Und ganz ehrlich: Ein Doktorvater oder eine Doktormutter, der/die behauptet, dass Doktorarbeit Privatvergnügen sei, dem/der gehört die Leviten gelesen. Denn dieses “Privatvergnügen” wird komischerweise ganz gerne genommen, um Geld einzutreiben, die daraus resultierenden Paper auf den eigenen Lebenslauf/Institutsseite zu setzen und zu zeigen, wie toll mensch seine/ihre Lehrpflichten wahrnimmt. Es gibt genügend Institute, wo die Forschung fast ausschließlich als angebliches “Privatvergnügen” von Doktorandinnen erledigt wird. Privatvergnügen…my ass. Was eine perfide Mischung aus Geringschätzung und Ausbeutungsmentalität, die dann auch noch ganz offen und als normal zelebriert wird. Ich hab schon von Kolleginnen gehört, die meinten, dass sie das Gefühl haben im Nachteil zu sein, weil sie darauf achten, dass ihre Doktorandinnen in angemessener Zeit fertig werden.

Dann heißt es als Rechtfertigung immer: Ja, dieser immense Druck…Ja, das wissen wir, dass der Druck enorm ist, und natürlich ist es bequem diesen Druck schön nach unten weiterzugeben, anstatt sich mal zu wehren. Aber rein menschlich ist es ein Armutszeugnis, wenn mensch für die Erfüllung seines/ihres persönlichen Lebenstraum dafür billigend in Kauf nimmt, dass die schwächsten Glieder in der Kette darüber zerbrechen.

Ups, jetzt ist es doch länger geworden, als ich vorhatte. Aber es muss mal gesagt werden und durchaus oft und laut.
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Letzteres ist leider ein Problem für sich. Es ist gerade in den Ballungszentren fast unmöglich jemanden für den Notfall zu finden.

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Kommentare (11)

  1. #1 CM
    November 14, 2013

    Sehr guter Artikel – sollte zu allen PIs weitergeleitet werden! Danke!

  2. #2 MartinB
    November 14, 2013

    Sehr guter Artikel. (Du solltest ihn bei nature in der Post-Doc-Rubrik anbieten, da gehört er hin…)

    Hinzu kommt, dass die, die am längsten und meisten arbeiten, nicht immer die sind, die am besten arbeiten. Das ist vermutlich ein klassicher Denkfehler: Da man die tatsächliche Leistung schwer messen kann, schaut man stattdessen auf äußere, einfacher messbare Leistungsindikatoren wie die zahl der Stunden.

  3. #3 Christoph Moder
    November 14, 2013

    Ein wirklich sehr guter Artikel!

    Noch ein Punkt: Es sind nicht nur immer die Forderungen der Vorgesetzten; jede/r sollte sich selber schnell bewusst werden, wie der eigene Arbeitsstil ist und wo die Grenzen sind. Manche Leute arbeiten sehr lange und kommen gut damit klar; offensichtlich geht das, wenn man sehr sorgfältig und systematisch irgend etwas durchackert, und dabei eine entsprechende Effizienz (manchmal auch: “Scheuklappendenken”) entwickelt hat. Umgekehrt ist Kreativität etwas, das sehr schnell erschöpft ist; man kann in kurzer Zeit mit ein paar brillanten Ideen extrem produktiv sein, aber wenn diese Kreativität erschöpft ist, hilft auch nicht noch so viel Kaffee. Es ist verführerisch, in so einem Flow zu glauben, man könne ewig so weitermachen, wie die anderen fleißigen Bienen am Institut. Umso schlimmer, wenn diese Selbsttäuschung dann auch noch von den Vorgesetzten ausgenutzt wird. Ich kann nur jeder/m raten, darauf zu achten, wo die eigenen Grenzen sind – wie MartinB richtig sagt, die Zeit ist selten ein guter Leistungsindikator, wenn es um kreative Problemlösungen geht. Ich bezweifle, dass man am eigenen Arbeitsstil viel ändern kann, aber man kann sich danach richten und das Beste daraus machen, statt sich einer strapaziösen Dressur zu unterwerfen.

    Idealerweise baut ein Vorgesetzter seine Arbeitsgruppe so auf, dass sich eine gesunde Eigendynamik entwickelt und die Angestellten sich gegenseitig ergänzen und weiterbringen, anstatt sie mit unrealistischen Zielsetzungen immer weiter anzutreiben und auszulaugen.

  4. #4 Tantal
    November 15, 2013

    Kenne ich auch alles. Es war herzzerreissend wie eine Bekannte versucht hat ihre Promotion auf Hartz IV zusammenzuschreiben, gleichzeitig gegen Depressionen gekämpft hat, und dann letzten Endes doch abzubrechen.

    Das System krankt am Machtgefälle zwischen PIs und Doktoranden/Postdocs, knapper werdenden finanziellen Mitteln, und übertriebenem Ehrgeiz ohne Rücksicht auf Verluste seitens der PIs.

