Zu den coolsten Astronomie-Fotos zählen zweifelsohne die Bilder vom Hexagon auf Saturn.

ResearchBlogging.orgBlickpunkt Nr 1: Beobachtungen in der “freien” Natur

Eigentlich haben die Voyager 1 und 2 -Sonden in den 80ern bei den Vorbeiflügen diese seltsame Polarströmung entdeckt. Richtig populär wurde sie aber erst durch Cassini:

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Bild (NASA/JPL/University of Arizona): Infrarot des Sechsecks an Saturns Nordpol.

Auch weil die Qualität der Bilder einfach besser war.

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Bild (NASA, Allison et al., 1990): Mosaik des Saturn Hexagons aus Voyager 2 Bildern. Die dunklen “Speichen” sind Überbleibsel aus der Bildberarbeitung. Das sind die Ränder der Original-Bilder. Die Autoren erklären die Strömung als stehende Rossby-Welle.

Rossby-Wellen sind hier z.B. erklärt und das folgende Bild gibt ne Idee, wie sowas aussieht:

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Bild (Gnu-Lizenz Wikipedia) : Rossby-Wellen im Jetstream:
a, b: Einsetzende Wellenbildung
c: Beginnende Abtrennung eines Kaltlufttropfens
blau / orange: kalte / warme Luftmassen

Cassini bestätigte außerdem, dass das Hexagon aus Wolken und Luft keine vorübergehende sondern eine sehr langlebige Erscheinung ist.

Soweit zu den astronomischen Beobachtungen. Aber das ist nur ein Aspekt, unter den man das Thema “Das Hexagon auf dem Saturn” betrachten kann.

Blickpunkt Nr. 2: Holt die Planeten in’s Labor (bzw. in’s Flugzeug!)

Immer wieder heißt es ja, dass man angeblich Astronomie nicht in’s Labor holen kann.

Doch man kann. Hier machen Kollegen aus Braunschweig Experimente mit winzigen Eispartikeln unter geringer Schwerkraft, um das Verhalten von Saturns Ringen im Labor zu erforschen oder zumindest einzugrenzen. Hier gibt’s dann auch Infos zu den Parabolflügen: Cool runnigs: A microgravity experiment.

Dann gibt es z.B. diese Arbeitsgruppe an der Uni Oxford, welche im Labor versuchen, Prozesse in den Atmosphären von Planeten nachzustellen.

Die physikalischen Gesetze hier auf der Erde und dort auf dem Saturn sind eben nicht fundamental unterschiedlich. Das war eine der Erkenntnisse, welche Galileo vor 400 Jahren gewann, als er sein Teleskop auf den Jupiter richtete und dort auch Monde fand. Wenn aber nicht nur die Erde von einem Mond umkreist wird, sondern auch andere Planeten “da draußen”, dann ist es auch nicht unbedingt zulässig davon auszugehen, dass die “himmlischen Sphären” fundamental anders sind als die irdischen. Unsere gesamte moderne Astronomie fußt darauf. Und der Erfolg gibt uns Recht.

Hier ist mal eine Apparatur, mit der polare Strömungen nachgestellt werden:

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Bild (Robin Wordsworth, Univ. Oxford): Oben eine der Apparaturen, welche zur Nachstellung von Strömungen in Planetenatmosphären verwendet wird. Ein rotierender Zylinder mit einer Flüssigkeit, der außen geheizt und innen gekühlt wird. Das soll analog zu einer Aufsicht auf einen Planeten sein. Am Äquator heizt die Sonne die Luftschichten am stärksten und an den Polen ist es dagegen am kältesten.

In einem etwas abgewandelten Versuchsaufbau haben Wissenschaftler um Ana Aguiar in der Mitte einen kleineren Zylinder eingesetzt, der mit einer leicht unterschiedlichen Geschwindigkeit rotierte als der gesamte Wasserzylinder. Die Flüssigkeit floss in dem Ring zwischen den Wänden dieses inneren und äußeren Zylinders. Durch diese Scherung wurden turbulente Strömungen sozusagen künstliche Jetströme am Rand des inneren Zylinders erzeugt und mit grüner Tinte konnte dann Folgendes sichtbar gemacht werden (1):

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Bild (Anna Barbosa Aguiar; (inliegendes Bild) NASA/JPL/University of Arizona): Eine im Labor nachgestellte Strömung, die ein Hexagon ausbildet. So wie das berühmte Hexagon auf dem Saturn.

