https://www.pik-potsdam.de/~bloh/homepage/suw.html Christine Bounama, Werner von Bloh und Siegfried Franck
Habitable Zone im Laufe der Jahrmilliarden

Wir wissen einiges, über sonnen-ähnliche Sterne: Woraus sie bestehen. (Plasma, d.h. vollständig ionisiertes Wasserstoff und Helium mit etwas Dreck Metall (1)). Was in ihrem Inneren vorgeht. (Kernfusion!)

Wie sie entstehen. (Kollaps einer Gaswolke unter Eigengravitation).

Ja, sogar wie sie enden werden. (Erst Roter Riese dann weißer Zwerg.)

Wir wissen auch ungefähr, wie lange sie etwa sonnenähnlich bleiben werden: Die Sonne z.B. hat eine Gesamtlebensdauer von 10 Milliarden Jahren. Aber wo sie genau altersmäßig in ihrer Entwicklung stehen, das ist überraschend schwierig festzustellen – falls der Stern sich nicht ganz am Anfang oder ganz am Ende seiner Entwicklung vom Proto-Stern zum Roten Riesen befindet; oder vor unserer Haustür, wie unsere Sonne.

Ich weiß noch, wie ich ganz am Anfang meiner Doktorarbeit versucht habe herauszufinden, wie alt so ein Stern ist, um den ein Exoplanet kreist. Heraus kam – wenn ich den überhaupt Werte fand – z.B. Alter: 5 Milliarden Jahre plus/minus 3 Milliarden Jahre. Wenn so ein Stern insgesamt mindestens 10 Milliarden Jahre alt werden kann (2), ist das jetzt nicht soooo eine starke Aussage.

Aber warum ist es so verdammt schwer, dem Stern sein Alter anzusehen?

Das liegt vor allem daran, dass vom Gesichtspunkt eines Sterns die Hauptreihe- so nennt sich die sonnenähnliche Phase – eine recht langweilige Phase der Sternenentwicklung ist. Der Stern fusioniert zwar stetig Wasserstoff in seinem Inneren. Es ist aber leider nicht so, dass er außen eine genaue Tankanzeige trägt, die anzeigt, wie hoch der “Füllstand” an Wasserstoff im Inneren ist. Ok, der Stern wird im Laufe der Zeit etwas größer und heller, aber das sind Zunahmen um die 10% im Verlauf mehrerer Jahrmilliarden. Die Sternenmodelle geben aber von Anfang an “nur” eine Genauigkeit von 5-10% für den Sternenradius her. Das ist schon recht genau, wenn man bedenkt, dass wir da nie hin fliegen und Maß nehmen können. Außerdem..wozu genauer hinsehen? Es passiert ja eh nicht viel in der Zeit?

Eine vom Standpunkt des Sterns langweilige Frage ist für Planeten auf einmal überlebenswichtig

Laien mögen denken, dass es zu jedem Thema irgendwo AkademikerInnen gibt, die sich ihm Vollzeit widmen. Aber erstens sind wir gar nicht so viele und zweitens leben wir auch nicht von Luft und Liebe, sondern sind darauf angewiesen, dass uns jemand Geld zum Forschen gibt.  Gerade wenn es darum geht, Gelder zu einzutreiben, gewinnen natürlich die Forschungsanträge, die spektakulär klingen. Meiner persönlichen Einschätzung nach galten mittelalte sonnen-ähnliche Sterne bis Ende der 90er als ziemlich uninteressant. Das änderte sich erst so langsam, als die Exoplaneten entdeckt wurden.

Für Planeten – und vor allem mögliches Leben – sind langweilige Sterne nämlich super. Ihr wollt ganz sicher nicht einen variablen Stern (Leuchtkraft schwankt viel zu stark) oder einen blauen Riesen (lebt nicht lang und strahlt viel UV und Röntgenstrahlung) am Himmel stehen haben.

Für Leben auf einem Planeten nämlich können bereits 10% Unterschied in der Sonneneinstrahlung den Unterschied zwischen blühenden Landschaften und Tod und Vernichtung ausmachen. Tatsächlich verschiebt sich die habitable Zone im Laufe der Jahrmilliarden Jahre immer weiter vom Stern weg und wird auch enger.

https://www.pik-potsdam.de/~bloh/homepage/suw.html Christine Bounama, Werner von Bloh und Siegfried Franck

https://www.pik-potsdam.de/~bloh/homepage/suw.html
Christine Bounama, Werner von Bloh und Siegfried Franck. Die Verschiebung der habitablen Zone in unserem Sonnensystem, in der Vergangenheit und Zukunft. Tja, sieht nicht gut aus in 2 Milliarden Jahren.

