Bei Bildblog gefunden und für lesenswert befunden:

“Bild lässt Vorurteile wachsen”

Ich sehe bei der derzeitigen Berichterstattung eine große Gefahr: Bild und verwandte Medien beschwören zumindest zum Teil genau die Situation herauf, gegen die sie angeblich wettern und die derzeit so objektiv nicht vorhanden ist. Aber vermutlich hat dort noch nie jemand den Begriff “Selbsterfüllende Prophezeiung” gehört: Rede den Leuten oft genug ein, dass sie wertlos und aggressiv sind und man wundere sich dann, warum sie tatsächlich aggressiv werden.

“The present study extended these findings by showing that the perceiver’s stereotype-consistent behavior causes the target person to reciprocate in kind, thereby confirming the perceiver’s stereotypic beliefs.”(1)

Frei übersetzt: Die Vorurteile einer Person, die sich gegen jemand anderen richten, veranlasst den anderen es mit gleicher Münze heimzuzahlen, so dass die ursprünglichen Vorurteile bestätigt werden.

Das ist natürlich nur ein Aspekt, wie Vorurteile gegen Minderheiten wirken. Schließlich sind Minderheiten keine passiven Einheiten in diesem psychologischen Wechselspiel, sondern auch Akteure. (2)

Vorurteile sind eine gefährliche Sache (3) und ich finde es schlimm, wenn man diese auch noch schürt, anstatt an wirklich positiven Lösungsansätzen mitzuwirken.
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Quellen:
(1) Nonconscious Behavioral Confirmation Processes: The Self-Fulfilling Consequences of Automatic Stereotype Activation, Mark Chen and John A. Bargh, New York University, Journal of Experimental Social Psychology, Volume 33, Issue 5, September 1997, Pages 541-560

(2) Personality and Social Psychology Review, Vol. 4, No. 4, 374-390 (2000)
DOI: 10.1207/S15327957PSPR0404_6, A Reconceptualization of How We Study Issues of Racial Prejudice
J. Nicole Shelton

Weitere Quellen hier:
(3) Cognition and Affect in Cross-Cultural Relations.

Kommentare (7)

  1. #1 Monika Armand
    Januar 16, 2008

    Schön, dass Sie dieses Thema aufgreifen. Weil ich Ihre Ansicht teile, wie mit Bild-Schlagzeilen und “gelenkten” Inhalten Meinungen manipuliert werden, habe ich mich auch diesem Themas gewidmet und die Bild-Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft, indem ich Teile aus den zitierten Studien mit den Bild-Meldungen verglichen habe.Alles hier zu berichten würden den Rahmen sprengen. Deshalb: Wenn Sie möchten gibt es die Infos hier:
    https://sozial-wissenschaften.blogspot.com/

  2. #2 L. Carone
    Januar 16, 2008

    Ah, da sind also die bloggenden deutschen Sozialwissenschaftler! Danke für die Links 😉

  3. #3 Christian
    Januar 16, 2008

    Nichts gegen den Bildblog, aber es gibt durchaus auch ernstzunehmende Studien die exakt das Gegenteil dessen aussagen, was Prof. Pfeiffer hier vertritt. Erinnert sei nur an den Vortrag des Berliner Staatsanwaltes Reusch bei der Hans-Seidel-Stiftung, der hier zu finden ist:

    https://www.hss.de/downloads/071207_VortragReusch.pdf

    Dort findet sich (auf Seite 5) der folgende Satz:

    “Die Masse der Intensivtäter wird demnach von orientalischen Migranten gestellt.”

    Und auf Seite 6 ist zu lesen:

    “Nicht etwa die Türken als kopfstärkste Migrantengruppe stellen die relativ meisten Täter, sondern die Araber, die an der Berliner Bevölkerung nur einen verschwindend geringen Anteil haben. Diese wiederum setzen sich überwiegend aus den bereits erwähnten Palästinensern sowie Angehörigen hochkrimineller Großfamilien mit türkisch-kurdisch-libanesischen Wurzeln zusammen, die arabische Muttersprachler sind und in Berlin weite Bereiche des organisierten Verbrechens beherrschen.”

