Am 9.10. hab ich hier Werbung für LCROSS gemacht. Zur Erinnerung, die Sonde sollte in einen tiefen Krater am Südpol des Mondes stürzen und beim Einschlag eventuell vorhandenes Eis in dieser Region aufwirbeln.

So hockten ich und andere ganz gebannt vor diversen Webcams und verfolgten das Ereignis auch auf Twitter. Die Sonde schlug ein und man sah…Nix. Gar nix. Jedenfalls nichts vom Erdboden aus. Keines der großen Hochleistungsteleskope auf der Erde und dementsprechend auch keines der vielen Amateur-Teleskope sah auch nur ein winzigstes bisschen eines Aufblitzen.

“War da was? Ich hab nix gesehen? Was ist mit Dir?”

Völlig klar, irgendwie hatten sich alle Beteiligten mehr erhofft. Aber wie das so ist im Leben: Unverhofft kommt oft. Offenbar war der Einschlag nicht so hart, wie man sich das dachte. Woran das wohl lag? An der besonderen Form des Einschlagkörpers? Zylindrisch und hohl und nicht rund und kompakt? Wobei ich eigentlich ad hoc vermuten würde, dass bei der Geschwindigkeit die Form keine so große Rolle spielen sollte. Der Untergrund, der Kraterboden selber könnte allerdings auch den Einschlag ziemlich stark abgefedert haben. Was natürlich Rückschlüsse auf die Art des Bodens erlaubt. Wer weiß, vielleicht hilft es zukünftigen Mondmissionen, wenn wir heute herausfinden, dass der Boden in tiefen Kratern nicht ganz so steinhart ist, wie man bislang vermutete.

Es ist aber auch nicht so, als ob gar nichts beobachtet worden wäre.

Ein Teleskop vom McDonald Observatorium hat immerhin Natrium gesehen, das nach dem Einschlag ausdampfte.

Ein Instrument hat auf jeden Fall etwas gesehen. Nämlich, die sogenannte LCROSS-Schäfersonde selbst. Das Experiment war ja zweigeteilt. Die Centaur-Stufe wurde abgetrennt und auf den Mond gerichtet und der eigentliche Satellit mit den Sensoren flog der einschlagenden Rakete hinterher. Das konnte man im sichtbaren Wellenlängenbereich sehen:

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Bild (NASA): LCROSS Visible Light Camera Bilder 15 Sekunden nach dem Einschlag. Der diffuse weiße Fleck sollte die aufgewirbelte Wolke sein. Durchmesser etwa 6-8 Kilometer.

Okay, mal ehrlich. Wenn man nicht wüsste, dass der Einschlag genau dort erfolgte, käme man nicht im Traum auf die Idee, das für eine Einschlagswolke zu halten. Daniel Fischer hat es schön auf den Punkt gebracht: Es “konnte erst nach einer Woche mit brutaler Bildverarbeitung sichtbar gemacht werden”.

Im Spektrometer sieht man da schon was mehr:

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Bild (NASA): Im UV/sichtbaren Bereich sieht man den Blitz doch deutlich als steilen Anstieg in der Strahldichte. Die rote Linie, welche den Nah-Infrarot-Anteil darstellt, ist auch während des Einschlags sehr hoch und fällt dann ab. Ich glaub aber, dass hier irgendwo ein Fehler steckt. Denn irgendwie macht es keinen Sinn, dass die rote Linie scheinbar irgendwo im nirgendwo links außerhalb der Grafik beginnt. Wenn man die rote Linie gedanklich mit dem ersten sichtbaren Datenpunkt während des Einschlags starten lässt, passt es schon wieder.

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Bild (NASA): Bild der Mitt-Infrarot-Kamera (MIR1). Auflösung 4 Meter pro Pixel. Ja, der kleine Fleck ist der Einschlag.

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Bild (NASA): MIR1-Kamera-Aufnahmen kurz vor und nach dem Einschlag. Man sieht schon mit dem bloßen Auge, dass die Einschlagsstelle abkühlte.

Die restlichen Bilder sind dann hier zu sehen: NASA-Impakt-Images.

