Da hab ich im Juni über den wohl ersten Exoplaneten berichtet, der mittels einer ganz besonderen Methode entdeckt wurde und schon ist er wieder futsch. Oder auch nicht.

Astrometrie ist die älteste Methode nach Planeten um andere Sterne zu suchen, weil es die naheliegendste ist. Die Idee dahinter: Ein Stern wird nicht einfach nur passiv von seinem Planeten umkreist. Das ganze ist viel dynamischer. In Wirklichkeit schleudert der Stern den Planeten wie ein Hammerwerfer seinen Hammer umher. Wie der Hammerwerfer kann er dabei nicht still an einem Fleck stehen, sondern beschreibt selbst eine kleine Kreisbahn.

Wenn man diese Bewegung des Sterns durch genaue Beobachtungen sehen könnte, dann würde auch der Planet damit indirekt nachgewiesen.

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So weit, so gut. Leider hat diese Methode bislang ihren Nutzern nur Scherereien gemacht. Ich zitiere aus meinem letzten Posting dazu:

1963 veröffentlichte dann Peter van de Kamp Beobachtungen, die darauf hinzudeuten schienen, dass Barnards Stern von einem Jupiterplaneten umkreist wird. Dummerweise stellte sich aber 10 Jahre später heraus, dass die Messungen mit anderen Instrumenten und vor allem Datenbearbeitungsmethoden nicht nachvollzogen werden konnten. Schlimmer noch, Bewegungen, die Barnards Stern angeblich machte, wurden auch bei einem anderen Stern zur selben Zeit scheinbar gemessen. Heute ist man sich einig, dass sich Peter van de Kamp einen systematischen Instrumentenfehler eingefangen hat, der ihm lediglich vorgaukelte, dass da ein Planet wäre.

Nun schien im Jahr 2009 die Methode soweit ausgereift, dass mit ihr endlich wirklich mal ein Planet namens VB-10b entdeckt wurde. Was schrieb ich damals noch, nachdem ich die Geschichte von Peter van de Kamp erzählte?

Na, dann hoffe ich mal, dass es Steven Pravdo und Stuart Shaklan besser ergeht.

Pravdo und Shaklan müssen jetzt ganz, ganz stark aus. Forscher der Uni Göttingen, der Hamburger Sternwarte, der University of California und der Georgia State University behaupten in einem neuen Paper, dass sie sich ebenfalls vertan haben.

Der Fall VB-10b: Planet oder doch nicht.

Die Kollegen um den Erstautoren Jakob Bean von der Uni Göttungen geben gleich zwei Gründe an, warum sie die Detektion von VB-10b in Frage stellen.

Zunächst einmal haben sie mit einer anderen Methode versucht, den Planeten ebenfalls ausfindig zu machen. So läuft das in der Wissenschaft. Einmal ist keinmal. Es gibt immer jemanden der sich fragt: “Ist da was? Lass uns noch mal nachschauen. Und vielleicht kriegen wir noch mehr drüber raus.”

In diesem Fall haben die Forscher die Radialgeschwindigkeit des Sterns gemessen. Sprich sie haben geschaut, ob das Sternenlicht aufgrund einer Kreisbewegung durch den Dopplereffekt abwechselnd rot- und blauverschoben ist.

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Tja und Bean und seine Kollegen haben die Messungen ausgewertet und kommen zum Schluss, dass was immer Pravdo und Shaklan da gemessen haben, es kann kein Objekt schwerer als 3 Jupitermassen sein. Selbst ein 1 Jupitermasen schwerer Planet wäre mit der Bahn, die von den Astrometrie-Leuten angegeben wurde, nicht möglich. Denn sonst hätten Bean und co irgendwas sehen müssen. Tatsächlich sehen sie: Nix, nada, niente.

Außerdem liefern sie noch eine Erklärung, warum die Astrometrie-Messungen einen Fehler enthalten. Demnach wurden die Spektren des Sterns VB-10 zwischendurch mit unterschiedlichen Spaltbreiten aufgenommen ohne genügend zu kalibrieren. Allerdings zeigen sich die Göttinger Forscher selbst etwas erstaunt, dass sich dadurch ein so großer Fehler eingeschlichen haben könnte, um einen 6,4 Jupitermassen schweren Planeten vorzugaukeln.

