Letztens bin ich beim Radio hören in Belgien über folgende kleine feine Webseite gestoßen: Originals.be (1) Dieses Projekt versucht eine Art Popgenealogie zu verfassen. Die prominenten Beispiele, die dann auch im Radio NL1 gespielt wurden, ließen mich jedenfalls aufhorchen und ich werde so einige Hits nicht mehr mit den gleichen ‘Ohren’ hören können.

Die Muppet show

Wenn mensch z.B. diesen deutschen Schlager spielt und

es dann damit vergleicht,

dann gibt es doch eine frappierende Ähnlichkeit. Es gibt aber eine noch frühere Version eines ganz ähnlichen Musik-Themas.

Ich vermute allerdings, dass auch das nicht unbedingt die ‘originalste’ Version sein wird. Wenn ich mein altes Schulwissen hervorkrame, dann scheinen mir alle drei Stücke im Ragtime verwurzelt zu sein.

Diese Fälle zeigen allerdings, dass die Grenze zwischen Plagiat, Hommage und Inspiration fließend ist. Gerade bei Musik ist es unmöglich, völlig unbeeinflusst gänzlich neue Werke zu schaffen. Wie soll mensch auch sicherstellen, dass ein Lied, das mensch als Kind gehört und inzwischen vergessen hat, einen nicht unbewusst inspiriert?

Selbst in der Wissenschaft ist es nicht immer ganz so einfach zu erkennen, wer ‘zuerst’ auf eine revolutionäre Idee kam. Auch hier arbeiten wir nicht im luftleeren Raum, sondern bauen auf früheren Arbeiten auf. So wurde die Integralrechnung unabhängig voneinander von Newton und Leibniz erfunden, was dann bekanntlich zu dem berüchtigt-berüchtigten Prioritätsstreit führte, der auch recht anschaulich vor Augen führt, dass intelligentere Menschen nicht zwangsläufig bessere Menschen sind, sondern genauso verbohrt, eifersüchtig und kindisch sein können wie…normale Menschen eben 😉

Pulp Fiction

Während mensch sich wohl weiter oben noch streiten kann, ob die Stücke wirklich so ähnlich sind, ist der Fall für den Song aus dem Film ‘Pulp Fiction’ sehr eindeutig, schließlich verweist bereits der Titel ‘Misirlou’ auch recht eindeutig auf die ursprünglich griechische Quelle:

 

Hier eine frühere Version aus dem Jahr 1927(!)  im Rembetiko-Stil: Das ägyptische Mädchen:

 

Der ‘deutsche’ Schlager aus Polynesien

Beim folgendem Beispiel hat es mir dann die Schuhe ausgezogen: Ein polynesisches  Volkslied, das dann von einem deutschen Produzenten zu einem sehr bekannten Schlager verwurstelt wurde:

Ich glaub es ist jedem klar, welcher Schlager gemeint ist 😉

Interessantes Thema, auch wenn der letzte Fall für mich einen schalen Beigeschmack von Kultur-Kolonialismus hat. Allerdings weist die Wikipedia-Seite auf die Herkunft hin und dass Tony Marshall die Ehrenbürgerschaft Bora Boras bekommen hat, weil er angeblich ‘polynesisches Liedgut’ bekannt gemacht hat, u.a. mit dem Hit ‘Bora Bora’ (2). Auch wenn bei ‘Schöne Maid’ die Herkunft aus der polynesischen Kultur erstmal nicht so erkennbar ist, so ergibt eine kurze Suche auf Youtube, dass es auch kein großes Geheimnis ist und dieser Beitrag macht es zusätzlich sichtbar.

Ich schreibe übrigens ‘polynesich’, weil es über das Internet nicht so einfach zu eruieren ist, woher das Lied genau stammt. Auf Wiki und auf Youtube wird Tahiti genannt und bei ‘Originals‘ wird eine Aufnahme aus den 30ern von Maoris auf Neusseland angegeben. Zumindest ein Kommentator auf Youtube merkte auch an, dass der Liedtext Maori sei.

Jedenfalls hab ich mir die “Originals” gebookmarkt und bin mal gespannt, was ich sonst noch entdecken werde.

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(1) Keine Sorge, die Seite gibt es auch auf Englisch.

(2) Ich denke, ich lehne mich nicht zu sehr aus dem Fenster, wenn ich anmerke, dass bei der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Hintergedanke “Tourismus” eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben dürfte.