Ok, so richtig viel macht das Material immer noch nicht her. Zumindest bislang. Es muss da aber einiges mehr geben und am 17. November werden wir im Rahmen des Annual Meeting of the Lunar Exploration Analysis Group wahrscheinlich auch mehr erfahren.

Allerdings ist schon sehr seltsam, dass die dazugehörige NASA-Pressemitteilung mal wieder völlig übergeigt wirkt. Von “smashing success” also durchschlagendem Erfolg ist die Rede und “tantalizing data” also von aufregenden Daten. Die Forscher sind sogar “blown away by the data returned” also die Daten haben sie förmlich umgeworfen. Bislang wurde den Leuten da draußen nur winzige Punkte und ein weißer verschmierter unscharfe Fleck geboten. Da wirken diese Jubelarien unfreiwillig komisch.

Wie aber der Kollege Michael Khan drüben bei den Kosmolos ganz richtig feststellt, sind hübsche Bildchen und Knalleffekte bei solchen Geschichten natürlich nette Nebeneffekte, die man wunderbar nutzen kann, um das Produkt Wissenschaft zu verkaufen. Aber sie machen Wissenschaft nicht aus. Ja, die Leute haben mehr erwartet. Aber die Rakete hat getroffen, es wurde was freigesetzt und es wurde was gemessen. “Hmm, ist ja komisch. Warum war das wohl?” Das ist doch das, was Wissenschaft so spannend macht. Es wäre tierisch langweilig, wenn immer alles so laufen würde, wie man sich das im vorhinein dachte. Dann bräuchte man ja auch nicht mehr nachzusehen. Insofern: Abwarten, was der 17. November bringen wird.

Kommentare (6)

  1. #1 Daniel Fischer
    Oktober 28, 2009

    Ich nehme es dem LCROSS-Chefwissenschaftler Tony Colaprete ab, dass er wirklich schwer begeistert von den bisher schon ‘freigelegten’ Daten ist, seit ich ihn bei der – im oben verlinkten Blogbericht vom 22.10. beschriebenen – Videokonferenz knapp zwei Wochen nach dem Crash erleben konnte. Zu dumm, dass dafür kaum geworben worden war (und gerade einmal 30 Mondfans zugeschaltet waren): Der vermeintliche Fehlschlag des ganzen Projekts in der öffentlichen Meinung – gerade auch derjenigen vieler Amateurastronomen – ist m.E. größtenteils das Ergebnis unbeholfener Kommunikation. Vorher (die gewaltigen Unsicherheiten der Modellrechnungen wurden kaum betont), während der kritischen Minuten (unbeholfene Regie beim Ames Research Center) und danach (schlechte Dramaturgie der einzigen Pressekonferenz). Die o.g. Mondtagung im November und v.a. das gigantische alljährliche Geophysikertreffen in San Francisco in Dezember, das auch immer vor Medienevents überquillt, bieten immerhin Chancen, das wieder wettzumachen. Aber diejenigen, die – in den USA zwischen 4 und 7 Uhr morgens! – vergebens auf ihre Bildschirme starrten, wird das auch nicht mehr recht besänftigen können. Der teils recht humoristische Nichtstart der Ares I-X gestern war tatsächlich unterhaltsamer …

  2. #3 Ludmila
    November 3, 2009

    @Ulrich: Danke. Hat man mir bereits getwittert. Wie komme ich nur zu dieser Ehre? Hab nie mit denen gesprochen.

  3. #4 Ulrich Berger
    November 3, 2009

    @ Ludmila:

    Hab nie mit denen gesprochen.

    Naja, vielleicht nicht mit denen, aber (auch) zu denen. Die beiden wörtlichen Zitate stammen ja von dieser Seite!

  4. #5 Marcus Anhäuser
    November 3, 2009

    ach so, jetzt verstehe ich…

  5. #6 Anhaltiner
    November 18, 2009

    Ach übringens die NASA hat 95liter Wasser aufgewirbelt. Sagen jedenfalls die Spektralanalysen. Der Krater scheint genauso “feucht” zu sein wie die Atacamawüste. Gummistiefel können zu Hause bleiben – aber für ne Wassergrundversorgung einer Station scheints zu reichen.