Für PlanetenforscherInnen ist das Alter also verdammt wichtig. Wenn ich ein Sternensystem habe, von dem ich “nur” weiß, dass es zwischen 2 und 8 Milliarden Jahre alt ist, dann steckt ein Erd-Zwilling entweder gerade mitten im Archaikum – bildet also gerade erst Kontinente und seine (mehr oder weniger endgültige) Atmosphäre aus – oder aber wir haben einen geologisch inaktiven Planeten vor uns, ohne Plattentektonik und schützendes Magnetfeld, auf dem zu allem Übel das ganze Wasser verdunstet ist.

Ende Teil 1
Im  nächsten Teil, “Wie alt bist du strahlende Schönheit? (II) – Wie entlocken wir Dir Dein Geheimnis?”,  geht es dann um “Händchen-haltende Jungsterne”, Jo-Jos im Weltall und Sternenklänge.

P.S. Die Webseite von Werner von Bloh ist zwar nicht mehr ganz aktuell, aber schon mal ein guter Einstieg zum Thema habitablen Zone und v.a. auch in Deutsch: Wo kann es Zwillinge der Erde geben?

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(1) Alles, was nicht Helium und Wasserstoff ist, ist für AstronomInnen Metall. Warum auch immer.*Schulter zuck*
(2) Wenn wir als sonnen-ähnlich alles nennen, was etwa 0.2-1 Sonnenmasse hat. Es gibt da so eine Gruppe von Sternen mit Massen darüber, die man hier – aus gutem Grund – vernachlässigt, weil die einem so richtig Kopfschmerzen bereiten.

Kommentare (17)

  1. #1 Siskin
    Februar 12, 2015

    Sehr interessanter Blog!
    Aber – WARUM ist die habitable Zone am Anfang so breit?
    näher an der Sonne versteh ich ja grade noch, aber warum auch weiter weg?

  2. #2 Ludmila Carone
    Februar 12, 2015

    Das ist eine sehr gute Frage.
    Die habitable Zone hängt davon ab, wieviel Licht am jeweiligen Orbit ankommt und zwar pro Quadratmeter. Die Sonne strahlt mit einer gewissen Leuchtkraft, die sich aber in immer größerer Distanz auf eine immer größere Kreisfläche verteilt. D.h. das Licht pro Quadratmeter sinkt und zwar mit dem Quadrat des Abstandes zur Sonne.

    Hier ist ein schönes Bild dazu: https://en.wikipedia.org/wiki/Luminosity#mediaviewer/File:Inverse_square_law.svg



    Wenn Du jetzt für alle 3 Szenarien im Bild mit den habitablen Zonen, jeweils eine Kugelschale zwischen innerem Rand und äußerem Rand der habitablen Zone ziehst und das Volumen der habitablen Zone berechnest und nicht den Abstand, sollte dieses Volumen in allen drei Fällen konstant sein. Das dünner und dicker werden der habitablen Zone ist ein geometrischer Effekt.

    Ich hab Blödsinn erzählt. Das kommt davon, wenn man sich auf sein Bauchgefühl verlässt, als es nochmal mit dem spitzen Bleistift nachzurechnen 😉
    Was ElSaxo sagt, ist vollkommen richtig. Es ist die verminderte geologische Aktivität des Planeten, die dazu führt, dass ein habitabler Planet Temperaturschwankungen – egal in welche Richtung – nicht mehr so gut “verkraftet”.

  3. #3 Mystiker343
    Februar 12, 2015

    In Sternen finden keine Kernfusionen mit Radioaktivität statt, sondern möglicherweise kalte Fusionen.
    Im Übrigen ist das Universum nicht durch einen Urknall entstanden. Das Universum ist zeitlich und räumlich unendlich. Siehe dazu
    https://hauptplatz.unipohl.de/Wissenschaft/Hintergruende.htm
    Die Welt wurde auch nicht von Gott “erschaffen”, sondern existiert von Natur aus.
    edit L.C: Äääähhhh, nö, nö und whatever. Machen Sie sich auch bitte keine Mühe, dass jetzt weiter zu vertiefen. Sie haben Ihren Link gesetzt, wer sich da eingehender mit beschäftigen möchte, soll das gerne tun. Nur nicht hier 😉

  4. #4 ElSaxo
    Februar 12, 2015

    @Siskin
    Lies den Artikel, aus dem das Bild stammt:
    https://www.pik-potsdam.de/~bloh/homepage/suw.html
    Die habitable Zone wird schmaler, weil die geodynamischen Prozesse (Plattentektonik) mit dem Abkühlen des Planetenkerns mit der Zeit zunehmend zum Erliegen kommen. …
    … selber lesen

  5. #5 Ludmila Carone
    Februar 12, 2015

    @ElSaxo: Danke für die Korrektur.

