hat der Versicherte auch gar nicht behauptet. Der Versicherte ist nämlich Strahlenphysiker und hat die gleiche Ausbildung und Strahlenschutzfortbildungen wie du Hansel – was du wissen würdest, wenn du dir die Mühe gemacht hättest, mal seinen Namen zu googeln. Args! Naja, alles löschen und objektiv bleiben.
Nachher wurde ich dann noch von einem schlauen Menschen darauf hingewiesen, dass ich sehr wohl Kritik an dem Gutachter selber drinstehen lassen kann… und soll. Denn der ganze Sinn des Widerspruches ist es ja eben, Fehler aufzuzeigen und Fehler sind eben Stellen, an denen der Gutachter nicht richtig gearbeitet hat. Da ist dann die entsprechende Kritik absolut gerechtfertigt und angebracht – mit der richtigen Begründung natürlich.
Beim Anwalt war ich erst mal nur, um mich beraten zu lassen und damit dieser seinen Briefkopf über den Widerspruch drüber setzt. Das heißt noch lange nicht, dass ich nachher bei erneuter Ablehnung vor Gericht ziehen werde. Das kommt sehr darauf an, wieviel Spaß mir die ganze Sache macht und ob ich darin einen Mehrwert für die Gesellschaft entdecken kann. Außerdem schwirren mir schon 1001 Sätze im Kopf herum, die ich vor einem deutschen Gericht gerne einmal los werden würde. “Verehrtes Gericht, werte Anwesende. Sehe ich aus, wie ein unterernährter Japaner aus dem zweiten Weltkrieg, der gerade eines der traumatischsten Ereignisse der Menschheitsgeschichte erlebt hat?” – Mehr dazu dann in den entsprechenden folgenden Artikeln 😉
Ansonsten heißt es dann bei mir eben “Abwarten und Tee trinken”. Das Absetzen der Immunsuppressiva (und dann folgend der Antibiotika etc.) ist der nächste große Schritt, dem ich derzeit entgegenfiebern darf. Manchmal im wahrsten Sinne des Wortes *g*
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