  5. #5 MartinB
    November 15, 2013

    @Tantal
    wibei das nicht unbedingt der Regelfall ist – ich kenne auch BetreuerInnen, die sich für ihre DoktorandInnen einsetzen und alles geben (mit so einem habe ich selbst promoviert).
    Aber nattürlich hast du recht, dass die DoktorandInnen wenig Möglichkeiten haben, wenn etwas schief geht (solche Fälle kenne ich auch…)

  6. #6 Tantal
    November 15, 2013

    Dass es jede Menge hochanständiger Doktorväter und -mütter gibt möchte ich auch nicht bestreiten, nur gibt es eben genug akademische Horrorgeschichten, und eben das Machtungleichgewicht zwischen dem auf Lebenszeit verbeamteten Professor auf der einen Seite und dem befristet beschäftigten Doktoranden, der zudem noch auf gute Noten und Entgegenkommen bei Empfehlungsschreiben angewiesen ist.

  7. #7 Ludmila Carone
    November 15, 2013

    @Tantal @MartinB Ich sehe das ähnlich wie Tantal. Es sind mit persönlich inzwischen zu viele Horrorstories. Nur aus meinem kleinen Umfeld. Und wenn ich schon höre – wie im Text bereits erwähnt – dass die anständigen teilweise das Gefühl haben im Nachteil zu sein, weil weil sie anständig sind, dann ist das System krank.

    Ich war ja im Text noch nett. Ich kenne mind. zwei Fälle in denen es zu echtem Mobbing kam. Und in einem Fall hat der Betroffene sich versucht zu wehren. Und wir sprechen hier von Vorkommnissen, wo der Doktorvater den Doktoranden persönlich beleidigt, vor versammelter Mannschaft gedemütigt und angeschrien hat und das mehr als nur einmal. Weil der Doktorand es gewagt hat, dem Doktorvater zu sagen, dass er schlicht falsch liegt mit seinen Grundannahmen zu einem wissenschaftl. Problem.

    Er hätte natürlich so tun können, als ob der Doktorvater recht hat und sich als Erstautor auf irgendeinem Scheiß zu verewigen. Obwohl er ganz genau wusste, dass es falsch war und ihm alle Kolleginnen sagten, dass es falsch war. Nur war der arme Kerl dafür schlicht zu integer. Und damit haetten wir dann auch noch die Grenze zu wissenschaftl. Fehlverhalten überschritten.

    Als der versuchte sich zu wehren, rannte der überall an der Uni gegen Gummiwände und das Mobbing wurde sogar noch schlimmer bis hin zum kompletten Nervenzusammenbruch des Doktoranden.

    Letztendlich hatte der Doktorand das Glück, dass er zu gut war, als dass der Doktorvater die Promotion hätte verweigern können ohne sich selbst massiv eine Bloesse zu geben. Man kann nicht jahrelang den Doktoranden als das beste Pferd im Stall preisen und dann irgendwann behaupten, dass der zu doof zum Schreiben ist. und zu viele Leute hatten gesehen, was er wirklich kann, so dass er keine Probleme hatte ausgezeichnete Empfehlungsschreiben von anderen Wissenschaftlerinnen außer dem Doktorvater zu kriegen.

    Und ich bin die Entschuldigungen auch langsam echt leid. Ja, die Leute haben nie gelernt ne Gruppe zu führen, sondern es wird einfach erwartet, dass sie das irgendwie können. Manche kommen mit dem Wechsel vom arbeitenden Wissenschaftler zur Leiterin nicht klar und meinen in allem den vollen Überblick haben zu müssen und können nicht delegieren. Wieder andere werden aus Unsicherheit und Überforderung zum Tyrannen und Cholerikerin.

    Und was ist mit den Opfern? Wer hat denn für die Verständnis?

    Im Moment sehe ich im Hochschulsystem einen negativen Auswahleffekt. Die wirklich guten und anständigen neigen zu gehen, weil sie diesen Scheiß nicht mitmachen wollen und übrig bleiben tendenziell die Duckmaeuser, Opportunisten und Tyranninnen. Das kann’s ja nicht sein und gut für die Wissenschaft ist es auch nicht. Wie soll denn in einer Atmosphäre des Terror und der Angst gut Wissenschaft gedeihen?

  8. #8 Photokina
    Villa Kunterbunt
    November 15, 2013

    So läuft es bei uns am Institut auch.
    Wir sollen möglichst viel publizieren, Projekte akquirieren, Anfragen von Unternehmen und Privatpersonen bearbeiten, Untersuchungen durchführen, an Tagungen teilnehmen, Praktika für Studenten durchführen, experimentelle Doktorarbeiten schreiben etc. pp.. Achja und forschen natürlich auch noch. Das übliche eben.
    Nur wir drei Doktoranden, ohne Sekretariat, ohne Prof. aus unserem Fachbereich…

    Unser Arbeitsgruppenleiter, ebenfalls einer von uns drei Doktoranden, also auch noch gar nicht “fertig”, arbeitet jeden(!) Tag bis spät in die Nacht. Mails von ihm um 2/3 Uhr nachts/morgens sind Standard.
    Ein klassisches Beispiel von leben FÜR die Arbeit. Ob es wirklich so von ihm erwartet wird oder ob der Druck von ihm selber ausgeht, kann ich nicht einschätzen.
    Aber bei einem bin ich mir sicher: Er wird das nicht mehr lange so weitermachen können. Keine Auszeiten/keine Wochenenden…

    Ich weiß noch nicht welches Fazit ich für mich daraus ziehen soll. Ist die Arbeit hier an diesem Institut nix (für mich) oder ist die komplette Wissenschaft nix für mich?
    Fest steht, ich lasse mich da nicht mit rein ziehen.
    Klar mache ich auch mal Überstunden, rein rechnerisch jeden Tag, grübel zu lange an einem Problem, aber ich weiß auch dass die meisten Sachen schneller und besser zu lösen sind wenn ich drüber schlafe statt 12/13h im Büro zu hängen.

