Akute Geldnot
Wenn wir mal ganz, ganz ehrlich sind, dann haben wir schon zu wenig Geld, um Wissenschaft zu betreiben. Das Problem hatten deutsche WissenschaftlerInnen bei Huygens und Venus Express, dass auf einmal kein Geld mehr da war, um mit den Daten auch zu arbeiten. Es ist italienischen KollegInnen auf Mars Express passiert. Ach was rede ich, wir bekamen nach dem Start von Venus Express vom Chef mitgeteilt, dass leider die versprochenen Gelder nicht fließen würden, um die Radiowellen-Daten auszuwerten. Da hatten wir noch das Glück, dass wir bei Mars Express ein ähnliches Instrument an Bord hatten, die Infrastruktur stand und sich bereits bei MEX bewährt hatte, so dass zumindest die grundlegende operationelle Arbeit halbwegs nebenher erledigt wurde. Die zusätzliche Last wurde, solange bis wieder irgendwo Gelder aufgetrieben werden konnten, auf uns alle verteilt. Und es war ja nicht so, dass wir zu dem Zeitpunkt nicht alle bereits hackedicht mit Arbeit waren.
Meistens leiden so getroffene WissenschaftlerInnen still vor sich hin und versuchen irgendwo mal Geld locker zu machen, um irgend etwas auf die Reihe zu kriegen. Und solange arbeiten sie nebenher irgendwie dennoch mit den Daten, obwohl sie eigentlich noch tausend andere Dinge zu tun haben. Weil ja publiziert werden muss.
Man könnte natürlich einwenden, dass WissenschaftlerInnen das Publizieren verweigern könnten, solange kein Geld da ist. Nur tut das keiner, weil die nicht unbegründete Angst herrscht, dass man hinterher noch weniger Geld kriegt, weil man ja nicht genügend publiziert hat. Und ich hab schon live und in Farbe gesehen, wie Arbeitsgruppen fast gekillt worden sind, obwohl die super Ergebnisse raushauen und das ist ein weltweites Phänomen. Da blieben versprochene Gelder an einer entscheidenden Stelle einfach aus oder es wurden mal eben feste Stellen gestrichen oder irgendwer meinte sich mit irgendjemandem anlegen zu müssen und schon brach das ganze Kartenhaus zusammen. Das ist nicht lustig, v.a. wenn mensch denkt: Das könnte Dir auch passieren.
Im Falle von Huygens gab es zumindest mal einen öffentlichen Aufruf der europäischen Wissenschaftler, der es auch in die Presse schaffte. (Ich finde den Text aber leider nicht mehr. Ich glaube, es stand bei Spiegel-Online). Sonst kriegt man von dem mehr oder weniger stillem Leiden hinter den Kulissen nichts mit.
Und dann dieses gottverdammte Hochschulrahmen-Gesetz, das meiner Meinung nach der deutschen Wissenschaft das Genick gebrochen hat. Forschung wird im Moment v.a. von DoktorandInnen erledigt, ProfessorInnen sind derart gestresst vom Fördermittel eintreiben und dem sonstigen Verwaltungskram und Netzwerkpflege – sprich Konferenzen, ach ja und Lehre muss auch noch betrieben werden – dass eigentlich gar keine Zeit mehr bleibt, um den DoktorandInnen unter die Arme zu greifen. Letztere arbeiten immer noch zu oft für einen Hungerlohn und nach ein paar Jahren ist Schluss und dann kommt der/die nächste, die wieder eingearbeitet werden muss usw. usf.. Kurz: Es ist ein Kartenhaus, erwähnte ich schon.
Publikationen sind überlebenswichtig
Viele Forschungsgruppen stehen mit dem Rücken zur Wand. Und das letzte, was irgendeiner riskieren möchte ist, dass jemand anders als sie mit den Daten publiziert, für die sie Jahre ihres Lebens investiert haben. Und ja, da sind die KollegInnen paranoid. Ihr habt keine Ahnung wie paranoid. Weil es hier schlicht um die Existenz geht. Und es kommt ja auch vor. In nem Klima, wo es nur darum geht viel zu publizieren, werden dann schon mal Daten von Konferenzen ‘geklaut’. Ach ja und was steht im Artikel ‘Many high-profile journals, including Nature, have strict rules about authors publicizing data before publication.’
Wisst Ihr, was das heißt?
Wenn Ihr in Nature publizieren wollt, dann dürft Ihr die Daten nicht vorher rausgeben. Und high-profile journals sind wiederum genau das, was WissenschaftlerInnen brauchen, damit sie aus dieser Lotterie, zu der wissenschaftliche Arbeit langsam aber sicher verkommt, nicht rausfliegen. Es muss nicht nur viel publiziert werden, sondern auch noch in Edelpapern. Die, die damit ein Problem haben, verlassen das System. Die, die drin bleiben, haben sich damit arrangiert. Und jetzt ratet mal, ob das die sind, die gerne und gut PR betreiben?
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