Gibts da nicht ne Studie zu? Ja, aber… sowohl Kern- als auch Windkraft sind schon immer kontrovers gewesen. Also kontrovers in dem Sinne, dass sich Leute im Internet und am Stammtisch drüber aufgeregt haben. Diese Polarisierung zieht sich nicht nur durch Facebook und Twitter, sondern auch durch die Landschaft der wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Es ist jetzt nicht ganz so schlimm, wie beim Glyphosat oder dem Stickstoff, aber es gibt Studien und “Studien”, die jeweils die politische Meinung einer Fraktion unterstützen und dabei den Anspruch reklamieren wissenschaftlich und objektiv zu sein. Tja, beide Flügel können nicht gleichzeitig Recht haben und meiner persönlichen Meinung nach liegt die Wahrheit mit ziemlicher Sicherheit irgendwo dazwischen.
Exemplarisch möchte ich jetzt mal eine Studie herausgreifen, die unter anderem 2012 im Journal of Integrative Environmental Sciences erschienen ist, also noch vor der Trump-Era, welche bei der Polarisation durchaus noch mal ein paar Schippen Kohle aufs Feuer geschmissen hat. Darin hat der Autor (ja, nur ein einzelner Autor) Zahlen zusammengetragen, ein wenig Statistik betrieben und visuell aufbereitet und ist zu dem Schluss gekommen, dass Wind und Atom gleich viele Vögel töten, während Kohle und andere fossile Quellen 10 mal soviele Dinosauriernachfahren auf dem Gewissen haben, aber alle Energieträger total gegen Pestizide, Fenster und Katzen abstinken.
Also ganz konkret sollen sowohl Windkrafträder als auch Atomkraftwerke um die 0,3-0,6 Todesfälle pro GWh verschulden, während fossile Energieträger mit dem 10fachen, bzw. bis zu 9 Todesfälle pro GWh zu Buche schlagen. Dabei variieren die Zahlen stark, je nachdem ob man die 2009er Version oder die 2012 Veröffentlichung des gleichen Autors zu Rate zieht. Zusammengetragen wurden die Daten aus vielen verschiedenen Einzelevents und dann auf die Verteilung der Stromproduzenten in den USA hochgerechnet. Sprich, hier haben mal 40 Gänse radioaktiv kontaminiertes Wasser aus einem Becken einer Uranabbauanlange getrunken und dort sind im Jahr 5000 Wandervögel im Kühlturm gelandet. Das erklärt natürlich die großen Schwankungen und ist auch mein großer Kritikpunkt, warum man diese Daten mit viel, viel, sehr viel Vorsicht genießen muss.
Kaum ein Kraftwerk führt eine vernünftige Strichliste, wieviel Vögel morgens tot vor den Kühltürmen gefunden werden. Kein Uranbergwerk wird eine Statistik führen, wieviele Gänse Uranhexafluorid gesoffen haben und selbst wenn sie es tun würden, dann würden sie diese Zahlen sicher nicht veröffentlichen oder einem Umweltaktivisten zur Verfügung stellen. Daher ist die Datenerhebung mal mindestens mit einer größeren Ungenauigkeit behaftet… um es milde auszudrücken. Gleichzeitig setzt der Autor dann auch noch die Todeszahlen aus der Energieproduktion in Relation zu Fenstern und Katzen, um sie zu relativieren. Das kann man machen, muss es aber nicht.
Was sollte der Leser jetzt aus meinem wirren Rant mit nach Hause nehmen?
- Zum einen, dass Atomkraft auch Vögel tötet, denn das kann die Studie auch fernab von konkreten Zahlen sicher belegen. Ein Sachverhalt, der nicht unbedingt selbstverständlich ist.
- Zum anderen, dass man in solchen Diskussionen arg aufpassen muss, mit welchen Zahlen aus welchen Quellen man arbeiten will. Nur weil es in einem Peer-Review Journal erschienen ist, darf man nicht jedes Wort auf die Goldwage legen. Das gilt natürlich für beide Seiten.
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