Und was soll auch die ESA sagen, wenn ein PI (also der wissenschaftliche Chef) sagt, dass kein Geld da ist, um Wissenschaft, geschweige denn Datenarchivierung und PR zu machen? Die verwalten auch den Mangel und sind an Verträge gebunden und die sehen nun mal vor, dass die Daten erst einmal den WissenschaftlerInnen gehören. Für normalerweise 6 Monate.

Ach ja und es wird immer wieder die NASA als großes Vorbild in der Diskussion genannt. Sogar NASAs Kepler hat eine Verlängerung der Eigentumsphase durchgesetzt, weil sie  Angst hatten, dass jemand anders ihnen mit der Publikation zuvorkommen könnte. Und brachen damit dann sogar ihre eigenen Regeln. Weil Publikationen dass allerallerwichtigste ist, weil die Leute sonst keine Förderanträge kriegen, um Ihre auf Zeitverträgen sitzenden MitarbeiterInnen bezahlen zu können.

Warum machen wir eigentlich noch weiter?

Aus demselben Grund, warum wir dann doch ab und an Zeit für PR finden. Weil es ‘leider geil’ ist. Es ist ja spannend und unser Herzblut hängt dran. Weil Forschung, wenn es denn halbwegs funktioniert auch unheimlich befriedigend ist. Es ist ja auch nicht so, dass in der freien Wirtschaft alles supi ist. Zumindest für eine Weile hält das Gefühl, was wirklich einzigartiges zu machen, auch vor. Für mich persönlich, habe ich mich damit abgefunden, dass meine Rente vermutlich minimal sein wird und ich mit viel Glück vielleicht eine kleine Wohnung mein eigen nennen werde, wenn ich auf größere Urlaube verzichte. Dafür habe ich eben ‘geile Sachen’ gemacht, auf die ich stolz bin und die mir Spaß machen. Noch. Aber ich mache nicht (mehr) alles mit und dann suche ich mir eben, vielleicht irgendwann einen Job in der freien Wirtschaft. In den USA nehmen sie zumindest noch Leute, die spät von der Uni abgehen.

Was tun?

Nicht auf die Falschen einprügeln

Die ESA ist meiner Erfahrung nach noch die Organisation, die am ehesten auf Eurer Seite steht. Und mit Euch meine ich die, die an Forschung interessiert sind. Mit der ESA würde ich es mir nicht verscherzen, aber auch keine Wunderdinge erwarten. Sie sind an existierende Verträge gebunden, die sie im Alleingang nicht aushebeln können. Bei den ForscherInnen müsst Ihr verdammt aufpassen, dass die sich nicht noch mehr in die Enge getrieben fühlen, sonst gehen reflexartig die Scheuklappen hoch. Ich finde den offenen Brief an sich richtig, aber im Ton doch so, dass es mich nicht wundern würde, wenn KollegInnen sagen: Wir reißen uns bereits beide Beine aus, was wollt Ihr denn noch von uns?

Where is the money?

Ja, Ihr seid die SteuerzahlerInnen und im Grunde wissen die WissenschaftlerInnen, dass es ohne Euch gar nicht geht. Aber es ist nun mal eine riesige Kluft dazwischen. Ihr drückt den ForscherInnen das Geld nicht direkt in die Hand. Das machen Eure VertreterInnen und deren Priorität liegt nicht auf Öffentlichkeitsarbeit. Dazu kommt noch, dass Raumfahrt Grundlagen-Forschung ist, die schon von vornherein benachteiligt ist gegenüber Forschung, die einen unmittelbar verständlichen materiellen Nutzen bringt. Wir haben hier das “Wozu-soll-es-gut-sein”-Problem. Auf jeden Raumfahrtenthusiasten kommen zehn andere, für die es eine sinnlose Geldverschwendung ist. Die sind auch SteuerzahlerInnen. Andererseits wissen die wenigsten Forschungsfans wie Forschung wirklich aussieht und wieviel Kampf und Frust dahinter steckt. Meine eigene Schwester konfrontiert mich regelmäßig mit völlig falschen Ideen, wie sie denkt, wie mein Alltag abläuft. Weil wir auch lange Zeit nichts gesagt haben. Vermutlich, um den Nachwuchs nicht zu verschrecken oder in der irrigen Hoffnung, dass es doch vielleicht wieder besser wird.

