Jetzt beschäftige ich mich schon fast 10 Jahre mit Exoplaneten und bin doch immer wieder erstaunt, was clevere Kolleginnen aus etwas herauskitzeln können, was im Grunde nichts anderes als ein winziger Flecken Licht irgendwo am Nachthimmel ist. Besonders transitierende Planeten sind da ein sehr dankbares Betätigungsfeld.
Ein Transit sieht normalerweise so wie in der folgenden Abbildung aus.
Tatsächlich ist das mit dem Transit etwas komplizierter und sieht im sichtbaren Bereich des Sternenlichtes eher so aus, wie weiter unten.
Eine relativ neue Methode bemüht sich darum, transitierende Exoplaten – die von der Erde aus gesehen vor ihrem Stern herziehen und ihn dabei verdecken – durch verschiedene Lichtfilter anzusehen. Licht ist – zum Glück – nicht einfach nur ein monolithisches Ding, sondern besteht aus verschiedenen Farben und tatsächlich ist es so, dass der Planetentransit oder besser gesagt der Planetenschatten in verschiedenem Licht unterschiedlich stark sein kann.
In einem bestimmten Licht sieht der Transit sogar radikal anders aus als gewohnt. Im Röntgenlicht passiert auf einmal folgendes:
Der ‘Buckel’ in der Mitte kommt dadurch zustande, dass der Planet hier einen Bereich des Sterns verdeckt (die Mitte), welche insgesamt weniger Röntgenlicht aussendet als der Rand. Aber nicht nur ist die Form des Transit etwas Besonderes. Tatsächlich ist auch die Tiefe des Transits hier aussagekräftig. Denn die Tiefe sagt uns, wie groß der Planet in diesem speziellen Licht ist.
Moment mal! Wieso sollte sich die Größe eines Planeten ändern, wenn wir ihn mit unterschiedlichem Licht vermessen?
Wenn der Planet lediglich eine Felskugel ist, dann ist die Größe und damit der Planetentransit in jeglichem Licht gleich tief. Aber wenn dieser Planet eine Atmosphäre hat und es sich gar um einen Gasriesen handelt, der fast ‘nur’ aus Gas besteht, dann sieht das Ganze anders aus. Denn dann bleibt das Licht irgendwo am Rand der Atmosphäre stecken. Unterschiedliches Licht dringt unterschiedlich weit ein und von daher ändert sich die Transittiefe. Gemeinhin würde mensch naiverweise annehmen, dass energiereiches Licht tief hineingeht als Licht mit weniger Energie. Also müsste Röntgenlicht ziemlich tief reingehen oder?
Zum Glück haben vor kurzem Katja Poppenhaeger und ihre Kolleginnen einen Durchbruch erzielt und zum ersten Mal einen transitierenden Planeten im Röntgenlicht angesehen: HD189733b.
Woah, ist ganz schön verrauscht. Aber für den ersten Versuch sieht es nicht schlecht aus. Wenn die Forscherinnen das Ganze noch ein paar mal machen und vernünftig mitteln, dann wird das Signal noch deutlicher. Hier stecken übrigens bereits sechs Transitbeobachtungen drin.
Und jetzt zu den Zahlen. Im optischen Licht ist der Transit 2.6% tief, im Röntgenlicht dagegen zwischen 6-8% tief. Mit anderen Worten: Durch die Röntgenbrille betrachtet erscheint der Planet fast vier mal so groß wie im sichtbaren Licht.
Wie kommt das denn?
Um festzustellen, was mit dem Licht der Atmosphäre passiert, muss mensch sich vor Augen halten, woraus diese Luft besteht und wie diese mit dem Licht – und in diesem Fall mit dem Röntgenlicht interagiert. Es ist hier wahrscheinlich eine Wolke von ‘schweren’ Elementen der Atmosphäre wie Eisen, Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff, die das Röntgenlicht schlucken, dadurch energetisch stark angeregt werden und dabei ein Elektron verlieren. Dieser Effekt nennt sich photoelektrische Absorption (1). Und die Tatsache, dass das Röntgenlicht bereits so weit draußen komplett verschluckt wird, sagt uns ne ganze Menge darüber, was der arme Planet erleiden muss. Denn hier haben wir es mit einem Gasriesen zu tun, der vornehmlich aus Wasserstoff und Helium besteht. Bei sonnenähnlicher Zusammensetzung machen die eben erwähnten ‘schweren’ (ja für Astronomen ist alles schwer, was nicht Wasserstoff oder Helium ist :-)) Elemente gerade mal 0.1 – 0.001 Promille aus. Und von diesen seltenen Elementen ist so viel so weit außerhalb des Planeten, dass fast das gesamte Röntgenlicht verschluckt wird.
