Endlich mal wieder schlechte Nachrichten. Nachdem es letztes Mal nur gute gegeben hat, nun endlich mal wieder ein paar schlechte… leider von der schlechten, schlechten Sorte. Ich hatte ja beim letzten Mal groß rumgetönt, dass die Verhältnisse von Krebszellen zu gesunden bei der vorletzten Knochenmarkbiopsie unter der Nachweisgrenze von 10^-6 gelegen haben und ich damit wieder komfortabel in molekularer Remission bin. Außerdem habe ich mich tierisch darüber gefreut, dass nach der Entnahme aus dem Knochenmark noch mal drei Wochen das Blinatumomab über die Krebszellen gebügelt hat und damit dann ja auch wirklich kein Rest mehr da sein sollte… Tja, zu früh gefreut. Die molekularen Ergebnisse sind immer noch nicht da, aber dafür die Chimärismusanalyse. Diese sagt nun leider, dass ich zur Zeit nur noch eine 90%tige Chimäre bin, das heißt, dass von meinen alten Zellen so viele überlebt und sich wieder vermehrt haben, dass sie nun 10% meines Knochenmarks stellen, ja und ihr habt’s erraten, das ist natürlich der Teil, wo die Krebszellen (auch) drin sind. – Mist –

Das heißt jetzt nicht zwangsweise, dass das Blinatumomab seinen Job nicht tut, bzw. in den letzten drei Wochen getan hat, denn diesen Effekt kann man ziemlich gut an der Verlaufskontrolle von den Clustern im Becken sehen, aber das Blina attackiert mit dem Antikörper ja “nur” den CD19 Marker und damit nicht zwangsweise alle Krebszellen, die bei mir so herumschwimmen.

Auf der positiven Seite haben wir aber mit den neuen Erkenntnissen aus der Chimärismusanalyse viele Fragen von letzter Woche beantwortet. Die Frage, ob das neue Immunsystem irgendwie nützliche Graft-vs.-Leukämie-Effekte liefert, kann eindeutig mit NEIN beantwortet werden… zumindest nicht in einer Quantität, die irgendwie relevant wäre. Das heißt, die Transplantation ist absolut unvermeidbar, falls Überleben gewollt. Außerdem wird es nicht reichen, eine weitere Therapie nur mit Blina zu machen und das heißt im Umkehrschluss, dass jetzt der Tyrosinkinaseinhibitor Ponatinib an der Reihe ist. Dazu sind auch schon alle Vorbereitungen (EKG etc.) gelaufen und wir fangen morgen an, wenn die Apotheke das Medikament geliefert hat. Manchmal machen einfache Erkenntnisse komplizierte Entscheidungen dann doch recht simpel.

In meinem Fall brauchen wir im “Dauerbetrieb” eine mittelhohe Dosis, aber wir fangen erst mal unten an. Das Ponatinib ist schon für seine Nebenwirkungen bekannt und wir wollen uns da natürlich erst mal langsam vortasten. Das Ponatinib ist mein letzter richtig guter Pfeil im Köcher und wie ich schon beim letzten Mal gesagt habe, hätte ich es gerne vermieden, schon zum jetzigen Zeitpunkt den größten Teil meiner Hoffnung auf diese eine Karte zu setzen. Naja, da bleibt mir jetzt halt leider nicht anderes mehr übrig.

Das heißt rein psychologisch gesehen, wird es langsam tough. Ich mag es überhaupt nicht, wenig bis gar keine Optionen zu haben und gerade dieser Zustand hat sich in den letzten Monaten immer mehr eingestellt. Das zwingt mich auch in einer gewissen Weise dazu, mich um Dinge kümmern zu müssen, die vorher noch in einem gewissen Grad optional gewesen sind. Also ganz konkret alle Passwörter und Logins meiner Cyberwelt zusammenzufassen, damit meine Leute drauf zugreifen können, falls ich dazu nicht mehr in der Lage bin. Alle sonstigen Informationen und Besitztümer zumindest so aufbereiten, dass jemand anders draus schlau werden kann und nicht zu viel verschwendet wird, wenn man hinter mir aufräumen muss etc. pp.. Dazu “gezwungen” zu sein ist noch mal eine wesentlich größere Belastung als eine “freiwillige” Option, aber noch bekomme ich das geregelt, obwohl ich jetzt auch körperlich nicht unbedingt sonderlich viel Leistungsfähigkeit in die Waagschale werfen kann (ganz im Gegenteil).

Wie auch immer noch ist nicht aller Tage Abend und ich habe gerade jetzt einen ziemlichen Produktivitätsschub bekommen, von dem ich euch sicher erzählen werde, sobald es etwas Handfestes zu erzählen gibt. Dafür brauche ich sicher noch ein paar Wochen und Monate, aber diese werde ich sicher über den Frühling und Sommer haben, den die Stammzellentransplantation, auf die ja immer noch alles hinaus steuert, wird sicherlich noch so lange auf sich warten lassen.

