Letzte Woche wurde die Entdeckung des Kepler-62 Systems mit 5 Planeten bekannt gegeben. Einer davon ist sogar gerade mal halb so groß wie die Erde, hat also die Größe des Planeten Mars. Er ist allerdings sehr nah an seinem Stern dran, so dass die Chance wohl recht gering ist, dass dieses Teil eine Atmosphäre hat. Andererseits…nachschauen, kann nicht schaden 😉 Die größte Aufregung gab es um Kepler-62f und -62e, weil sie nur wenig größer als unsere Erde sind und außerdem in der habitablen Zone liegen. Also die Zone, die am günstigsten liegt, um flüssiges Wasser auf der Oberfläche beherbergen zu können. Was wir brauchen, um Leben nachweisen zu können. Zumindest Leben, so wie wir es kennen.
Bild: NASA
Und bevor jetzt der Einwand kommt, ja aber es könnte..Ja sicher, können kann vieles, aber Ihr müsst immer daran denken, dass wir nun mal in einer Welt leben, in der wir ständig um Geld betteln müssen und sooo viele sind wir auch nicht. (1)Wenn wir also Leben nachweisen wollen, dann muss das basierend auf dem jetzigen Wissensstand in annehmbarer Zeit geschehen und zwar eindeutig. Und letzteres ist verdammt schwer, selbst auf der Grundlage des Wissens basierend auf irdischem Leben und wenn wir mit Planeten vor unserer Haustür hantieren.
Sind die Methan-Ausdünstungen auf dem Mars nun vulkanischen oder biologischen Ursprungs? Gibt es überhaupt Methan auf dem Mars, oder ist es ein Instrumenten-Fehler bzw. menschliches ‘Versagen’, weil die Forscher und Forscherinnen unbedingt Methan sehen wollen? Oder ist es nur ab und zu da und der Mars-Rover Curiosity hat das Pech zu falschen Zeit vor Ort zu sein? Und was ist mit Europa und seinen unterirdischen Ozeanen? Gibt es da Leben? Und wie finden wir das raus?
Die Kepler-62-Planeten sind aber 1200 Lichtjahre weit weg. Da wird es nochmal ungleich schwerer. Zunächst einmal brauchen wir mal eine Massenbestimmung für diese Planeten. Aber alleine das ist schon eine Herausforderung, sonst hätten die Forscher kaum ihre Entdeckung ohne eine Masse herausgegeben. Wobei auch ich den Original-Text nicht lesen kann, weil meine Uni Science Express nicht abonniert hat.(2)
Als nächstes stünde dann die Atmosphären-Bestimmung an. Es wäre auf jeden Fall schon mal eine extrem gute Nachricht, wenn überhaupt eine Atmosphäre gefunden würde. Aber auch das wird sicherlich noch mal schwerer als die Massenbestimmung. Allerdings ist jetzt die Motivation und damit auch das Geld da, so richtig in die Vollen zu gehen. Und jede Messung, egal ob sie negativ oder positiv ist, wäre eine Publikation wert. Also kommt da in absehbarer Zeit 100%ig noch einiges auf uns zu.
Und wenn wir da schöne Ergebnisse präsentieren könnten, wäre es schön, wenn wir Kepler-62e und -62f irgendwie anders aussprechen könnten. Die Exoplanten-Nomenklatur ist alles andere als einprägsam. Ich sag nur HD2094dingskirchen.
Bild: Künstlerische Darstellung des Exoplaneten ‘Osiris’ ursprünglich von Alfred Vidal-Madjar (Institut d’Astrophysique de Paris, CNRS, France)
HD209458b ist ein extrem wichtiger Exoplanet, weil er sich sehr gut beobachten lässt (er ist etwas mehr als 150 Lichtjahre weit weg), seit 1999 bekannt ist und sehr viele Messungen zu diesem Planeten durchgeführt wurden. Aber ich kann diesen doofen Namen … einfach … nicht …für einen Vortrag gebrauchen. Es stört den Redefluss ungemein und viel schlimmer noch: Mein Publikum steigt mir bei so ner Zahlenkolonne aus, falls es nicht gerade der innere Zirkel der Exoplaneten-Experten ist und die brauchen die Aufzählung auch nicht, die werfen einen Blick auf die Folie und denken ‘ach ja der‘. Ich hab letztens nen Vortrag vor Astronomen gehalten, die gerade nicht Exoplaneten-Expertinnen waren und ich konnte an den Gesichtern so richtig ablesen ‘HD2..häh? Muss ich mir das jetzt merken?’ Es ist zum Mäusemelken! Ich glaub, ich nenne den Planeten zukünftig Osiris, was inoffiziell sowieso viele Kollegen tun.