Also, wenn Ihr wirklich wollt, dass mehr PR geschieht, dann hat die europäische Forschungslandschaft als Ganzes mehr Geld nötig und vor allem muss langsam Schluss sein mit den elenden Zeitverträgen, die keinerlei Planungssicherheit bieten. Und es muss gezeigt werden, dass sich Öffentlichkeitsarbeit (und gute Lehre) sich wirklich lohnt.

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Kommentare (14)

  1. #1 Florian Freistetter
    Juli 18, 2014

    Danke für den Blick hinter die Kulissen! Sowas ist wirklich notwendig. Wenn man sich die Kommentare unter dem ESA-Statement ansieht, könnte man ja meinen, die ESA wäre eine fiese Bonzenorganisation, die rein aus Verachtung nicht mit dem Pöbel reden und Bilder teilen will… So scheinen das zumindest viele Kommentatoren dort zu sehen.

    Übrigens, hier ist die Rosetta-Facebookseite: https://www.facebook.com/RosettaMission?fref=ts

  2. #2 Jörg Zensen
    Bielefeld
    Juli 18, 2014

    Hallo Frau Carone,
    danke für Ihren bemerkenswerten Artikel. Auch ich habe mich wg. der schleppenden Veröffentlichungen der Rosetta-Bilder geärgert.
    Jetzt kenne ich auch die andere Seite ein wenig und kann es irgendwie nachvollziehen.

  3. #3 BerndB
    Juli 19, 2014

    Bin ich froh, nicht an einem öffentlich finanzierten Institut zu arbeten. Das hätte mir auch passieren können.

    Ich muss auch mal meine Meinung dazu loswerden.

    Ich habe mitlerweile den Eindruck gewonnen, dass das gesamte System umgekrempelt gehört. Meines Erachtens müsste in allen Gesellschaftsschichten ein Umdenken stattfinden. Vor allem ist es wichtig, dass den Politikern, bzw. eher der Bevölkerung, die dann die Politiker wählt, klar gemacht wird, dass Bildung nicht teuer ist und dauerhaft unterstützwerden sollte und dass das Geld dafür von Prestige-Projekten genommen werden kann, die eh keiner außer den Politikern haben will.

    Von daher ist euer Ansatz dies immer wieder in der ein oder anderen Form zu bloggen sehr lobenswert.

    Ich denke ja, dass die Anzahl der Publikationen nichts über deren Inhalt, bzw. Gehalt aussagt. Quantität ist nicht gleich Qualität. Aber irgendwie scheint uns diese Denkweise abhanden gekommen zu sein.

    Ich finde, man sollte schon in der Schule die wissenschaftlichen Fächer anders aufbauen. Es sollte gezeigt werden, wie man Erkenntnisse gewinnt und nicht einfach nur die Ergebnisse vermitteln.

  4. #4 Fliegenschubser
    Juli 19, 2014

    Danke für diesen Beitrag!!

  5. #5 CM
    Juli 19, 2014

    Wow! Ui! Chapeau!

    Was für ein Artikel! Im Grunde hast Du allerlei Aspekte genannt, die ich so (ungefähr) auch genannt hätte – bis auf das Potential des Crowdfundings (schön, aber zur Nische verdammt).

    Danke für den Artikel,
    hoffe er wird weit verbreitet,
    Christian

  6. #6 Stephan Goldammer
    https://twitter.com/StephGoldammer
    Juli 19, 2014

    Ich möchte auf das Bedingungslose Grundeinkommen hinweisen, mit dem die Einkommenssorgen von Wissenschaftlern gelöst wären.

  7. #7 Franz
    Juli 22, 2014

    Darf ich Sie drauf hinweisen, dass es in der Privatwirtschaft genauso zugeht ?

    Wir müssen um Aufträge kämpfen, diese nach Plan und wenn geht mit Gewinn größer 15% abarbeiten, müssen oft mittendrin abbrechen weil Geld fehlt wobei viel Enthusiasmus verloren geht, müssen parallel beim Kunden PR betreiben, dürfen keine Fehler machen, Weiterentwicklungen muss man sich erkämpfen oder gleich privat erledigen UND das Ganze OHNE den Vorteil einer Monopolstellung. Wenn dann Aufträge ausbleiben verlieren wir unseren Job.