Kommentare (20)

  1. #1 Tobias
    WeiterGen
    2. Juli 2020

    Denken an dich!

  2. #2 RPGNo1
    2. Juli 2020

    Um D&D-Jargon zu bemühen: Nachdem die Zaubersprüche der Stufen 1-9 wirkungslos blieben, wird jetzt der ultimative epische Zauber herausgeholt.

    Alles Gute. Mehr bleibt mir im Moment leider nicht zu sagen.

  3. #3 Spritkopf
    2. Juli 2020

    Tobias, du bist mein leuchtendes Beispiel für Mut und Lebenswillen. Ich drücke dir ganz feste alle Daumen.

  4. #4 Intensivpfleger
    2. Juli 2020

    Hi Tobias,
    ich lese deinen Blog seit Beginn an mit Freude und seit deiner Erkrankung auch mit Herzen mit.
    Berufsbedingt habe ich regelmäßig mit solch hämatologischen Ausnahmesituationen zu tun. Ich bin zwar einigermaßen überzeugt, dass du weisst, dass dein behandelndes Team alles für dich tun wird, aber falls du da irgendwelche Zweifel haben solltest, dann lass dir von meiner Stelle noch mit auf den Weg geben: wir vom behandelnden Team stehen als eine mächtige und geschlossene Phalanx hinter dir und all den Patienten, denen es genauso wie dir ergeht, und arbeiten weit über alle Grenzen hinaus für das Wohl unserer Patienten.
    Ich wünsche dir eine nebenwirkungsarme und erfolgreiche Behandlung und die Kraft, das alles weiterhin zu ertragen und zu einem guten Abschluß zu bringen.

    Beste Grüße vom
    Intensivpfleger

  5. #5 Tina
    2. Juli 2020

    Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft und Zuversicht und dass alles sich zum Guten hin entwickelt. Die Daumen sind gedrückt.

  6. #6 Tobias Cronert
    2. Juli 2020

    Vielen Dank für die ganzen guten Zusprüche.

    Mein medizinisches Team ist total super und toll und ich bin total froh, dass ich die Leute habe und mich auf sie verlassen kann. Mal ganz abgesehen von den tollen komodiantischen Situationen, die sich mittlerweile so teilweise zwischen uns ergeben haben.

  7. #7 UMa
    2. Juli 2020

    Hallo Tobias,
    von mir alles, alles Gute für die neue Behandlung und dass die zweite Transplantation erfolgreicher verläuft als die Erste. Möge Dir nur das Beste widerfahren.

  8. #8 René
    2. Juli 2020

    Krasse Nachrichten, bei denen ich nicht so richtig gelassen bleiben kann. Ich würde es vorziehen, wenn Du Deine Kennwörter weiterhin für Dich behalten und benutzen würdest!

  9. #9 sino
    2. Juli 2020

    Hallo Tobias,
    verfolge deinen Blog bisher als „stiller Beobachter“ und dein bisheriger Humor und Lebensmut beeindruckt mich. Schön zu vernehmen, dass du mit deinem medizinischen Team in den besten Händen bist.

    Alles Gute für die neue Behandlung und weiterhin viel Kraft und Zuversicht – auch für den sicherlich kräfte- und nervenraubenden Rechtsstreit mit der Berufsgenossenschaft BGETEM – sowas hat gerade noch gefehlt.

  10. #10 zimtspinne
    3. Juli 2020

    Tobi,

    großer Mist, den du wirklich nicht verdient hast als so sozialer Mensch (warum gibts keine geeigneten neuen Spender, verdammtnochmal!?), aber natürlich hat überhaupt keiner so einen dämlichen Krebs verdient…

    Was mir aber schon bei deinem letzten update durch den Kopf ging:
    Du und dein Onkoteam haben die Krebszellen medikamentös super unter Kontrolle gebracht und du brauchtest nicht mal eine klassische Chemotherapie dafür.
    Ich kann deinen Wunsch nach Tabularasa verstehen, aber wäre es sooo eine schlechte alternative Option, die Erkrankung einfach weiterhin medikamentös in Schach zu halten?
    Falls eine Resistenz auftritt, womit ja über kurz oder lang bei Krebserkankungen immer zu rechnen ist, gibt es doch sicherlich schon Nachfolger in der pipeline?

  11. #11 Aginor
    3. Juli 2020

    Ach verdammt.
    Drücke weiterhin die Daumen dass Du und Dein Team auch das hinkriegen!

