Es ist inzwischen offiziell: CoRoT ist tot und Kepler nicht mehr für die Planetendetektion zu gebrauchen. Ich gebe zu, zuerst überkam mich eine gewisse nostalgische Trauer. Ich war ja recht lange in der Planetendetektion. Diese Trauer ging aber schnell vorbei, weil es im Grunde bereits abzusehen war und ich persönlich mich umorientiert habe: Weg von der Detektion hin zu der Charakterisierung von Exoplaneten. Denn letzteres ist – meiner Meinung nach – die nächste Phase der Exoplaneten-Forschung. Denn ja, es gibt ein Leben nach Kepler und das ist auch gut so. Wo kämen wir hin, wenn wir nicht weiter voran schreiten würden 🙂
Kepler – der Planetenzähler (für geringe Sternen-Planetenabstände)
Ich meine, ja klar, es gibt in den Kepler- und CoRoT-Daten noch viel auszuwerten. Vor allem Leute, die sich für variable und Doppelsterne interessieren, haben hier einen reichhaltigen Fundus. Aber das klingt auch so ein wenig nach ‘Es kommt jetzt nix Großes mehr nach Kepler’. Aber das ist (hoffentlich) nicht so.
Ich denke, es ist Zeit mal innezuhalten und sich daran zu erinnern, wofür CoRoT und Kepler eigentlich gebaut wurden. Die Satelliten-Missionen waren Planetenjäger/-zähler der ersten Generation. (1) Sie wurden zu einer Zeit konzipiert und gebaut als die Entdeckung des ersten Exoplaneten kaum 10 Jahre zurück lag. Es war damals bekannt, dass es hier und da Planeten um andere Sterne gibt. Aber wieviele Planeten es insgesamt gibt, das stand im wahrsten Sinne des Wortes noch in den Sternen. CoRoT und Kepler sollten hier Abhilfe schaffen und haben es auch getan.
Heute wissen wir einiges über die Planetenverteilung, aber so richtig sicher auch ‘nur’ für Planeten, die ihre Sterne in einem relativ geringen Abstand umkreisen. Wir beginnen erst jetzt die Planetenpopulation systematisch zu durchforsten, die einen ähnlich großen Abstand zu ihren Sternen haben wie die Erde zur Sonne. Und wie wir von unserem Sonnensystem wissen, ist hinter uns auch noch etwas Zeugs 😉 Aber dummerweise wird diese Planetenzählung sehr, sehr lange dauern, alleine schon weil weiter entfernte Planeten sehr lange Umlaufdauern haben und mensch je nach Messmethode mindestens ein paar Jahre hinschauen muss, um einen einzigen Planeten zu entdecken. Es wird meiner Einschätzung nach noch sehr lange dauern eine echte (systematische und lückenlose) Übersicht von noch weiter entfernten Planeten zu haben. Und es wird eher tröpfchenweise vorangehen und nicht so spektakulär ablaufen wie bei den Kepler-Planeten.
Charakterisierung – Und was ist das jetzt alles für Zeugs?
Inzwischen haben wir also – auch dank Kepler- die Zahl der inzwischen bestätigten Planeten auf fast 1000 getrieben.
Nur, was ist das alles für Zeugs?
Wir wissen schon mal wie groß die Kepler-Kandidaten sind. Das gibt uns schon mal ne halbwegs gute Idee, dass es sich z.B. bei den Viechern um Jupitergröße entweder um einen Gasriesen oder Braunen Riesen handeln muss. Wobei es aber schon einen nicht unwesentlichen Unterschied gibt zwischen einem relativ fluffigen Gasriesen und einem recht dicht gepackten Braunen Riesen, in dessen Inneren Deuterium fusionieren kann. Die Fusion ist ziemlich ineffizient und dauert nicht sehr lang, aber immerhin. Eine Masse wäre also schon bei so großen Objekten recht hilfreich, um ihre Dichte zu bestimmen und sie entprechend richtig einordnen zu können. Bei den Super-Erden – also den Planeten mit 1-2 Erdradien – wäre ne Masse sogar noch hilfreicher. Hier verläuft wahrscheinlich die Grenze zwischen Planeten, die vornehmlich aus Gas bestehen und Felsplaneten wie Mars, Venus und die Erde. Ob ein Planet eher gasig oder felsig ist, das sollte seine Dichte zeigen und auch dafür braucht es neben der reinen Größe die Bestimmung der Masse.
Kepler-Planeten-Kandidaten – noch zu überprüfen
Genau da haben die Kepler-Planetenkandidaten ein Problem. Tatsächlich ist für viele Kepler-Kandidaten die Planetenmasse nicht bekannt – und wird auf absehbare Zeit auch nicht bekannt werden. Deswegen tauchen die meisten Kepler-Planeten nicht auf exoplanet.eu unter Planeten auf.
Das ist der Preis, den wir für die schnelle Planeten-Volkszählung bezahlt haben. Um möglichst schnell und einfach, relativ viele Sterne abzugreifen, ließ mensch CoRoT und Kepler tief in einen relativ kleinen Teil des Sternenhimmels schauen. Das ist im Bild unten rechts zu erkennen. Es gilt: Je größer die Magnitude – scheinbare Helligkeit – desto leuchtschwächer, desto schwächer ist das Signal und desto weniger Informationen kommen dementsprechend von dem Stern und einem eventuell vorhandenen Planeten auf der Erde an.