Wenn schon so relativ schwere Bestandteile wie Eisen, Kohlenstoff etc. in solchen Mengen herumschwirren, dann sind die leichteren Elemente wie Helium und Wasserstoff erst recht da. Die sehen wir hier in dem Röntgenlicht zwar nicht, weil sie nicht so stark mit dem Röntgenlicht interagieren, aber wir können sie in anderem Licht sehen. Z.B. unter UV-Strahlung. Mit anderen Worten, da schwirrt eine riesige ausgedehnte Wolke aus Atmosphäre um den Planeten herum.
Warum eigentlich ist da so viel Gas?
Eigentlich habe ich es schon erwähnt. Die Luftmoleküle und Atome schlucken Röntgen- und andere Strahlung und ‘laden’ sich dabei mit Energie auf. Energie ist bei einem einzelnen Moleküle und Atom auch Bewegungsenergie. Und in Röntgenstrahlung steckt sehr viel Energie in einem einzelnen Lichtquant; soviel, dass ein Atom genügend Energie erhält, um sich von der Gravitation seines Heimatplaneten zu verabschieden, weil es Fluchtgeschwindigkeit erreicht. Etwas ähnliches passiert wahrscheinlich den leichteren Atomen, wenn sie hartes UV-Licht absorbieren. Wir sehen hier also nicht einfach nur einne Wolke. Wir sehen gerade jede Menge Atmosphäre, die dabei ist sich vom Planeten zu lösen. Ihr müsst bedenken, dass der hier betrachtete Planet seinen Stern in einem sehr engen Orbit umkreist in einem Abstand von 0.o3 AU (wir sind komfortable 1 AU von unserer Sonne weg). Ihm wird von daher richtig eingeheizt.
Das ist übrigens nicht allzu neu. Es gibt immer wieder Anzeichen für extrasolare Planeten, die sich auflösen. KIC12557548 z.B. zeigt starke Erosion: allerdings aufgrund eines anderen Effektes, auf den ich im Moment noch nicht eingehe. Da muss ich noch mal was nachlesen.
Dass der Jupiter-Planet HD 209458b einen Schweif hinter sich herzieht, ist seit 2010 bekannt.
In diesem Fall hier, schätzen Katja Poppenhaeger und ihre Kolleginnen in ihrem Paper, dass ungefähr 10^11 g/s durch Sternenstrahlung verursachte Erosion verloren geht. Wenn ich konservativ schätze, dass dieser Planet die ganze Zeit soviel Zeugs verliert, dann hat er seit seiner Entstehung (das ist entweder 2 oder 5 Milliarde Jahre her (2)) etwa 1-2 Erden an Masse eingebüßt.
Bei manchen extrasolaren Planeten, die ihren Stern in einer engen Umlaufbahn umkreisen (und das sind viele), ist diese Erosion sogar eine Frage auf Leben und Tod. Ein Jupiterähnlicher-Planet wie der hier betrachtete, der etwa 300 Erdmassen an Zeugs in sich vereinigt, kann den Verlust von ein paar Erdmassen im Laufe seines Lebens verschmerzen. Aber was ist mit Neptun-ähnlichen Objekten, die von vornherein nur 17 Erdmassen oder weniger intus haben? Und die sind eigentlich noch anfälliger für Erosion, weil ihre Gravitationskraft und damit die Bindungsfähigkeit der Atmosphäre noch geringer ist. Löst sich dann allmählich der Planet auf, bis nur noch der feste Kern übrig ist? Das vermuten einige Forscher zumindest (3). Aber noch ist es zu früh, um definitiv etwas zu sagen. Aber Untersuchungen wie diese hier, welche die Erosion im Röntgenlicht sichtbar machen, helfen das mit der Erosion besser zu verstehen.
Wie bereits eingangs gesagt: Es ist erstaunlich, wieviel Informationen so ein kleiner Lichtpunkt alles liefern kann. Wenn er mit den richtigen Instrumenten und vor allem einer großen Portion Einfallsreichtum und Phantasie angesehen wird.
P.S.: Florian hat schon vor über 2 Monaten darüber berichtet. Hier geht’s zu seinem Artikel.
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(1) Hier finde ich die Sache mit den Lichtpaketen bzw. Quanten ganz hilfreich. Roentgenlichtquanten haben sehr viel mehr Energie als z.B. rotes oder blaues Licht.
(2) Hmm, das ist interessant. Hier passen zwei Altersindikatoren nicht zusammen.
“Transit observations of the hot Jupiter HD 189733b at x-ray wavelengths,” K. Poppenhaeger, J. H. M. M. Schmitt, and S. J. Wolk, ApJ 773, 62, 2013.
(3)
A scenario of planet erosion by coronal radiation
Poppenhaeger, K.; Schmitt, J. H. M. M.; Wolk, S. J. (2013). Transit Observations of the Hot Jupiter HD 189733b at X-Ray Wavelengths The Astrophysical Journal DOI: 10.1088/0004-637X/773/1/62
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