    Gruß
    Aginor

  12. #12 Bernhard
    Berlin
    3. Juli 2020

    Tobias,

    bedrückende Nachrichten. Ich drücke wie alle hier die Daumen um so fester. Eine Freundin war vor einer Weile in einer ähnlichen Lage, es gab nur noch eine gute Option – und die hat aber funktioniert.

    Viel Kraft.
    Bernhard

  13. #13 Tobias Cronert
    3. Juli 2020

    Weiterhin danke für die ganzen guten Wünsche.

    Also den Streit mit der Berufsgenossenschaft mache ich ja nur zum Spaß (und zur Aufklärung der Allgemeinheit). Wenn mich das irgendwie sonderlich belasten würde, dann würde ichs sein lassen und hätte persönlich quasi keine (wenig) Nachteile daraus. Also da braucht ihr euch keine Sorgen zu machen.

    Ansonsten ist die medikamentöse Einstellung, die aktuell funktioniert, ist ja leider auch nur eine Frage der Zeit, bis das eben nicht mehr funktioniert und in dem Fall stehe ich dann blöd da mit weniger Optionen, als aktuell. Daher ist meine persönliche Meinung lieber jetzt was machen, als das ganze noch mal hinauszögern.

  14. #14 VinMan
    3. Juli 2020

    “Es gibt viel zu verlieren, Du kannst nur gewinnen” – alles Gute, Tobias

  15. #15 zimtspinne
    3. Juli 2020

    Tobi,

    im Rahmen unter den gegebenen Umständen als Unbeteiligte verstehe ich dich…..

    aber sag mal, wie wären deine Therapieoptionen ohne Transplantation?
    Selbst wenn dein derzeitiges Medikament seine Wirkung verlöre, gäbe es doch sicherlich Alternativen und Nachfolger?
    Ich weiß, dass du auf die Transplantation setzt, was ich ohnehin super mutig finde, ich habe schon Schiss vor dem Gedanken daran als Außenstehende….
    bestimmt ergibt sich da auch was, es wird einen Spender geben, aber eben vielleicht nicht sofort….

    Bitte verliere nicht deinen Lebenswillen und deine Lebensfreude!

  16. #16 Joseph Kuhn
    3. Juli 2020

    Was für ein Mist. Schön zu hören, dass du gut umsorgt wirst.

    Erzähl bei Gelegenheit mal von den “komödiantischen Situationen”. Wird ja hoffentlich kein schwarzer Humor sein 😉

  17. #17 Sonne
    7. Juli 2020

    Lieber Tobias,

    ich drücke so fest die Daumen, dass alles gut geht. Dass die möglichen Behandlungen von bestem Erfolg gekrönt sein werden: diese Leukämie einfach ein für alle Mal loszuwerden.
    Ich nehme auch so einen t-kinaseinhibitor und bei Horrorgeschichten um Ausbreitung der Krebszellen drumherum und trotzdem, wird mir sehr sehr übel.

    Ich habe mir vorgenommen, noch im halbfreiwilligen Raum, solche Aufzeichnungen zu machen und selbst das gelingt nur sehr schwer. Da es die reale Möglichkeit so sehr auf den Plan ruft… Dass andere das bald absehbar brauchen könnten.
    Jetzt verstehe ich, warum mein liebster Mensch, der kürzlich verstarb, das nicht geschafft hat. Keine Ordnung und keine Aufzeichnungen, nicht ein Mal eine Notiz.

    Es ist so schwer. Aber Notizen habe ich, immerhin das. Ich gehe nicht ohne Notizen für die, die bleiben.

    Eigentlich will ich bleiben. Noch Schwimmen gehen, Lachen, dies das.
    Bleib du auch!!

  18. #18 Tobias Cronert
    9. Juli 2020

    Ich werd mein bestes tun um hier zu bleiben … schließlich gibts hier gute Pizza.
    Aber eine vernünftige Vorbereitung bin ich meinen Leuten sicherlich schuldig, mindestens.

    @Zimtspinne: Naja, sobald das Ponatinib nicht mehr wirkt (man achte hier auf das “sobald” anstatt eines “wenn” oder “falls”) dann gibt es keine wirkliche Therapieoption mehr und dann ist es vorbei. Effektiv gesehen. Sprich außer eines Transplant gibt es keine wirklich echte Langzeitoption und mit Langzeitoption meine ich eher MOnate, als Jahre.

  19. #19 Peter
    9. Juli 2020

    Warum siehst du in der zweiten Transplantation keine Langzeitoption für Jahre? Die kann sie doch bringen – im besten Fall sogar sehr viele Jahre.

  20. #20 Tobias Cronert
    9. Juli 2020

    Uups, da habe ich mich falsch ausgedrückt. Das Ponatinib ist eine Option eher für Monate, als für Jahre.
    Die Transplan wäre tatsächlich die einzige Langzeitoption oder Option auf “Heilung”.