Bei den Kepler-Planeten und CoRoT-Planeten kommt dann auch regelmäßig eine Verwechslungsgefahr hinzu. Selbst mir als Expertin passiert das, so dass ich vor Vorträgen nochmal nachschlage, um sicherzugehen, dass ich nicht CoRoT-15b mit CoRoT-16b verwechsle oder so ähnlich.
Es ist also allerhöchste Zeit zumindest den wichtigsten (3) Exoplaneten Namen zu geben, die beim Publikum keine glasigen Augen hervorrufen und einen gewissen Wiedererkennungswert haben. Außerdem wäre es eine großartige Gelegenheit, die Öffentlichkeit zu beteiligen und ihnen das Gefühl zu geben, dass diese Planeten auch irgendwie ‘ihrs’ sind und mehr als Datenpunkte, mit denen sich ‘so komische Wissenschaftlerinnen’ abgeben und die eh keiner versteht. Was für ein dankbares Feld, was für eine tolle Aufgabe, was mensch daraus tolles machen könnte…
Stattdessen wird daraus so ein absolut bescheuerter kindischer Hick-Hack.
Ausgelöst wurde das Ganze wohl schon vor ein paar Wochen durch Alan Stern’s Uwingu-Projekt, in dem dazu aufgerufen wurde, den Planeten um Alpha Centauri zu benennen. Der Spaß soll 4.99 Dollar kosten, wobei das Geld laut eigener Angabe in einen Fond fließen soll, der dann dazu benutzt werden soll, weitere Forschung zu finanzieren. An sich finde ich die Idee nicht schlecht und auch die Sache mit dem Forschungs-Fond find ich reizvoll und, ja, Mr. Stern ist ein verdienter Planetenforscher…
ABER er hat effektiv nicht das Recht, auf eigene Faust Planeten-Benennungen vorzunehmen. Was hat er denn gedacht, was passieren würde, dass die Astronomie-Gemeinschaft seinen kleinen Coup einfach so akzeptieren würde? Es kam natürlich, wie es kommen musste und die IAU (die Versammlung internationaler Astronominnen) hat am 12. April dann mit einer reichlich angepissten Pressemitteilung reagiert. Die IAU sagt im Grunde nichts anderes als: ‘Nicht mit uns! Wir machen die Namen und nicht Du und die Namen, machen wir so, wie wir sie als Wissenschaftler brauchen und das sind eben diese drögen Zahlenkolonnen. Ätsch!’
Boah, echt jetzt? Ich kann ja verstehen, dass die IAU was dagegen hat, dass Alan Stern hier nen Alleingang macht, ABER müssen die den Elfenbeinturm derart raushängen lassen? Und dann wundern wir uns, warum Wissenschaftlerinnen als korinthenkackende elitäre Fachidioten wahrgenommen werden. Meine Fresse…Sie hätten ja zumindest das Potenzial und die guten Absichten hinter Uwingu anerkennen können, aber neee…Wer auch immer diese Pressemitteilung verbockt halt, sollte ein Kommunikations-/Streitkultur-Seminar mitmachen.
