Beispiel 1: Ich hab schon mitangesehen, wie KollegInnen sich quer über Europa über die zweite Nachkomma-Stelle eines Wertes stritten, um dann die Pressemitteilung nach Redaktionsschluss der europäischen Print-Medien rauszuhauen, um hinterher beleidigt zu sein, dass diese die Meldung gar nicht mehr gedruckt wurde.
Beispiel 2: Ich musste schon mal eine piss-langweilige Pressemitteilung raushauen, die nur eingefleischte Liebhaber der Materie unter den JournalistInnen aufgriffen, weil mein Auftraggeber darauf bestand, dass man erst einmal alle Institute und Beteiligten in voller Länge erwähnen musste, bevor endlich mal geschrieben werden konnte, worum es ging und warum das so toll ist. Umgekehrte Pyramiden-Struktur…pfff Es war viel wichtiger, die wichtigen Leute zu erwähnen.
Zu Ruhm und Ehre des Chefs/der Chefin
PR dient den einzelnen Arbeitsgruppen zuallererst einmal der Selbstbeweihräucherung. Öffentlichkeitsarbeit umfasst natürlich dann auch den Bildungsauftrag, aber gerade jetzt bei Rosetta hoffen sicherlich nicht wenige, dass Medienpräsenz ihnen beim Eintreiben von Forschungsgeldern hilft (ohne die alles zusammenbricht). Nach meiner Meinung ist letzteres – zumindest in Deutschland – ein Irrtum. Medienpräsenz interessiert die, welche letztendlich den ihn zugewiesenen Teil Eurer Steuergelder an die ForscherInnen verteilen, meiner Erfahrung nach herzlich wenig. Publikationen gehen über alles. Ach ja zum Bildungsanspruch: Nicht selten stehen Hochschul-Lehrer den Experimenten vor, die zwischendurch auch im Hörsaal sind. Sie haben also bereits einen dezidierten Bildungsauftrag, der zuallererst erfüllt werden muss.
Aufklärung der Öffentlichkeit wird außerdem nicht selten eher als Aufgabe der JournalistInnen gesehen und wenn die angeblich oder tatsächlich versagen, dann wird das dann leider auch als Bestätigung gesehen, sich noch weiter einzuigeln. Engagierte PressesprecherInnen und DiplomandInnen, DoktorandInnen und Postdocs haben so langsam verstanden, dass es allen Seiten hilft, auch mal was zu erklären. Aber es ist nicht unbedingt etwas, was bei den gestandenen WissenschaftlerInnen angekommen ist.
Es ist ja auch nicht so, dass das System die belohnt, die sich in Öffentlichkeitsarbeit engagieren. Es ist sogar eher das Gegenteil. In der Zeit könnte mensch ja Publikationen schreiben. Hab ich so bereits mehrfach über andere hinter vorgehaltener Hand gehört. Sogar von Leuten, die sich eigentlich rühmen für Öffentlichkeitsarbeit zu sein und Vorträge am DLR und Sternwarten geben.
Viele können es einfach nicht, weil sie es nie gelernt haben
Und selbst die, welche sich irgendwie die Zeit nehmen ab und an Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, sind teilweise nicht gut darin. Die andere Seite der Wahrheit ist allerdings auch, dass ich an der Uni Köln, die wahrlich nicht klein ist, in meiner gesamten Zeit dort nur einmal einen Medien-Kurs mitgemacht habe und ich wurde aufgrund der geringen Anzahl an Plätzen persönlich angesprochen, ob ich einen mitmachen wollte. Das Angebot kam von dem neuen Pressesprecher, der ganz erstaunt war, dass es sowas noch nicht gab. Woher sollen WissenschaftlerInnen es also lernen? Vor allem, bei all den anderen Dingen, die sie angeblich eigentlich tun sollten: Publizieren! Habe ich schon erwähnt, dass die, die an den Geldhähnen sitzen, v.a. auf die Publikationsliste gucken? Um dann zu entscheiden, welche Arbeitsgruppe weiterleben darf?
Es ist kaum Geld für PR da
Ich hab mal im Juni 2004 eine Veranstaltung im Rahmen des Venustransits organisiert, speziell für Schülerinnen. Ich musste förmlich bei allen mit bekannten Pressestellen betteln gehen, um genug Material für 300 SchülerInnen zum Verteilen zusammen zu bekommen. Und wir sprechen hier von Plastik-Tüten mit ESA-Aufschrift und Info-Broschüren mit einem gewissen Inhalt. Das lag auch nicht an den PR-KollegInnen, die sich ein Bein ausgerissen haben, um mir zu helfen. Es war einfach nicht mehr da, und es musste ja auch genug für andere übrig bleiben. Das hat mich damals als Frischling ziemlich erschüttert. Ich sehe auch nicht, dass es besser geworden ist.
Personalmittel sind auch nur begrenzt da. Die ESA kann es alleine von der Man-Power kaum mit der NASA aufnehmen. Ich selbst habe jahrelang als Doktorandin PR nebenher betrieben. Das ist übrigens die häufigste und kostengünstigste Variante. Der Chef/die Chefin drückt es einem jungen Menschen auf’s Auge, der Bock drauf hat.
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