Laut Ana Aguiar sieht man ähnliche Strukturen auch im Zentrum von irdischen Hurrikanen, nur dass sie sehr kurzlebig sind. Nicht nur das. Prinzipiell sind auch Strömungen in ovaler, quadratischer oder dreieckiger Form möglich.


Klar hat Florian schon drüber berichtet. Was sonst?

Blickpunkt Nr. 3: Was haben wir draus gelernt? Gedankenspiele am Computer = atmosphärische Simulationen

Weltraum-Beobachtungen und Experimente sind schön und gut. Jetzt geht es darum herauszufinden, welche Gesetzmäßigkeiten sich in den Beobachtungen manifestieren. D.h. man versucht die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beobachteten Szenarien herauszuarbeiten und in eine möglichst einfache, konsistente und universale Sprache zu gießen: In mathematische Formeln.

Dabei darf die Wissenschaft aber nicht stehen bleiben. Ausgehend davon muss echte Wissenschaft im Stande sein, neue Szenarien vorherzusagen, die man wieder mit Beobachtungen vergleichen kann. Um zu testen, in wie weit sie stimmen und in wie weit nicht. Auch ein Fehlschlag hat was Gutes und bringt uns weiter. Im Grunde müssen Gedankenexperimente basierend auf dem aktuellen Wissen her, die dann dem Test mit der beobachtbaren Realität ausgesetzt werden. Heutzutage nennt man Gedankenexperimente in der Regel “Simulationen”. Computer nehmen uns zum Glück sehr viel Arbeit ab, weil sie in der Lage sind, sehr viele Gedankenexperimente auf einmal durchzurechnen. Z.B. eben für Strömungen und für große Mengen an Teilchen.

Darf ich daher mal PUMA vorstellen. Eine Sammlung an Simulationen, die genau das vorhat.

Hier haben wir z.B. eine Simulation der polaren Strömung eines Planeten, der etwas halb so schnell rotiert wie unsere Erde.

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Auf! Auf! Zu neuen Planeten und zurück zur Heimat.

Anwendungsgebiet dieser Simulation sind Planeten im weitesten Sinne. Nicht nur die in unserem Sonnensystem, sondern auch jene weiter draußen. Vor allem neue terrestrische extrasolare Planeten, die wir gerade erst zu entdecken beginnen. Es geht nicht nur darum, vorherzusagen, ob diese Planeten vielleicht bewohnbar sind. Obwohl es schon sinnvoll ist, erst mal zu schauen, ob ein Planet bewohnbar ist, bevor man da in ferner, ferner, ferner, ferner Zukunft vielleicht Siedler absetzten möchte. Es geht aber vor allem fundamental darum, unser Wissen und Nichtwissen über planetare Atmosphären zu testen und zu erweitern. Weil Wissen an sich einen Wert hat und auch um es z.B. auf die Erde anwenden zu können. Unsere Atmosphäre verändert sich gerade und andere Planeten und Simulationen und eben Laborexperimente helfen uns dabei abzuschätzen, was da auf uns zukommt. Allen Cranks zum Trotz, die Schaum vor dem Mund kriegen, sobald sie das Wort “Simulation” auch nur hören.

Ja, natürlich sind das Näherungen an die beobachtbare Realität. Aber wisst Ihr was? Das ist doch gerade der Spaß dran. Dass wir immer wieder was Neues lernen und entdecken können und nie jemand die Unis und Forschungseinrichtungen mit den Worten “Wir haben fertig” schließen wird.

Und doch, doch man kann basierend auf dem aktuellen Wissen handeln und z.B. Computer auf Siliziumbasis oder Laser konstruieren oder wirksame Medikamente gegen Krankheiten entwickeln. Gerade weil Wissenschaftler sich nicht einbilden alles zu wissen und sich drauf freuen, morgen wieder was Neues zu lernen.
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Dieser Text wurde von einem Vortrag auf der COSPAR 2010 inspiriert.
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(1) A laboratory model of Saturn’s North Polar Hexagon, Icarus
Volume 206, Issue 2, April 2010, Pages 755-763, Aguiar et al.

Allison, M., Godfrey, D., & Beebe, R. (1990). A Wave Dynamical Interpretation of Saturn’s Polar Hexagon Science, 247 (4946), 1061-1063 DOI: 10.1126/science.247.4946.1061