Es gibt jetzt nur zwei Möglichkeiten, VB-10b noch zu “retten”. Entweder die Göttinger haben sich vermessen. Oder aber Pravdo und Shaklan haben sich bei der Bestimmung der Eigenschaften des Planeten vertan. Es gibt nämlich eine Möglichkeit, warum Planeten für die Astrometrie sichtbar, aber für die Radialgeschwindigkeit unsichtbar sein könnten.

Bei der Astrometrie ist es am besten, wenn man “von oben” auf das Planetensystem schaut. Je mehr das System zu unserer Blickrichtung gekippt ist, desto weniger ist zu sehen. Erwischt man genau die Kante des Systems, kriegt man gar nicht mehr mit, dass da was kreist. Bei der Radialgeschwindigkeit ist es genau anders herum. Wir sind als Beobachter darauf angewiesen, dass der Stern die Lichtwelle in unsere Blickrichtung zusammenschiebt (blauer macht) oder auseinander zieht (roter macht). Daher sehen wir logischerweise um so mehr, je seitlicher wir draufgucken. Kantenansicht wäre sogar perfekt. Die Draufsicht dagegen wäre von der Radialgeschwindigkeits-Methode her eine Katastrophe. Denn dann wird kein Licht in unsere Richtung dopplerverschoben.

Ich vermute mal sehr stark, dass an diesem Ende auch geschraubt wird. Man lässt sich ja ungern seine Erstentdeckung wegnehmen 😉 Außerdem steht da auch immer die begründete Vermutung aus dem Jahr 1983 im Raum, dass es um VB-10 einen Begleiter gibt. Aber nun gut, eine Vermutung, so wohlbegründet sie auch sein mag, kann sich allzu leicht als Katzengold erweisen.

Das mit den Belegen ist nun mal der härteste Teil der wissenschaftlichen Arbeit. Es führt und führt kein Weg dran vorbei und man muss es sich auch gefallen lassen, dass die Kollegen daher kommen und sagen: “Ne, ne, ne, da ist nichts”.

Wissenschaft ist hart: Egal ob es sich um Pinguine oder Exoplaneten handelt.

Auf zur dritten Runde

Jetzt bin ich gespannt, wie und ob Pravdo und Shaklan darauf antworten werden.

Kommentare (2)

  1. #1 schlappohr
    Dezember 10, 2009

    Gibt es denn eine Möglichkeit, den “Neigungswinkel” eines Systems festzustellen bzw. abzuschätzen? Oder muss man einfach ausprobieren, ob Astrometrie oder Dopplermessung die bessere Methode ist?

  2. #2 Ludmila
    Dezember 10, 2009

    @schlappohr: Mit Astrometrie sollte sich der Neigungswinkel sogar ziemlich gut herausfinden lassen. Man “sieht” ja die Bahn und eine kreisrunde Bahn, die etwas geneigter ist, sieht dann auf einmal elliptisch aus. Schwieriger wird es, wenn die Bahn elliptisch ist, aber auch das kriegt man wohl raus.

    Den Neigungswinkel haben auch die Leute herangezogen, um sich auszurechnen, was sie sehen müssten. Weil ein bisschen geneigt wäre demnach VB-10b schon. Aber mit dem angegebenen Neigungswinkel passen die Beobachtungswerte einfach nicht.

    Mit der Radialgeschwindigkeit kriegt man den Neigungswinkel übrigens gar nicht hin. Deswegen kann man mit der Methode auch “nur” angeben, welche Masse der Planet mindestens hat.

    Es wird jetzt vermutlich ein geschäftiges Treiben in der Astrometrie-Gruppe stattfinden, um zu überprüfen ob und wo da der Fehler liegt. Gleichzeitig werden noch ein paar andere Gruppen auf VB-10 schauen und versuchen, den einen oder anderen zu bestätigen. So etwas ist ja immer eine sehr dankbare Gelegenheit “mal eben schnell” ein Paper rauszuhauen, was dann auch viel zitiert werden wird. Man weiß ja, wonach man schauen muss. Das ist immer viel leichter als etwas, wo man gar nicht so genau weiß, ob und was da ist. Da kriegt man sogar mit einer Nicht-Detektion ein Paper.