Wie oben zu sehen ist, erscheinen die meisten der beobachten sonnenähnlichen Sterne recht leuchtschwach. Der Grund für den Helligkeitsunterschied ist hier vor allem die Entfernung der Sterne. Ein Teleskop deckt immer einen gewissen Winkel des Raumes ab wie im Bild unten dargestellt:
In diesem Winkel befinden sich – wenn wir annehmen, dass die Sterne sich relativ gleichförmig verteilen und nicht verdeckt sind – mehr Sterne in großer Entfernung als solche in unmittelbarer Nähe. Wenn wir im Wald stehen, sehen wir auch nur 1-2 Bäume unmittelbar vor uns und desto mehr Bäume in größerer Entfernung.
Von daher ist es also klar, warum so viele Sterne sich bei Magnitude 16 häufen und kaum etwas bei 6 zu finden ist. Zwischen 6 und 16 geht die Helligkeit aber nicht nur ein bisschen sondern massiv in den Keller. Es geht hier um einen Faktor zehntausend zwischen 6 und 16.
Zumindest vor ein paar Jahren war es so, dass es bei Magnitude 15 schon extrem schwierig wurde selbst die Masse eines Hot-Jupiter-Planeten zu bestimmen. Nicht umsonst umkreisen die ersten nachgewiesenermaßen terrestrische Planeten, deren Massen auch bestimmt werden konnten, relativ leuchtstarke Sterne. Der Zentralstern von CoRoT-7bund Kepler-10b hat jeweils ungefähr Magnitude 11. Und selbst da war die Massenbestimmung zumindest bei CoRoT-7b ein mittleres Drama, weil der Stern dann auch noch die Frechheit hatte relativ variabel zu sein 🙂 Da gingen dann mal eben mehr als zwei Dutzend Bobachtungsnächte drauf, nur um sicherzustellen, dass es sich hier um einen Fels- und keinen Gasplaneten handelt und dann hatte ein Team sogar einen Ausreißer bei der Massebestimmung. Was unserer Meinung daran liegt, dass die Kolleginnen die Variabilität nicht vollständig bei der Auswertung berücksichtigt haben. Und hier ist ne relativ aktuelle Analyse zu dem Thema.
Beobachtungsnächte sind aber nun teuer und heiß umkämpft. So einen Aufwand kann mensch für ausgesuchte Objekte betreiben…Aber nicht für hundert oder gar tausend. Na ja, grundsätzlich ginge es natürlich, aber in dieser realen Welt in der Forschung und Entwicklung insgesamt noch nicht mal 3% des Bruttoinlandproduktes wert ist und in der ja noch andere Leute durch das Teleskop sehen wollen als Exoplaneten-Forscherinnen, geht es dann eben rein praktisch nicht.
Und nun?
Erst mal können wir mit dem arbeiten was da ist. Im Moment stürzen sich die Teams für eine genauere Analyse der Größe, Dichte, Zusammensetzung und Atmosphäre auf bekannte Planeten, die einen relativ hellen Stern umkreisen. Während ich in den letzten Jahren den Eindruck hatte, dass diese Charakterisierung relativ unkoordiniert erfolgte, denke ich, dass das Feld in der post-Kepler-Ära wachsen und sich vernetzen wird – untereinander und mit den beobachtenden Kolleginnen.
Die nächste Generation der Weltraum-Planetensucher spiegelt das auch wider.
Jetzt, da wir wissen, dass wir überall hingucken können und überall Planeten finden werden, lohnt es sich aufwändigere Strategien aufzufahren: TESS und PLATO und Cheops und Echo sind alles Missionen, die sich von daher auf besonders helle Sterne – also Sterne in unserer Nachbarschaft konzentrieren – um vornehmlich weitere lohnenswerte Objekte für eine Langzeit- und Detailuntersuchung zu finden.
Immerhin TESS hat alle Hürden genommen und ist für den Start 2017 vorgesehen. Die anderen Missionen sind derzeit in diversen Bewertungsstadien vor dem entscheidenden GO.
Aber selbst wenn es keine weitere Exoplaneten-Mission in’s Finale schaffen sollte: Es gibt immer noch eine ganze Reihe bodengestützter Beobachtungsprogramme – alte und neue – die jede Menge vielversprechende Planeten entdecken. Zwar sind hier die Stern- und damit auch die Planeten-Eigenschaften nicht ganz so gut bestimmt wie bei den Weltraum-Missionen – was zum einen an den besseren Daten und zum anderen auch an der i.A: besseren Ausstattung mit Mitteln und Personal liegt – aber das ist noch lange kein Grund diese Planeten zu verschmähen 🙂
Fazit:
Ja, es gibt ein Leben für Exoplaneten-Forscherinnen nach Kepler. Und es wird sicherlich mindestens genauso spannend sein, wie das Leben mit Kepler.
…Fortsetzung folgt 😉
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(1) CoRoT war in seiner allerersten Fassung sogar als reine Astroseismologie-Mission konzipiert und hat sich erst allmählich zu einer Mission weiterentwickelt, die neben der Astroseismologie auch Exoplaneten abdeckte.
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