Es ist mal wieder Freitag! Mist, ich wollte doch diese Woche noch mit der Auswertung der neuen Daten fertig werden…*Seufz*

Kennt Ihr das? Erstens dauert es immer länger und zweitens läuft es immer anders, als Ihr denkt. Warum sollte wissenschaftliche Arbeit da eine Ausnahme machen 😉

Egal, deshalb ist es mal wieder genau die richtige Zeit für ein Wissenschafts-Musikvideo. Scheint ja langsam fast so etwas wie eine Tradition hier zu werden.

Dieser CERN-LHC-Rap fliegt jetzt schon seit einiger Zeit durch die wissenschaftliche Blogosphäre, aber vielleicht kennt der eine oder andere es noch nicht und deshalb sei er noch mal hier in seiner ganzen Schönheit präsentiert:

When LHCb sees where the antimatters gone, ALICE looks at collisions of lead ions, CMS and ATLAS are two of a kind, they’re looking for whatever new particles they can find.

Damit haben die CERN-Leute wunderschön zusammengefasst, was ich in einigen Beiträgen hier bereits angedeutet habe:
CERN – Auf der Suche nach der Schwere des Seins.
Die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest.
Oder auch hier:
ALICE am LHC: Ionen, Quark und Plasmen.

CERN hat übrigens einen eigenen YouTube-Kanal.

Schaut Euch aber bloß nicht die Kommentare an! Was da an geballter Ignoranz aufläuft, ist nicht mehr feierlich.

Da tummeln sich die Leute, die diese bescheuerte dämliche Geschichte vom angeblichen Weltuntergang kaufen, die Leute, die sagen, dass das mal alles eine unglaubliche Geldverschwendung sei. Ja, ne ist klar. Wenn Menschen aus 68 Nationen zusammen kommen und friedlich die Natur der Welt erkunden, dann ist das eine Geldverschwendung. Aber fast eine Milliarde Euro um Michael Phelps ein paar Tage lang in Peking beim Schwimmen zuzusehen, dafür ist das Geld dann auf einmal gut genug.

Dann sind da noch die Leute, die meinen, wir können eh nicht alles wissen, also können wir es gleich bleiben lassen, die Leute, die meinen, man sollte die Finger vom Unbekannten lassen, die Leute , die meinen, wir sollten einfach mal akzeptieren, dass Gott das alles geschaffen hat und natürlich die Leute, die meinen, wir hätten bereits alles von Belang entdeckt und wir sollten einfach aufhören noch mehr wissen zu wollen. Wozu schicken wir noch mal die Kinder in die Schule. Ach ja, ich vergaß. Damit sie als Erwachsene viel Geld verdienen können, um sich schöne Dinge zu leisten.

Ein “Van Gogh” in einem Museum oder Goethes “Faust” auf einer Theaterbühne bringt Euch auch nicht die Butter auf’s Brot oder ist irgendwie “nützlich” und dennoch bin ich froh, dass wir Geld für “so einen unnützen Scheiß” ausgeben.

Ich wette mit Euch, genau diesen Dreck “Wozu soll das denn gut sein?” mussten sich auch die Leute anhören, welche die Grundlagen für Elektrizität (Glühbirnen) und Computer und Laser (Quantenmechanik und Festkörperphysik) schufen. Warum sollte man sich denn mit den Bestandteilen der Materie auseinander setzen? Man könnte ja *oh mein Gott* a) was über die Welt lernen und b) ganz nebenbei was finden, was man tatsächlich anwenden kann.

Übrigens hat die Teilchenphysik schon heute einen großen Anteil an angewandter Forschung:
Der Teilchenbeschleunier BESSY in Berlin beispielsweise erzeugt mit seinem Teilchenstrahl wie jeder runde Teilchenbeschleuniger Synchrotonstrahlung und damit kann man unheimlich nützliche Dinge machen: Z.B. erhält man daraus ein Röntgenmikroskop mit dem man neue Materialien entwickeln kann: Biochips, Mikro- und nanooptische Elemente und und und. (Näheres hier.)

Habt Ihr vielleicht davon gehört, dass man versucht, extrem kurze Schnappschüsse von chemischen Prozessen zu machen? Röntgenstrahlen aus Teilchenbeschleunigern liefern die dazu nötigen ultrakurzen Blitze: Bessy Femtosekunden-Röntgenquelle.

Das ist ja mal so gar nicht nützlich, herauszufinden, wie chemische Prozesse genau ablaufen. Und das alles nur, weil so ein paar bekloppte Teilchenphysiker solche Maschinen bauen, um Materie zu zertrümmern und ins Innere der Dinge zu blicken. Wie böse von ihnen aber auch. Am CERN wurde auch so unnützes Zeug wie das Internet geboren.

Es kommt noch besser. Mit so komischen Maschinen kann man sogar Leben retten! Schaut Euch bitte mal diese Seite von der Gesellschaft für Schwerionenforschung an, die in Darmstadt auch so einen komischen angeblich ach so nutzlosen Teilchenbeschleuniger betreibt. Für krebskranke Menschen mit inoperablen tiefsitzenden Tumoren im Gehirn oder an der Wirbelsäure ist die Bestrahlung mit Kohlenstoffionen die letzte Hoffnung auf Heilung.

