Warum rotieren die Sterne eigentlich immer langsamer?
Wenn man z.B, weiß, warum Hauptreihen-Sterne im Laufe ihres Lebens immer langsamer rotieren, und das gut genug versteht, dann kann man berechnen, zu welchem Alter welche Rotationsperiode passt. Wir könnten Gyrochronologie betreiben. Tatsächlich haben die ForscherInnen eine recht gute Idee, was da passiert und sie können es auch anhand der Sonne recht gut direkt nachzuvollziehen (3). Der Effekt nennt sich “magnetic braking” Um diesen Mechanismus zu erklären, finde ich es ganz nützlich eine anschauliche Analogie heranzuziehen – und die kommt aus der Raumfahrt.
Einige Raketenstufen werden in schnelle Rotation versetzt, um ihre Flugbahn zu stabilisieren. Die letzte Stufe der Rakete, welche die Mars-Sonde Phoenix in’s Weltall brachte, war z.B. so stabilisiert. Je nach Aufgabe des Satelliten muss man aber in einigen Fällen diesen Spin wieder loswerden, bevor der Satellit ausgebracht wird. Und das passiert auf eine – wie ich finde – sehr elegante und pfiffige Art und Weise ohne Treibstoff zu verschwenden und mit einem Minimum an Fehlern: Mit der Yo-Yo-Despin-Methode:
Hier ist eine schön detaillierte Beschreibung der Gleichungen dahinter. Im Grunde braucht man nur zwei Gewichte an je einem langen Faden, die beide um die Raumsonde gewickelt sind. Wenn die Verankerung der Gewichte gelöst wird, werden die beiden Massen an den sich selbst aufwickelnden Fäden nach außen geschleudert und dabei wird Drehimpuls vom Zentralkörper auf die beiden Massen transferiert. Und zwar wird weitaus weitaus mehr Drehimpuls transferiert, als wenn man die Massen direkt vom rotierenden Körper – ohne Fäden – abwerfen würde. In vielen Fällen werden die Fäden schließlich gekappt und die Massen ganz weggeworfen. Es ist ein bisschen so, wie das Beispiel mit dem Drehstuhl und den Hanteln, die man ausstreckt. Nur dass hier dann oft die “Hanteln” und die “Arme” hinterher entfernt werden.
So etwas ähnliches passiert auch bei sonnenähnlichen Sternen. So ein Stern stößt ständig geladene Partikel – also Plasma – als Sternenwind aus. Diese Teilchen sind also unsere Yo-Yo-Gewichte. Da der Sternenwind elektrisch geladen ist, “hängt” er erst einmal am Magnetfeld des Ursprung-Sterns fest. Genauer gesagt bewegen sich die Ionen und Elektronen in Korkenzieher-Bahnen entlang der Magnet-Feldlinien. Man könnte also die Magnetfeldlinien hier als imaginäre ” Fäden” sehen, an denen sich das Sternenwind-Plasma nach außen wickelt und dabei Drehimpuls weg trägt. Aber einer gewissen Distanz werden die “Fäden” sogar “gekappt”. Das Plasma wird immer schneller, wenn es sich von der Sonne weg bewegt und irgendwann wird es so schnell, dass es sich vom Magnetfeld in unmittelbarer Nähe zur Sonne lösen kann (4). Natürlich sind die Sternenwind-Teilchen winzig. Wir sprechen v.a. von Protonen und Elektronen. Aber davon wird zum einen eine durchaus große Menge ausgestoßen: Pro Sekunde stößt die Sonne etwa eine Million Tonne als Sonnenwind aus. Das Ganze passiert dann auch über einen sehr langen Zeitraum von Jahrmilliarden Jahren und der “Hebelarm” ist sehr lang: Bei unserer Sonne werden die “Fäden” etwa bei drei Sonnenradien-Entfernung “gekappt” (4).
Mit diesem Wissen, lässt sich die Verlangsamung der Sternrotation von jungen Sternenhaufen aus vorhersagen. Umgekehrt könnte man dann also theoretisch einer Sternrotation ein Alter zuweisen.
“Seufz” Ich hab mir das durchaus sehr genau angeschaut, und auch damit gearbeitet und es ist eben leider nicht ganz so simpel.
Es gibt Unsicherheiten in der Theorie, die immer größer werden, je weiter wir uns massen-mäßig von der Sonne entfernen. Unserer Sonne liefert leider “nur” einen einzelnen “Datenpunkt” in einem Massenbereich, der idealerweise 1.4-0.2 Sonnenmassen abdecken sollte. Zudem werden die Unsicherheiten der Kalibrierung immer größer, wenn wir von den jungen Sternenhaufen zu älteren Sternen hoch rechnen. Dann sind die jungen sonnenähnlichen Sterne aus den Sternenhaufen, die man zur Kalibrierung einsetzt, teilweise noch nicht “komplett” fertig. Sie sind in einer Zwischenphase zwischen Proto-Stern und einem ruhig vor sich hinstrahlendem sonnenähnlichen Stern. Und wenn diese Sterne gerade Planetensysteme bilden, kann die Interaktion mit der umgebenen Staub-und Gasscheibe auch einen Einfluss auf die Sternrotation haben. Diese protoplanetaren Scheiben wurden aber erst ab den 90ern so richtig untersucht – mit den Entdeckungen der Exoplaneten. Die Teleskope waren eben lange Zeit nicht so weit, die Planeten und Planeten-Entstehung sehen zu können. Es passiert also potentiell einiges mit der Sternrotation zwischen der Momentaufnahme, die uns die jungen Sternenhaufen liefern und einem eher mittelalten Stern, der vielleicht von einem habitablen Planeten umkreist wird. Und dann habe ich noch nicht damit angefangen, dass sich Sternrotationen sehr schwer messen lassen, wenn so ein Stern erst mal bei ner Rotationsperiode von 10 Stunden und darüber angelangt ist. Jahrelang hab ich Messungen zusammengetragen, die typischerweise so aussahen:
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