Einer von vielen Belegen für die Richtigkeit der allgemeinen Relativitätstheorie stellt die sogenannte Periheldrehung des Merkur dar.

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Salopp gesagt bedeutet Periheldrehung, dass sich die elliptische Bahn des Merkur im Raum dreht.

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Bild (Wikipedia):Veranschaulichung der Periheldrehung. Wobei “Perihel” nur für Körper gilt, die um die Sonne kreisen. Ganz allgemein um auch andere Konfigurationen zu berücksichtigen, wird von der Apsidendrehung einer Bahnellipse gesprochen.

So eine elliptische Bahn beginnt sich dann zu “drehen”, wenn es “Abweichungen” vom idealen Zustand gibt. Der ideale Zustand ist die Bewegung eines Körpers im Gravitationsfeld eines anderen Körpers, das rein klassisch nach dem Newtonschen Gravitationsgesetz und als von einer Punktmasse ausgehend beschrieben werden kann. “Abweichungen” können gravitative Einflüsse anderer Himmelskörper und Abweichungen von der Kugelform des Körpers sein, um den gekreist wird. Bei sehr engen Bahnen in einem starken Gravitationsfeld kommt hinzu, dass dieses nicht mehr rein klassisch, sondern relativistisch beschrieben werden muss.

Nicht nur die Bahnbewegung des Merkur auch die der allermeisten engen Doppelstern-Systeme da draußen, lassen sich nur inklusive der relativistischen Beschreibung der Gravitationsfelder verstehen. Mit bislang einer Ausnahme: Das Doppelsternsystem DI Herculis. Hier ist die Apsidendrehung um ein Viertel kleiner als vorhergesagt.

Simon Albrecht von der Sternwarte Leiden und seine Kollegen haben das Rätsel um dieses System aber vermutlich gelöst. Die Lösung scheint darin zu liegen, dass die Drehachsen der beiden Sterne fast in derselben Ebene liegen, wie die Bahneben, in der die beiden Sterne umeinander kreisen. Sie rollen also bei ihrem innigen Tanz herum, statt sich wie jedes anständige Doppelstern-Paar ganz normal zu drehen. (1)

Die Messung gelang über die Bestimmung des so genannten Rossiter-McLaughlin-Effekt:

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Bild (Created by Nicholas Shanks, Wikipedia): Wenn ein Stern rotiert, dann bewegt sich die eine Hälfte des Sterns auf uns zu, das von dort stammende Licht wird zusammen geschoben und dadurch blauer. Das Licht von der anderen Hälfte des Sterns, die sich gerade von uns weg bewegt, wird dementsprechend roter, das Licht von der Mitte des Sterns ist überhaupt nicht verschoben. Es handelt sich ganz klassisch um den Dopplereffekt.

Das alleine nützt aber noch nichts. Jetzt muss noch ein zusätzlicher Körper im System sein, der auf seinem Umlauf um den Stern diesen zwischenzeitlich verdeckt. Dadurch blockiert er einen Teil des Sternenlichtes und damit auch einen Teil des Lichtes, das wegen der Eigenrotation des Sterns doppler-verschoben ist. Dadurch lässt sich feststellen, wie die Rotationsachse im Verhältnis zu der Umlaufbahn des verdeckenden Körpers steht.(2)

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Bild (Greg Laughlin von Systemic)

Nachdem wir also festgestellt haben, dass die Drehachse extrem geneigt ist, kann man nun errechnen, was das für die Apsidendrehung bedeutet. Die Rollbewegung der beiden Sterne von DI Herculis führt zu einer Abplattung der Sterne genau senkrecht zu ihren Umlaufbahnen. Wie oben bereits erwähnt, auch Abweichungen von der perfekt runden Form bewirken eine Apsidendrehung. Dieser Effekt hier aber löst eine Apsidendrehung in die “verkehrte” Richtung aus. Also entgegengesetzt zu der Apsidendrehung, die z.B. durch Gezeitenkräfte ausgelöst werden. Noch mal zu Erinnerung: Die gesamte Drehung hier und auch beim Merkur wird durch verschiedene “Abweichungen” vom idealen Newtonschen Gesetz hervorgerufen, die sich aufsummieren oder wie in diesem Fall sogar gegenseitig kompensieren können.

Voilá. Und schon ist erklärt, warum die Apsidendrehung in diesem speziellen Fall so langsam vonstatten geht.

Aber wie das so ist. Sobald eine Frage gelöst wurde, tun sich automatisch weitere auf. Hier lauten die: Wie kommen die Doppelsterne in so eine seltsame Konstellation? Gibt es noch mehr davon oder ist das die große Ausnahme?

Fortsetzung folgt…Irgendwann 😉
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(1)*Grins* Ich stell mir das grad bildlich auf der Tanzfläche vor. Das wäre doch mal ein recht lustiges Thema für die tanzenden Doktorarbeiten.
(2) Ich weiß, das ist etwas vage. So ein Effekt lässt sich leider etwas schlecht mit Worten ausdrücken. Man bräuchte dazu am besten eine kleine Animation.
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Albrecht S, Reffert S, Snellen IA, & Winn JN (2009). Misaligned spin and orbital axes cause the anomalous precession of DI Herculis. Nature, 461 (7262), 373-6 PMID: 19759615

Kommentare (2)

  1. #1 Florian Freistetter
    Oktober 2, 2009

    “Wie kommen die Doppelsterne in so eine seltsame Konstellation?”

    Wie nahe sind sich die Sterne denn? Vielleicht gabs da ja mal nen dritten und irgendwann hats rumms gemacht und alles wurde ein wenig durcheinander gewirbelt 😉

  2. #2 Ludmila
    Oktober 2, 2009

    @Florian: 10.55 Tage Umlaufperiode. Also schon recht nah. Ja, Kollisionen drängen sich bei so etwas direkt auf. Die nächste Frage wäre dann, wie wahrscheinlich ist es, dass hinterher so etwas herauskommt. Das wäre dann die Aufgabenstellung an Euch Himmelsmechaniker 😉