Kommentare (13)

  1. #1 CM
    Januar 17, 2014

    Sehr spannend! Mittlerweile frage ich mich auch: Die Möglichkeiten Musik zu arrangieren und zu setzen sind nicht unbegrenzt – unsere “westliche” Musik folgt bestimmten Regeln. Ähnliche Musik zu finden ist daher irgendwann unausweichlich – zumal “ähnlich” etwas ist, wonach wir im akustischen wie visuellen Bereichen suchen. Weiß jemand ob das mal untersucht wurde? Wie wahrscheinlich ist die “Ähnlichkeit” von musikalischen Theman / Arrangements über die Zeit eigentlich?

    Gruß,
    Christian

  2. #2 ich-halt
    Januar 17, 2014

    Vsauce hat da mal was interessantes drüber gebracht:
    youtube.com/watch?v=DAcjV60RnRw

  3. #3 Jürgen Schönstein
    Januar 17, 2014

    Unvergleichlich und unüberhörbar ist hier auch der Kanon in D-Dur von Johann Pachelbel, dessen Grundmuster so oft wiederverwendet wurde, dass er als eigen Sparte der Popmusik gelten könnte:

  4. #4 koi
    Januar 17, 2014

    Der schale Beigeschmack von Kultur-Kolonialismus ist denk ich hier nicht angebracht. Musik wird schon immer wiederverwendet und in verschiedensten Stilen recycelt, das war schon in der Klassik so. Übel ist es wenn z.B. wie bei „The Lion Sleeps Tonight“ der Originalkomponist und Interpret (https://de.wikipedia.org/wiki/Mbube) über den Tisch gezogen wird. Ob das aber nur verwerfliche Geschäftspraktik ist oder Kulturimperialismus möchte ich nicht beurteilen. Ohne die Schlageradaption wäre die Melodie völlig unbekannt geblieben, das ist doch auch keine wirklich Alternative. Apropos, auch in Fiesta von den Pogues (https://www.youtube.com/watch?v=ifO7AwBtNjE) ist ein bekannter Schlagerrefrain zu hören, der mich immer wieder begeistert.

  5. #5 Stefan W.
    https://demystifikation.wordpress.com
    Januar 19, 2014

    Die polynesische Version der schönen Maid klingt vom Rhythmus um den einen Tick komplizierter, der sie zugleich interessanter und besser macht.

  6. #6 Ludmila Carone
    Januar 20, 2014

    @koi: Danke für das Beispiel Mbube. Solomon Linde wurde über den Tisch gezogen, weil ihm im südafrikanischen Apartheids-Regime als Schwarzen keine Tantiemen zugestanden wurden. Und Jahrzehnte später beruft sich Disney auf die bestehende Rechtssituation, die durch ein rassistisches Regime zustande kam, um keine Tantiemen zahlen zu müssen, während ein weißer Elton John, a) gefragt wurde und b) viel Geld und c) noch einen Oskar für den Beitrag zum Film bekommen hat.

    Wie kann das bitte anders benannt werden als zutiefst rassistisch. Alleine aus Image-Gründen hätte Disney da mal besser klang-und sanglos bezahlt.

    “Seid doch froh dass das verbreitet wird?” Hmm, warum geht nochmal die westlich, weiße Musikindustrie und westliche, weiße Künstler massiv gegen “Verbreitung” vor? Ach so, weil es um Geld und Ruhm geht, nicht?

    Nur von “Verbreitung” können sich die ursprünglichen Künstler und deren Nachfahren weder was kaufen, noch kriegen sie dafür den Ruhm, der ihnen zusteht. Bestenfalls bleiben sie ne Fußnote in der Wikipedia.

  7. #7 Alderamin
    Januar 20, 2014

    Tja, nicht mal “Rivers of Babylon” ist im Original von Boney M, wie ich neulich überrascht feststellte. Aber das war natürlich eine legale Coverversion.