    Ich verstehe, dass sie mit ihrer Situation nicht zufrieden sind, aber wenn man in einer ähnlichen Situation sitzt wirkt es befremdlich wenn jemand Monopole verteidigt.

  8. […] diskutiert worden. Es gibt Gründe für dafür. Sie liegt im europäischen Wissenschaftssystem, schreibt Ludmila Carone. Ich will hier etwas Anderes tun – positive Beispiele […]

  9. #9 CM
    Juli 22, 2014

    @Franz: Schon richtig – nur leider keine gute Analogie. Besser wäre vielleicht (!) der Vergleich mit einer F&E-Abteilung einer Firma im Kampf um Innovation, welche im Erfolgsfall Patente und damit zeitlich befristete Monopole für ihre Firma rausholt. Aber selbst der Vergleich trifft das Prozedere im akadem. Bereich nicht ganz.

  10. #10 Ludmila Carone
    Juli 22, 2014

    @Franz: Ein Wort “Patente”. Das gibt es doch in der Privatwirtschaft, oder nicht? Warum? Damit sich Investitionen in Entwicklung eines Produktes lohnen. Genau dem entsprecht die Eigentumsphase de Daten für Wissenschaftler für 6 Monate.

    Wie lange ist die Laufzeit eines Patentes? Ein bisschen länger, wenn ich mich recht entsinne,

    Und wenn Sie als 35jaehriger den Job verlieren, haben sie mit Erfahrung im Management und Entwicklung in der Regel kein Problem einen neuen Job zu finden. Ich musste mir allerdings schon mal bei einem Beratungsgespräch anhören, dass deutsche Firmen keine Leute nehmen, die zu lange an der Uni bleiben. Egal, was sie dort geleistet haben?

  11. #11 Ludmila Carone
    Juli 22, 2014

    @Franz

    Ach ja und um die Analogie mit der Privatwirtschaft fertig zu machen, müssten sie ihren Hauptbetrieb v.a. mit Auszubildenden und Teilzeitkräften fahren, weil es außer denen und dem Manager nichts groß mehr gibt.

    Ja, ich weiß, dass es sowas auch in der Privatwirtschaft gibt. Ich sag nur Gastronomie. Muss ich aber auch nicht gut finden sowas, v.a. wenn ich sehe zu was für einem Qualitätsverlust das führt.

  12. […] zum Thema Rosetta gestartet, Thema: “Sind wir schon da?” Update 22. 7.: Auch Ludmila Carone hat dazu etwas […]

  13. #13 Pilot Pirx
    Oktober 11, 2014

    Sehr geehrte Frau Carrone, danke für diesen Beitrag.
    Nur um mal eine Vorstellung von den Größenordnungen zu bekommen, wie hoch sind eigentlich die benötigten Fördergelder für eine durchschnittliche Arbeitsgruppe in Ihrem Umfeld?

  14. #14 Ludmila Carone
    Oktober 13, 2014

    @Pilot Pirx

    Junge Forscher kriegen für das Starten einer neuen Arbeitsgruppe etwa 2 Millionen für 5 Jahre. Für Instrumente gehen dann durchaus noch mal so 2 Millionen im selben Zeitraum drauf.

    Rosetta ist z.B. recht teuer mit 1 Milliarde, aber verteilt auf einen Zeitraum von 1992-2015. Es sind insgesamt 21 verschiedene Experimente auf Orbiter und Lander, also etwa 21 Arbeitsgruppen sind direkt beteiligt. Dann müssen noch die Techniker bezahlt werden, die die Sonde steuern und die Bodenstationen, also die Infrastruktur. Also so etwa 1 Million pro Jahr pro Arbeitsgruppe wird es wohl sein. Jede Arbeitsgruppe hat dann noch mal sicherlich einige andere Arbeitsgruppen als Partner, die dann auch von den Daten profitieren und typischerweise werden Erkenntnisse wie sie Rosetta bringen wird, noch in Jahrzehnten die Grundlage für neue wissenschaftliche Arbeit sein. Ich zitiere ja auch in meiner Arbeit z.B. die Daten von Galileo oder Mars Odyseem die jetzt auch schon Jahrzehnte eher sind.