    Reusch ist Oberstaatsanwalt in Berlin und befasst sich bereits seit etlichen Jahren mit der dortigen Jugendkriminalität. Seine Aussagen, die ebenso wie die von Pfeiffer durch Statistken untermauert sind, stehen im völligen Gegensatz zu den im Bildblog getroffenen Feststellungen. Hier kann definitiv nicht beides stimmen…wer von beiden Recht hat sollen die Sozialwissenschaftler von mir aus unter sich ausmachen 🙂 Ich denke aber dass es wichtig ist nicht zu vergessen, dass in diesem Konflikt durchaus “beide Seiten” vernünftige Argumente vorgebracht haben und nicht nur “Vorurteile”.

  4. #4 Monika Armand
    Januar 17, 2008

    @ Christian
    Wenn ich Sie richtig verstanden habe, so beziehen Sie die Aussagen nicht explizit aus Studien, sondern aus dem Vortrag von Reusch. Dort ist “Meinung” mit angeblich statistischen Zahlen vermengt. Welche Studien sollen nun tatsächlich das belegen, was in der Bild-Zeitung als Meinung verbreitet wird? Da sich die Bild-Zeitung zunächst auf die Studien von Prof. Pfeiffer berief und diese tatsächlich völlig falsch dargestellt hat, hat sich Prof. Pfeiffer selbst zu Wort gemeldet. Auch die Forschungsgruppe an der Universität Bielefeld konnte die Forschungen Prof. Pfeiffers mit eigenen Forschungen untermauern. Wäre schön, wenn wir hier eine “echte” Aufklärung zustande brächten, denn in der Wissenschaft sollte es doch nicht um “Meinungsgrabenkämpfe” sondern eher darum gehen, die “Wahrheit” ans Licht zu bringen ;-))

  5. #5 L.Carone
    Januar 17, 2008

    Christian, das soll wohl ein Witz sein? Herr Reusch hat gute Argumente? Hast Du mal den Vortrag mit offenen Augen gelesen und hast Du Ahnung von Statistik?

    Herr Reusch ist Staatsanwalt und kein Wissenschaftler. Und das merkt man auch.

    Denn wenn ich mir diesen Vortrag ansehe, dann bin ich bereits nach 2 Seiten richtiggehend sprachlos. Das ist vor allem Rhetorik. Vom wissenschaftlich-statistischen und sachlichen Standpunkt her ist der Text aber mit großer Vorsicht zu genießen. Ich bin erst auf Seite 2 angelangt und habe bereits jetzt einige Passagen gefunden, die ich so nicht stehen lassen würde. Da werden scheinbar objektive Zahlen willkürlich zusammengeworfen.

    Lies Dir bitte nur die ersten beiden Seiten des Vortrages kritisch durch:

    Schon der zweite Satz:
    “Vielmehr scheint es sich bei der Masse
    der damals noch Gastarbeiter genannten Zuwanderer um „kreuzbrave“ Menschen gehandelt zu haben.”

    Scheint es sich gehandelt zu haben? Ja, war das denn so oder nicht? Und wenn er es nicht weiß, dann sollte er lieber gar nichts sagen. Das ist Rhetorik und eine reine Behauptung, die durch nichts belegt wird, als sein eigenes Gefühl. Unzulässig!

    Und dann die Verwendung des Wortes “kreuzbrav”. Das ist eine wertende Aussage, die in eine fundierten Behandlung des Themas absolut nichts verloren hat.
    Aber es ist entlarvend, denn in dem Stil geht es sofort weiter.

    Dann die folgende Passage gestolpert:

    “Anfang bis Mitte der 80iger Jahre entstand in den Innenstadtbezirken West-Berlins mit hohem Ausländeranteil die Unsitte des sogenannten „Jacken-
    Abziehens“ (..). Die Täter waren
    – so berichten es damals schon tätige Kollegen – im Regelfall Ausländer, die Opfer im Regelfall Deutsche.”

    Hier sollten Deine Alarmglocken schrillen!

    Warum bereitet mir diese Passage Kopfzerbrechen?