    Dreister hingegen Michael Cretu, der für das Intro von “Return to Innocence” unerlaubterweise den Gesang eines Taiwanesischen Paares gesampelt hatte, die nicht schlecht staunten, als sie sich eines Tages im Radio hörten. Und nie jemals einen Cent dafür sahen. Whole Story:

    https://www.sinica.edu.tw/tit/special/0996_Innocence.html

  8. #8 koi
    Januar 20, 2014

    Hallo Ludmila, ich muss mich entschuldigen, bei Mbube hab ich die Hintergründe nicht mehr parat gehabt und der Kommentar war ein bisschen aus der hohlen Hand und ohne Recherche. Die Aussage dass ich das nicht beurteilen möchte war darauf bezogen, dass ich da einfach nicht genug wusste und zu schnell was geschrieben habe. Kommt aber so wie ich es geschrieben habe mit einem falschen Zungenschlag rüber und war nicht so gemeint.
    Die Aussage “Seid doch froh dass das verbreitet wird?” hab ich so aber nicht gesagt und sollte so nicht verstanden werden. Die ganze Musikgeschichte lebt von Zitat, Wiederverwendung, Abwandlung und Plagiaten. Gerade in der Musik ist ganz schwer zu entscheiden wo da was anfängt und wo was aufhört. Das da, wo ein Geschäft gewittert wird, ge- und verklagt wird ist leider Usus. (BTW. Schau mal den Wiki Artikel zu „Ein bisschen Frieden“ den Eurovisionssong von 1982 auch hier wird von Plagiatsvorwürfen geschrieben)
    Gerade in der Musik gibt es auch eine gegenseitige Befruchtung, das recht erfolgreiche Genre der Weltmusik lebt auch davon, dass Musiker sich gegenseitig austauschen, und gerade in und durch das Genre sind viele Musiker aus der sogenannten Dritten Welt weltweit bekannt geworden. Natürlich verdienen mit den großen Stars dabei auch die großen Labels, aber was ist die Alternative? Musik ist ein Geschäft.
    Und zum obigen Beispiel. Anscheinend ist ja die Quelle des Lieds nicht so leicht zu eruieren. Vielleicht ist es ein Traditional (Volkslied, wie es bei uns heißen würde). Wo lägen da die Rechte? Vielleicht wären die Rechte ausgelaufen (Thema Gemeinfreiheit) Wer hat die Tantiemen für das deutsche Weihnachtslied „O du fröhliche“ nach Italien überwiesen. Natürlich kann sich von „Verbreitung“ keiner was kaufen, die Alternative ist aber keine Verbreitung. Auch wenn ich das in diesem speziellen Fall nicht glaube, dazu ist das Publikum doch zu disjunkt, kann durch Verbreitung vielleicht die Neugier auf originale Musik geweckt werden. Wär doch auch was.
    Hmm, westlich weiß Musikindustrie und westlich weiße Künstler. Bei der Musikindustrie will ich nicht widersprechen, stimme aber auch nicht einfach so zu, aber gerade bei Musikern ist die ethnische Durchmischung und die Toleranz wahrscheinlich höher als bei vielen anderen Gruppen (Wissenschaftler nicht ausgenommen) Nicht immer ist alles so einfach.

  9. #9 Nashorn
    Januar 21, 2014

    Was den Pachelbel angeht: Das ist halt eine einfache Harmoniefolge, die in unserer westlichen Musik gut funktioniert. Dass die inzwischen gängig ist und sich in vielen Popstücken wiederfindet, heißt nicht, dass die alle von Herrn Pachelbels Kanon inspiriert sind.
    Genauso finden sich z.B. das Bluesschema oder die II-V-I-Kadenz in unzähligen Stücken. Nicht umsonst lässt sich Akkordfolge nicht urheberrechtlich schützen.

  10. #10 BreitSide
    Januar 22, 2014

    Legendär ist hierbei George Harrison. Sein “My sweet Lord” war ganz offensichtlich fast identisch mit dem “He´s so fine”.

    Harrison bestritt vehement, dass er absichtlich plagiiert hätte. Was umso plausibler erscheint, als er ziemlich schnell den Prozess abblies und der Band die vollen Urheberrechte ließ.

    Eine super PR, blieb aber deren einziger Hit. Ich kann mich auch nicht mehr an den Namen der Band erinnern…

  11. #11 BreitSide
    Januar 22, 2014

    Ok, nochmal bei Wicki nachgeschaut: https://de.wikipedia.org/wiki/My_Sweet_Lord#Plagiatsanklage_und_Prozess

    Er blies nicht ab, das konnte er nicht, aber er hätte den Prozess gerne abgeblasen….

  12. #12 Christian Berger
    Februar 2, 2014

    Ein berühmtes Beispiel ist auch das:
    https://www.youtube.com/watch?v=FeyxErODn8I

    Und der Vorspann zu Buffy:

  13. #13 Sim
    Februar 5, 2014

    @ Ludmila

    w00t krass und ich hab mich schon die letzten Tage gefragt woher ich das Lied hier kenne: https://www.youtube.com/watch?v=4gqvmhExZOY