Ich bin jetzt ehrlich gesagt überfragt, ob die IAU wirklich alleine das Recht hat, astronomischen Objekten Namen zu geben. Sehr demokratisch erscheint mir das nicht. Dass die IAU de facto das Recht ausübt, funktioniert meines Erachtens doch nur, weil die Öffentlichkeit keinen großen Bedarf an Asteroid Nummer 100 001 oder Stern xyz hat und weil Astronominnen nun mal eine verbindliche Nomenklatur brauchen. Ich bin da keine Expertin, aber handelt es sich hier nicht eher um eine Art Gewohnheitsrecht, das sich nur deswegen etablieren konnte, weil niemand außerhalb der Community dagegen protestierte?
Auf jeden Fall haben die Entdecker das Recht, Planeten zu benennen und von daher bin ich persönlich sehr angetan von der Idee von Cumbrian Sky: Lasst die Entdecker einen Namen aussuchen! Zarminas Welt, z.B., klingt doch soviel besser als Gliese 581g und es gibt kaum etwas Schöneres, als wenn ein Mensch einem anderen Menschen aus Liebe einen ganzen Planeten widmet 😉 (4)
Nachtrag (pure Spekulation): Vielleicht hat Alan Stern die IAU aber auch bewusst provoziert. Stern ist nämlich auch der PI (sozusagen wissenschaftl. Chef) von New Horizons, das auf dem Weg zum Ex-Planeten Pluto ist. Alan Stern war jedenfalls von der IAU ziemlich angepisst, als dann die Planeten-Nomenklatur reformiert wurde (5) und Pluto auf einmal kein Planet war (6). Nach diesem Debakel hier kann ich wohl mit großer Sicherheit sagen, dass Alan Stern und die IAU in diesem Leben wohl keine Freunde mehr werden.
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(1) Ein Kollege hat mir letztens erzählt, dass er mal nachgeschaut hat, wieviel Astrophysiker/Astronomen es weltweit gibt. Es sind gerade mal 10000. Und die wenigsten beschäftigen sich mit Exoplaneten. Ich würde jetzt mal schätzen -ausgehend von den Namen, die ich immer wieder lese und den Gesichtern, die ich immer wieder auf Konferenzen sehe- dass es wohl weniger als 1000 echte Exoplaneten-Forscherinnen weltweit gibt. Also solche, die sich vorwiegend mit dem Thema beschäftigen. Und das beinhaltet auch die Fluktuation an Doktoranden.
(2) Das kotzt mich auch an. Jetzt investiert meine Uni schon in hunderte von Abos von Fachzeitschriften u.a. natürlich auch in Science Magazine und dann machen die Verlage ein neues Produkt auf und verlangen dafür dann noch mal extra Gebühren. Ich versteh schon, warum manch Uni da streikt.
Ich schlussfolgere daher jetzt mal aufgrund meiner Erfahrungen mit den ersten transitierenden Supererden CoRoT-7b und Kepler-10b , von denen ich weiß, wieviel teure und heiß umkämpfte Teleskopzeit für die Massebestimmung draufgegangen ist; wobei ich da auch nicht mehr auf dem allerneusten Stand bin, allerdings sind die neuesten Geräte zur Massenbestimmung wie ESPRESSO noch nicht soweit, wenn ich das halbwegs im Blick haben.
(3) Z.B. könnten wir alle Exoplaneten-Publikationen nehmen und zählen, wieviel zu welchem Exoplaneten publiziert wird, und den Top-20 dieser Liste griffige Namen geben.
(4) Wermutstropfen: Es könnte sein, dass genau dieser Planet gar nicht existiert; seine Entdeckung ist jedenfalls umstritten. Viel werden wir über diesen Planeten in naher Zukunft jedenfalls nicht herausfinden können. Leider ;-(
(5) Die IAU hat schon damals so eine unglaublich beschissene Pressearbeit geleistet. Die kriegen anscheinend nicht mit, wie sie in der Welt ankommen, oder/und sind nicht willens es besser zu machen.
(6) Pluto hätte nie ein Planet werden dürfen. Aber damals bei seiner Entdeckung wussten die Leute es nicht besser. Das war alles vor der Entdeckung des Kuiper-Gürtels und der Oortschen Wolke. Sie konnten nicht ahnen, dass da noch mehr Zeugs rumfliegt und Pluto nur das größte und nächste von diesem Zeugs ist.
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