Nicht wenige Raumfahrt-Enthusiasten sind gerade ziemlich erbost, wie mit den Rosetta-Bildern umgegangen wird. Da wurden erst Bilder von der französischen Raumfahrtagentur CNES vermutlich versehentlich zu früh online gestellt und verschwanden dann wieder, weil irgendjemand anders hinter den Kulissen die wieder zurück gepfiffen hat. Ein offener Brief wurde also geschrieben, um nach Echtzeit-Bildern von Rosetta zu verlangen. Florian hat sich dazu bereits geäußert.
Ich kann Raumfahrer.net schon verstehen. Und ein offener Brief an die ESA und den PI der Osiris-Kamera ist schon mal ein guter Anfang. Aber damit ist es nicht getan. Ich nehme mal aber die Geschichte um die Rosetta-PR, um mal einiges über die europäische Forschungslandschaft aus meiner Sicht zu erläutern, weil ich beide Sichtweisen kenne.
Ich habe mich einerseits immer für mehr Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz eingesetzt, andererseits kenne ich auch die Sachzwänge im Hintergrund, die einem manchmal diese Arbeit sehr, sehr schwer und teilweise sogar unmöglich machen. Der Tag hat nur 24 Stunden, ich muss auch von was leben und reklamiere inzwischen auch mein Recht auf Freizeit.
Zudem habe ich jahrelang für die Radio Science Gruppe auf Rosetta gearbeitet und dabei u.a. auch die Daten aufbereitet für die Freigabe an die Öffentlichkeit. Und saß dabei regelmäßig mit den Leuten der ESA zusammen, die sich nach bestem Wissen und Gewissen bemühten, dabei zu helfen, dass die Daten irgendwann – wie versprochen – rausgehen. Ich weiß auch – zumindest von den Radiowellen-Daten -, was alles notwendig ist, damit irgendjemand anders irgendetwas damit anfangen kann. Das ist bei Radiodaten natürlich um einiges aufwendiger als bei Bildern, aber auch die haben ihre Tücken, von denen die meisten in der Anfangsphase des Betriebs im Weltall noch nicht einmal bekannt sind. Deswegen gibt es die so genannte Commissioning-Phase, in der die Leute erstmal Erfahrungen mit ihren Instrumenten sammeln müssen. Wir hatten bei Rosetta bereits einige Commissioning-Phasen kurz nach dem Start. Jetzt im Anflug von Churyumov-Gerasimenko wird es da sicherlich noch mal solche Phasen geben, weil die Raumsonde sich einer relativ “verschmutzen Umgebung” nähert; voll mit Plasma und Gas, das vom Kometen selbst ausgestoßen wird und wo noch nicht klar ist, wie das die einzelnen Instrumente beeinflusst.
Glaubwürdigkeit über alles
Glaubwürdigkeit erachten gerade WissenschaftlerInnen älteren Kalibers als ein rares Gut, das man nicht leichtfertig verspielen sollte. Denn das brauchen die Leute, um Drittmittel von den Forschungsgemeinschaften für die Zeitverträge ihrer MitarbeiterInnen zusammenzukriegen. Ohne dieses Geld, bricht wirklich alles zusammen.
Von daher finden es nicht wenige Verantwortliche in der europäischen Wissenschaft ganz super, dass sie eben nicht halbgaren Quark raushauen, den man ein halbes Jahr später korrigieren oder gar widerrufen muss (Arsen-Bakterien der NASA? Da war was, nicht?). Lieber wartet mensch etwas länger, um sich ja keine Blöße zu geben. Wenn also Raumfahrt-Enthusiasten den Rosetta-Verantwortlichen Öffentlichkeitsarbeit aus dem letzten Jahrtausend vorwerfen, dann werden das einige KollegInnen vielleicht eher als Kompliment denn als Vorwurf sehen. Schaut doch mal, wann die Leute wissenschaftlich groß geworden sind! In den 80er Jahren des letzten Jahrtausend.
Die argumentieren nach dem Motto: Gut, dass wir uns diesem Social Media Dings entziehen. (Hat Rosetta überhaupt eine Facebook-Seite? Ich konnte keine finden. Florian hat mich darauf hingewiesen, doch ja, es gibt ne Facebook-Seite.) Die Berührungsängste sind groß und einige bezeichnen sich auch als gebrannte Kinder:”Da hab ich das ewig und lang erklärt und es kam immer noch halbgarer Kram bei dem Medium heraus, der dann auf mich zurückfällt.”Mir wurde selbst sehr nahegelegt tunlichst nicht von einer europäische Konferenz zu twittern, und ich werde mich auch hüten, solange ich noch im europäischen Forschungsumfeld arbeiten möchte. Ich sehe schon, dass amerikanische Kolleginnen damit weniger Probleme haben, aber Europa ist nicht die USA.
Behindert es die Öffentlichkeitsarbeit? Manchmal schon. Statt peinlicher Falsch-Meldungen passieren dann folgende Dinge.
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