  6. #6 RARunner
    Düsseldorf
    Februar 13, 2015

    Soso, der Mars war also möglicherweise innerhalb der habitablen Zone, und das gar nicht mal so kurz.
    Alles Gute an EvD zum kommenden 80igsten, vielleicht waren sie nur viel früher da ;-).

  7. #7 Siskin
    Februar 13, 2015

    hmm … vielen dank für den hinweis 😉
    (hätt ich auch selbst nachschaun können 😉 )

  8. #8 Alderamin
    Februar 13, 2015

    @Ludmila

    Es ist aber leider nicht so, dass er außen eine genaue Tankanzeige trägt, die anzeigt, wie hoch der “Füllstand” an Wasserstoff im Inneren ist. Ok, der Stern wird im Laufe der Zeit etwas größer und heller, aber das sind Zunahmen um die 10% im Verlauf mehrerer Jahrmilliarden. Die Sternenmodelle geben aber von Anfang an “nur” eine Genauigkeit von 5-10% für den Sternenradius her.

    Wie schaut’s denn aus, wenn man den Metallgehalt als Basis nimmt? Der nahm in der Milchstraße ja über die Zeit per Anreicherung durch Supernovae immer mehr zu, und je jünger ein Stern ist, desto mehr Metalle bekommt er am Anfang mit (und behält diesen Gehalt an der Oberfläche bei, wenn er nicht ein tief konvektiver M-Zwerg ist). Kann man an Sternhaufen (turn-off-point) kalibrieren.

    Mangels Durchmischung des interstellaren Gases zu ungenau?

  9. #9 Ludmila Carone
    Februar 13, 2015

    @Alderamin:
    Das ist tatsächlich eine der Methoden, um das Alter einzugrenzen. Man nimmt dazu den Lithium-Gehalt, der im Laufe der Lebenszeit eines Sterns abnimmt.
    https://journals.cambridge.org/download.php?file=%2FIAU%2FIAU5_S268%2FS1743921310004461a.pdf&code=240203ef3b1d47e20e528452fc6608c7
    Leider funktioniert die Methode schon bei der Sonne nicht mehr so richtig. Die Sonne hat geradezu notorisch “zu wenig” Lithium. https://en.wikipedia.org/wiki/Standard_solar_model#Lithium_depletion_at_the_solar_surface
    Es gibt sogar die Idee, dass Planeten den Prozess stören, der dazu führt, dass Lithium abnimmt. Indem sie irgendwie die Durchmischung und Verbrennung von Lithium in der stellaren auesseren Konvektionszone anregen.
    https://www.ast.cam.ac.uk/sites/default/files/talk_archive/Delgado_Mena_acrossHR_talk.pdf
    Es wird allerdings derzeit noch recht “heiß” diskutiert, ob tatsächlich Sterne mit Planeten alle zu wenig Lithium haben. Stand derzeit: Ja, ja, nein, ja, ja, nein (open end)

    Dazu kommt, dass der Metallgehalt des Sterns mit der Art und Anzahl der Planeten verbunden ist, d.h. wir bei Sternen mit Planeten eventuell eine “abartige” Untergruppe von Sternen haben.
    z.B. https://arxiv.org/abs/1405.7695
    Ich würde daher im Moment für Planeten-Systeme diese Methode nicht verwenden.

  10. #10 Alderamin
    Februar 13, 2015

    @Ludmila

    Danke für die umfangreichen Links.

    Wenn ich das richtig verstehe, ist die Besorgnis, dass Planeten den Lithiumabbau beeinflussen könnten, weil sie die Konvektion des Sterns beeinflussen und so mehr Lithium in den Kern gelangen kann, wo es schneller zerstört wird.

    Meine Idee wäre gewesen, den allgemeinen Metallgehalt der interstellaren Materie als Maß für die Zeit zu nehmen, in der der Stern entstanden ist.

    Z.B mit Eisen als Indikator. Zumindest kleinere Sterne erzeugen im Kern ja kein Eisen und bauen es auch nicht ab – und die größeren leben eh’ kurz, die sind für Euch Planetenjäger ja uninteressant. Der ursprüngliche Eisengehalt bliebe also das ganze Sternenalter über unangetastet. Eisen ist auch ziemlich häufig im All. Der Eisengehalt wäre also ein Maß für das Zeitalter, als der Stern entstand Stichwort z, Population I und II). Setzte aber eine gute Durchmischung der interstellaren Materie voraus, so dass der Eisengehalt zu jeder Zeit überall etwa gleich in der Milchstraße gewesen ist. Vielleicht ist das ja nicht gegeben.