    Man muss sicher seiner schon sicher sein, wenn man Arbeit liegen lässt und nachhause geht. Aber wenn man sich sicher ist, dass man effektiv arbeitet und trotzdem nicht alles schafft, dann muss es zuviel sein für eine Person.
    Das müssen dann die Vorgesetzten ausbaden.

  9. #9 Ludmila Carone
    November 15, 2013

    @Photokina: Hört sich richtig übel an. Aber es gibt sie, die Insitute an denen mensch nicht dabei draufgeht. Ich würde mich auch dazu im Ausland umschauen. Selbst an den USA gibt’s selbst an den herausragenden Unis solche und solche Arbeitsgruppen. Welche, die wirklich bis spät in die Nacht werken und solche die um 6 Uhr abends kollektiv Feierabend machen. Hab ich beides erlebt und da musst Du von Fall zu Fall sehen, was beim Vorstellungsgespräch erwartet wird. Kaputt machen sollte sich aber keiner für seinen Traumjob. Denn sonst wird es zum Alptraumjob.

  10. #10 haarigertroll
    November 16, 2013

    Nicht umsonst sind ja die PhD-comics so beliebt, weil es offenbar weltweit in der überwiegenden Mehrzahl der Institute so zugeht.

    Interessant finde ich es, sich Erzählungen von Leuten anzuhören, die vor ca. 30 Jahren promoviert haben und das mit der jetzigen Situation zu vergleichen. Zwar galt früher wie heute, dass über dem Ordinarius nur noch der liebe Gott kommt, aber offenbar war damals der Druck mit den Drittmittelstellen geringer. In der Regel waren die Lehrstühle kleiner, dementsprechend saß ein höherer Anteil der Mitarbeiter auf Planstellen und der Professor hatte wenigstens die Chance zu überblicken, was seine Schäfchen denn so tun.
    Heutzutage ist es ja politisch gewollt (Stichwort “unternehmerische Universität”) den Drittmittel-Anteil stärker und stärker auszubauen. Damit lassen sich zwar Lehrstuhlgrößen von teilweise 30 bis 50 Doktoranden finanzieren, aber die Organisation und Betreuung hinkt bisweilen massiv hinterher. Dazu kommt, dass jedes Drittmittel-Projekt, das eingeworben wird, meiner Erfahrung nach mindestens ein halbes Personenjahr an organisatorischem Overhead produziert: Antrag stellen, ggf. Antrag nacharbeiten, ggf. Angebote zu benötigten Geräten einholen, danach Zwischen- und Abschlussberichte verfassen… Da diese Tätigkeiten nicht extra bezahlt werden, müssen sie halt nebenher geschehen.
    Und (ich weiß nicht, wie das in anderen Fakultäten ist, im Ingenieurwesen ist das jedenfalls sehr verbreitet) dazu kommt noch, dass die Lehrstühle oft noch “auf dem kurzen Dienstweg” Auftragsforschung betreiben. Meistens sogar legal, manchmal nicht (https://goo.gl/wKQHQH).
    Ach ja, irgendjemand muss natürlich auch noch die Vorlesungen und Übungen vorbereiten… Die theoretisch geforderte Trennung zwischen Planstellen (mit Aufgaben in Organisation und Lehre) und Drittmittelstellen (ohne Zusatzaufgaben) habe ich in der Praxis selten gesehen.
    Ich hatte immerhin das Glück, als Ingenieur-Doktorand soweit anständig bezahlt zu werden, dass ich mir nach dem Lehrstuhlleben ein paar Monate Auszeit zum Zusammenschreiben gönnen konnte.

    So lange politisch gilt “entscheidend ist, was hinten raus kommt” und Drittmittel für wichtiger als Planstellen gehalten werden, wird sich da auch nicht viel ändern, fürchte ich.

  11. #11 Herbert Sukow
    Stuttgart
    Januar 18, 2015

    Ich kenne all dies zu gut. Du sprichst mir von der Seele! Keine Zeit für nichts und man ist nur noch mit dem Forschen beschäftigt. Das Privatleben leidet natürlich darunter, wenn man Untersuchungen durchführt, Simulationen am Laufen hat und nebenbei seine Doktorarbeit
    schreiben
    muss. Hinzu kommt noch der Professor, für den man alles machen muss, weil der Herr Besseres zu tun hat. Der Promovierende wird dann zur einer Tippse der Profs. Naja, aber so ist das Leben nun mal.