Genau so etwas kommt aus auf den ersten Blick “nutzloser” Grundlagenforschung raus: Lebensrettende Verfahren für todkranke Menschen.

Wer behauptet: “Grundlagenforschung ist Geldverschwendung und nutzlos” sollte mal seinen geistigen Horizont etwas erweitern. Wie lange hat es gedauert von den ersten Experimenten mit Elektrizität, die Benjamin Franklin gemacht hat, bis hin zu dem Zeitpunkt, als in den ersten Haushalten elektrisches Licht brannte? Um die 100 Jahre?

Wenn es nach diesen Vollidioten ginge, würden noch viel mehr Menschen an Dingen sterben, die dank “nutzloser” Grundlagenforschung zum Glück überhaupt erst therapierbar sind oder früh genug erkannt werden (Schon mal was von Computer-Tomographie gehört?). So etwas regt mich einfach auf!

Natürlich ist das Ganze immer auch mit Risiken verbunden. Das Leben besteht aus Risiken, meine Güte! Wir Wissenschaftler sind aber auch die, die an vorderster Front stehen. Wenn es jemanden trifft, dann ja mal zuallererst und am härtesten uns. Wobei das allergrößte Risiko, dem wir uns derzeit gegenüber sehen, eher darin besteht, dass wir nicht genügend Geld bekommen, um überhaupt Forschung zu betreiben. Weil genau das herauskommt, wenn sich in der Gesellschaft die Meinung breit macht, Grundlagenfoschung sei unnütz.

Kommentare (6)

  1. #1 aebby
    August 22, 2008

    Was für ein Plädoyer – sehr gut !!! volle Zustimmung.

    und danke für das Video, kannte ich noch nicht, mein letztes Experiment an einem Beschleuniger liegt schon etwas zurück 😉

  2. #2 Christian
    September 3, 2008

    Ludmila, du hast mir sowas von aus dem Herzen gesprochen…
    Ich könnte toll werden, ob der ganzen Ignoranten da draußen. Für mich sind diese Leute einfach geistig tot. Sollen sie doch ihre Bild-Zeitung lesen und RTL schauen…

  3. #3 Lars Lange
    September 10, 2008

    Auch wenn ich dem Artikel inhaltich zustimme, so stößt mir doch seine Form böse auf. Kritiker so zu beschimpfen ist mindestens genauso eng gedacht wie dass der Weltuntergang bevorsteht oder Grundlagenforschung nichts wert sei.

    Es gibt Menschen die haben andere Werte, andere Prioritäten und bevor man auf diese Leute eindrischt, sollte man vielleicht mal fragen, was sie zu ihren Ansichten bringt.

    Gruß

    Lars Lange

  4. #4 Ludmila
    September 10, 2008

    @Lars: Wieso sollte ich eigentlich heiliger sein, als der Rest der Welt? Was soll diese “Wissenschaftler sollen immer rational und sachlich sein”-Masche? Das ist doch unmenschlich!

    Kein normaler Mensch hält das durch. Davon krieg ich nur eins: Magengeschwüre.

    Meinst Du allen Ernstes, alles wird gut, wenn ich immer nur lieb und nett und verständnisvoll bin?

    Ich nehme mir eben halt auch mal das Recht heraus, gepflegt auszurasten. Solange ich niemanden dabei wirklich wehtue, ist dagegen auch gar nichts einzuwenden. Sollen doch mal zur Abwechslung mal andere Leute überlegen, wie ich zu meinen Ansichten komme. Vielleicht bringt das auch eher jemanden zum Nachdenken, als wenn ich wie eine emotionslose Maschine agiere.

  5. #5 Igor
    September 10, 2008

    Sehr guter und schlüssiger Text. Mich regt das nähmlich auch auf, wenn Leute meiner Altersstufe in letzter Zeit total über die gefährliche Wissenschaft herziehen, sollen die doch weiter ihre BRAVO lesen, das lese ich lieber was über Schwarze Löcher, die sind nähmlich viel spannender( oh man schon wieder zu weit vom Text abgekommen).

    Und zu dem Video, das hab ich schon vorher gesehen, da ist alles prima zusammengefasst, wozu das alles gut ist. Besonders geil finde ich die Stelle am Ende: “background-dancers: prefer anonymity” ^^ sau gut gemacht.

  6. #6 elvin
    Oktober 25, 2011

    Manchmal hab ich schon das Gefühl das das Mokieren über Dumme Tendenzen eher Sinnfrei ist wenn man es in interessengruppen tut die wissenschaftlich orientiert sind-da gibts nur zustimmung und man erreicht eigentlich ausser ein soziales Gefühl der Verbind nix.
    Eigentlich betrachte ich es sogar als ein wenig gefährlich den es führt zu absplitterungen und Gruppendynamische Verhärtungen-aber ein gutes Gefühl vermittelt es schon.