    Auf jeden Fall ist es gut, wenn man eine zweite Methode hat, mit der man seinen Wert aus der Sternentwicklung abgleichen kann. Nur blöde, wenn die dann gar nicht zusammenpassen wollen. 🙁

  11. #11 Ludmila Carone
    Februar 13, 2015

    @Aldemarin: Ich denke, wir reden aneinander vorbei. Ich will überhaupt nicht wissen, ob der Stern aus der Population I und II ist. Also ich will eben nicht das Zeitalter relativ zum Big Bang aus.

    Ich will wissen, wo er auf der Hauptreihe steht. Also wie lange es her ist, dass die Wasserstoff-Fusion im Inneren des Protosterns eingesetzt hat. Denn da haben sich auch erst die Planeten geformt. Und damit gibt mir dieses Alter auch mehr oder weniger das Planetenalter.
    Der ursprüngliche Eisengehalt bliebe also das ganze Sternenalter über unangetastet.

    Tja und damit ist Eisen exakt ungeeignet, um das zu bestimmen, was ich haben will. Das Sternenalter. Ich brauch etwas, was sich während des Sternalters verändert und ich irgendwie eichen kann.

  12. #12 Ludmila Carone
    Februar 13, 2015

    @Aldemarin: Oh wait. Ich glaub, mir dämmert es so langsam. Meinst Du vielleicht, dass der Eisengehalt mit zunehmendem Alter des Universums stetig ansteigt, so dass Du den aktuellen Eisengehalt im Universum mit dem im Stern – sozusagen als Zeitpunkt der Sterngeburt – abgleichen willst, um dann aus der Differenz das Alter zu berechnen?

    Falls ja. Forget it!

    1. Ist es eben nicht klar, dass die Metallizitaet selbst in der Milchstraße überall gleich ist. Ich hab ne Kollegin, die daran arbeitet, deswegen weiß ich das.
    2. Ist Metallizitaet in nem Stern und dazu noch so ein Spurenelement wie Eisen, ist sehr schwer zu bestimmen. Die Fehlerbreiten sind da enorm.

  13. #13 Alderamin
    Februar 13, 2015

    @Ludmila

    Meinst Du vielleicht, dass der Eisengehalt mit zunehmendem Alter des Universums stetig ansteigt, so dass Du den aktuellen Eisengehalt im Universum mit dem im Stern – sozusagen als Zeitpunkt der Sterngeburt – abgleichen willst, um dann aus der Differenz das Alter zu berechnen?

    Exactement.

    Falls ja. Forget it!

    Alles klar, danke! Bin schon auf den (oder die?) folgenden Teil(e) der Reihe gespannt.

  14. […] Im ersten Teil  hatte ich erzählt, dass es wichtig ist zu wissen, wie alt ein sonnen-ähnlicher Stern ist. Um z.B. zu erfahren, ob ein Planet eher am Anfang, in der Mitte oder am Ende seines Lebens steht. Ich hatte aber auch erzählt, dass das gar nicht so einfach ist, weil man so einem Stern sein Alter erst einmal nicht ansieht. […]

  15. […] Erst hatte ich erzählt, warum es wichtig ist, dass Alter eines sonnenähnlichen Sterns zu kennen. Dann hatte ich erzählt, dass die Sternrotation eine super Methode ist, um das Alter festzulegen; und dass Sternenhaufen sich gut dazu eignen, um das Alter von vielen Sternen zu bestimmen. D.h. Alter und Rotation von Sternen aus Sternenhaufen können uns theoretisch sagen, ob unsere Ideen zur Verlangsamung der Sternrotation mit dem Alter auch stimmen. Diese Rotation-Alters-Relation könnte dann verwendet werden, um das Alter auch von den Sternen zu bestimmen, die nicht zu einem Sternenhaufen gehören. Und das sind weitaus die meisten Sterne, von denen wir wissen, dass sie einen Planeten haben. Dumm nur, dass die meisten Sternenhaufen sich spätestens nach einer Milliarde Jahre aufgelöst haben. […]

  16. #16 bugei
    Miriquidi
    April 24, 2015

    >>(2) Wenn wir als sonnen-ähnlich alles nennen, was etwa 0.2-1 Sonnenmasse hat. Es gibt da so eine Gruppe von Sternen mit Massen darüber, die man hier – aus gutem Grund – vernachlässigt, weil die einem so richtig Kopfschmerzen bereiten.<<
    Auch wenns das Thema zugegebenermaßen nur am Rande streift, welche Gruppe von Sternen meinst Du?

    Btw, ganz großes Danke an Florian und Dich… es ist ein Vergnügen, Eure Blogs zu lesen

  17. #17 Ludmila Carone
    April 25, 2015

    @bugei: Die so genannten F Sterne. Da wird es kompliziert und knifflig mit dem Sternenwind.