    1. Wenn es um eine gesamtdeutsche Debatte geht, mit welchem Recht nimmt man dann selektiv Berlin heraus mit all seinen lokalen Besonderheiten und greift dann aus diesem sehr beschränkten Datensatz einen Stadtteil mit hohem Ausländeranteil heraus? Weil er selbst da tätig ist? Sein persönliches Umfeld hat in einem wissenschaftliche Diskurs nur dann was zu suchen, wenn es beispielhaft für gesamtdeutsche Tendenzen steht. Der Text heißt nicht Integration in Berlin. Inwiefern, die spezifische Situation von gewissen Innenstadtbezirken in Berlin für die gesamtdeutsche Entwicklung stehen soll, steht da nicht. Es wird aber stillschweigend der Eindruck beim Leser forciert. Stilmittel, aber kein sachliches Argument.

    2. Im Übrigen bleibt er dabei wichtige Details schuldig.

    Wie hoch war der Anteil der Deutschen in diesen Stadtteilen? Waren die gar in der Minderheit? Kann ich nicht sagen. Nehmen wir mal an, dass es so gewesen ist. Verwundert es in so einem Milieu, dass die Täter aus der Mehrheit und die Opfer aus der Minderheit stammen. Mit Fug und Recht kann man dann ebenso willkürlich die Fälle von Körperverletzung in einigen ostdeutschen Gebieten mit verschwindend geringem Ausländeranteil vorwiegend Deutschen anlasten und die Opfer sind dann in der Regel Ausländer? Das ist ein ganz spezifisches Milieu mit ganz spezifischen Besonderheiten. Insbesondere nicht nur hoher Ausländeranteil, sondern auch hohe Armut. Das Thema klammert er hier einfach aus, was Herr Pfeifer bewusst nicht getan hat. Es handelt sich hier um gezielte Datenselektion, um seine eigenen Ansichten zu untermauern. Die Meinung hat sich aber an die Daten anzupassen, nicht umgekehrt!

    Dann “berichteten Kollegen, dass in der Regel die Täter Ausländer und die Opfer Deutsche waren.” Das mein lieber Christian ist Hörensagen. Wo sind denn die Zahlen dazu aus Verurteilungen? Hmm? Schon mal davon gehört, dass Vorurteile die Wahrnehmung und Gewichtung verschieben? Zudem, seit wann ist es zulässig einfach so Opfer und Täter miteinander zu vergleichen? Ich sag später, warum das nicht bzw. nur eingeschränkt geht.

    Herr Reusch legt sich hier willkürlich Zahlen und subjektive Aussagen von Polizisten zurecht, um seinen Standpunkt zu untermauern. Rhetorisch geschickt, aber unwissenschaftlich!

    Nächstes Zitat: “Zumindest in der Wahrnehmung der in der Strafverfolgung tätigen Personen nahm die Anzahl ausländischer Beschuldigter bzw. von Beschuldigten mit ausländischen Namen immer stärker zu.”

    Das wird hier sogar extra betont, um dann anschließend diese subjektive Einschätzung mit angeblich objektiven Zahlen zu untermauern. Er spricht von einem hohen Ausländeranteil bei den Tatverdächtigen. Unzulässig! Gerade in einem mit Vorurteilen behafteten Milieu sind die Leute schnell dabei Minderheiten zu beschuldigen. Es geht aber darum, ob sie es auch wirklich WAREN.

    In der subjektiven Wahrnehmung der Polizisten werden noch mal die Tatverdächtigen betrachtet? Oder wie jetzt?

    Deswegen müssen die Verurteilungen gezählt werden und eben nicht die Tatverdächtigen. Warum tut Herr Reusch das hier nicht?

    Und auch folgendes sollte Dir zu denken geben.

    “Nach deren übereinstimmenden Angaben (Angaben der Polizisten beruhend worauf? persönlich Einschätzung? Schriftlich fixierte Protokolle?) waren rund 70% der Tatverdächtigen in diesem Bereich (Jugendkriminalität) Ausländer, 30% Deutsche. Hingegen waren 70% der registrierten Opfer Deutsche und nur 30% Ausländer. ”

    Auch hier wird bewusst von Tatverdächtigen gesprochen. Fragen wir uns doch mal ganz objektiv. Wer neigt dazu, sich als Opfer von gewalttätigen ausländischen Jugendlichen zu sehen? Eher Ausländer oder eher Deutsche? Ich weiß es nicht. Aber das gehört hier schon mit rein.

    Alleine dieser Vergleich ist absolut unzulässig, wenn es nicht ordentlich begründet wird.

    Spielen wir mal advocatus diaboli und behaupten, dass tatsächlich unter den jugendlichen Tätern 70% Ausländer sind. Dir ist klar, dass jugendliche Straftäter eine Minderheit in der Bevölkerung darstellen, oder?

    Ist es dann zulässig den Anteil der Ausländer in der Tätergruppe mit dem Anteil der Ausländer in der Opfergruppe zu vergleichen?

    Wer kann alles Opfer werden? Das hängt zunächst mal ab, wer sich im näheren Umfeld befindet, wer überhaupt greifbar ist. Sagen wir eine jugendliche Gang randaliert in einer Fußgängerzone, in der von 100 Menschen nur 10 Ausländer unterwegs sind (10% Ausländeranteil an Gesamtbevölkerung). Wundert es Dich dann, dass der Anteil der Opfer an den Ausländern gering ist, wenn der Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung, von der jeder Opfer werden kann, gering ist?

    Warum wird dann dieser Vergleich angestellt?

    Noch nicht genug?
    “Diese Berichte nahm ich zum Anlass, mein eigenes Dezernat – ich bearbeitete seinerzeit Tötungsdelikte
    – hinsichtlich der Staatsangehörigkeiten der Täter durchzusehen. Ich kam zu dem Ergebnis, dass 35% der von mir angeklagten Personen ausländische
    Staatsangehörige waren.”

    Hallo? Vorhin war von jugendlichen Tatverdächtigen die Rede und jetzt spricht er auf einmal von Tätern (!) also Verurteilten. Jetzt geht es auf einmal, sieh mal an. Und warum ging es vorher nicht?

    Verdächtige sind keine Täter! In unserem Rechtsstaat ist das ein ganz klarer Unterschied und darf und sollte nicht verglichen werden. Und Jugendkriminalität mit allen Tötungsdelikten auch von Erwachsenen zu vergleichen, geht auch nicht einfach so, ohne dass in irgendeiner Form zu begründen.

    Im Übrigen wechselt er auch fröhlich Orte. Hier Frankfurt und München, da Berlin.
    Herr Reusch springt einfach fröhlich so von dem einen zum anderen Feld, ohne sich großartig darum zu kümmern, inwieweit die Vergleiche zuverlässig sind.

    Komisch der Ausländeranteil sinkt auf einmal von 70% auf 35%, was recht hoch zu seien scheint. Jetzt hängt es aber wiederum ab. Wo kamen die Täter her? Aus welcher Untergruppe der Bevölkerung sind diese Täter wiederum die Untergruppe und wie hoch ist der Ausländeranteil in dieser. Dann können wir vergleichen. So ist die Aussage 35%, für sich allein genommen, wertlos.

    Weißt Du was, Christian? Diese beiden Seiten haben mir bereits völlig gereicht.

  6. #6 Marcus
    Januar 17, 2008

    guter Konter, Frau Carone, Respekt, wenn ich das sagen darf.

    da sind wir jetzt auf Christians Antwort gespannt …

  7. #7 L.Carone
    Januar 17, 2008

    Ich sehe gerade, es ist sogar NOCH schlimmer.

    “…hinsichtlich der Staatsangehörigkeiten der Täter durchzusehen. Ich kam zu dem Ergebnis, dass 35% der von mir angeklagten Personen ausländische
    Staatsangehörige waren.”

    Im ersten Satz spricht er von Tätern und im zweiten Satz auf einmal von von ihm angeklagten Personen.

    Wie war das noch mal mit dem Rechtsstaat?
    Tatverdächtige sind noch keine Angeklagte, Angeklagte sind noch keine rechtskräftig verurteilten Personen. Erst im letzteren Fall kann man von Tätern reden. Habe ich zumindest bisher immer so verstanden. Aber vielleicht kann mir ja der Herr Staatsanwalt erklären, wieso ich jetzt extrem verwirrt bin?

    Oder hier “die Anzahl ausländischer Beschuldigter bzw. von Beschuldigten mit ausländischen Namen…”

    Ähm, mein Student heißt Grziwa mit Nachnamen, seine Familie ist seit mind. 100 Jahren “deutsch”. Zudem gab es da noch einen bekannten, leider verstorbenen deutschen Tierfilmer namens Grzimek. Ist Oskar Lafontaine ein deutscher Name oder doch eher ein offenkundig französischer und wer darf das entscheiden?