Michael Bachofner für das Center for Astronomy Harvard University

Erst hatte ich erzählt, warum es wichtig ist, dass Alter eines sonnenähnlichen Sterns zu kennen. Dann hatte ich erzählt, dass die Sternrotation eine super Methode ist, um das Alter festzulegen; und dass Sternenhaufen sich gut dazu eignen, um das Alter von vielen Sternen zu bestimmen. D.h. Alter und Rotation von Sternen aus Sternenhaufen können uns theoretisch sagen, ob unsere Ideen zur Verlangsamung der Sternrotation mit dem Alter auch stimmen. Diese Rotation-Alters-Relation könnte dann verwendet werden, um das Alter auch von den Sternen zu bestimmen, die nicht zu einem Sternenhaufen gehören. Und das sind weitaus die meisten Sterne, von denen wir wissen, dass sie einen Planeten haben. Dumm nur, dass die meisten Sternenhaufen sich spätestens nach einer Milliarde Jahre aufgelöst haben.

Nach einer Milliarden Jahre sind sonnenähnliche Sterne gerade erst ihren Kinderschuhen entwachsen und erdähnliche Planeten beginnen gerade erst soweit abzukühlen, dass sich die ersten Kontinente bilden können. Ein Stern wie unsere Sonne hat zu diesem Zeitpunkt noch neun Milliarde Jahre zu “leben”. Zwar gibt es durchaus gute Theorien, wie es zwischen einer und 10 Milliarden Jahre weitergeht mit der Rotation, nur finde ich das persönlich schon ein bisschen wackelig, wenn wir dazwischen nur die Sonne als einzig wirklich belastbaren Datenpunkt haben.

Um so mehr freue ich mich über die Arbeit von Soren Meibom und seinen KollegInnen, die am 29. Januar 2015 in Nature veröffentlicht wurde (1). Es gibt da nämlich tatsächlich einen Sternenhaufen, der ganze 2.5 Milliarden Jahre alt ist. Dieser Haufen heißt NGJ 6819 und wurde bereits von Caroline Herschel entdeckt, über deren Leben Florian letztens was erzählt hat. NGJ 6819 ist allerdings mit einer Entfernung von etwas 7200 Lichtjahren recht weit weg. Es wird also schwierig, die Rotation eines Sterns zu messen. Soren Meibom und co ist es nun gelungen, die Rotation dieser Sterne sehr genau zu vermessen und zwar mit Kepler. Aber zunächst einmal ein kleiner Exkurs.

Wie messen wir jetzt eigentlich Sternrotation? Doppler-Effekt und Sternendrehung

Die am weitesten verbreitete Methode – die aber leider nicht sehr genau ist – nutzt wieder einmal den guten alten Dopplereffekt und wendet ihn auf die Spektrallinien des Sterns an. Spektrallinien, das bedeutet, dass bestimmte Farben des Lichtes von der Sternenatmosphäre bzw. von den Atomen darin geschluckt werden. Das sind sehr eindeutige Linien, deren Wellenlängen – also Farbe – sich immer bestimmten Atomen zuordnen lassen. Und eben diese Linien werden durch die Rotation eines Sterns beeinflusst. Wenn ein Stern sich dreht, bewegt sich die eine Hälfte des Sterns in unsere Richtung, die andere Seite von uns weg. Wir sehen dabei allerdings immer “nur” den Anteil der Rotationsgeschwindigkeit der äußeren Sternenbereiche entlang unserer Blickrichtung. Da wir den Stern selbst nicht räumlich auflösen können, sehen wir diese ganzen Dopplerverschiebungen aller rotierenden Außenteile  des Sterns gleichzeitig – sowohl die in die blaue und als auch die in die rote Richtung. Dadurch erscheint die Spektrallinie breiter als sie es ohne Rotation sein sollte.

Brian E. Martin, The King's University College

Durch die Rotation eines Sterns kommt die eine Hälfte des Sterns auf uns zu, die andere bewegt sich von uns weg. Copyright: Brian E. Martin, The King’s University College

Allerdings ist die Sternrotation bei weitem nicht der einzige Effekt, der die Spektrallinien verbreitert, wie das auch hier auf der Webseite von Brian E. Martin erklärt wird. Temperatur und Druck und Turbulenzen auf dem Stern verändern ebenfalls die Spektrallinien. Je langsamer ein Stern rotiert, desto schwieriger wird es daher die Rotation von den anderen Einflüssen zu trennen. Ab 10 km/s – das entspricht etwa einer Sternrotation von 15 Tagen – wird es sehr, sehr schwer. Das ist aber leider genau der Bereich für den wir uns interessieren . Zur Erinnerung, unsere Sonne hat sogar eine Rotationsperiode von nur 27 Tagen.

Und hier kommt jetzt Kepler in’s Spiel.

NASA: Kepler (künstlerische Darstellung)

NASA: Kepler (künstlerische Darstellung)

Kepler war ursprünglich für die Planeten-Entdeckung und für die Astroseismologie konzipiert (zu letzterem erzähle ich demnächst mehr).  Dazu nimmt Kepler die Helligkeit von vielen Sternen mit sehr hoher Genauigkeit auf. Bei einigen dieser Sterne haben wir Glück, dass ihre Planeten – von uns aus gesehen – vor ihnen herziehen. Wir sehen einen Planetenschatten – einen Transit. Zufälligerweise liegen auch die Sterne aus dem Haufen NGJ 6819 in Keplers Blickrichtung. Weiterhin sieht man nicht “nur” Planeten, wenn man die Helligkeit eines Sterns genau aufzeichnet.

Sternenflecken als Indikator für Sternrotation

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Sonnenflecken-Kollage SOHO (ESA & NASA)

Unsere Sonne hat Flecken. Diese bilden sich aufgrund des Zusammenspiels zwischen Magnetfeld und dem “kochenden” Plasma auf der Sternenoberfläche. Wobei “kochend” durchaus wörtlich gemeint ist.


Das Brodeln auf der Sonnenoberfläche ähnelt durchaus dem Brodeln im heimischen Wassertopf. Tatsächlich handelt es sich in beiden Fällen um Konvektion. Auch sonnenähnliche Sterne haben Magnetfelder und Konvektion und stoßen Sternenwind aus. Sie haben also auch Sternenflecken. So ein Sternenfleck ist kühler als die umgebenen Plasmamassen und erscheint daher dunkler als die “ungestörte” Sternenoberfläche. Das Auftreten dieser Flecken führt also in einer genauen Aufzeichnung der Sternenhelligkeit – wie sie Kepler durchführt – zu einer Verdunkelung. Tatsächlich haben junge Sterne sogar richtig große Flecken.

Wie bei unserer Sonne entstehen und vergehen neue Sternenflecken auf sonnenähnlichen Sternen am laufenden Band. Aber sie leben meist lange genug, um mindestens zwei Sternrotationen mitzumachen. Und genau deswegen können wir auch anhand von Sternenflecken die Sternrotation bestimmen. Wir können bei einer Helligkeitaufzeichnung die Zeit zwischen dem Erscheinen von Sternenflecken messen. Da die Abstände verschiedener Flecken zueinander und auch der Zeitpunkt des Vergehens eines einzelnen Fleckens recht zufällig ist, werden wir zwar erst mal eine ganze Reihe willkürlicher Perioden sehen. Da aber die meisten Flecken lange genug leben, um einmal um den Stern herumgetragen zu werden, wird die Sternrotations-Periode immer und immer wieder auftauchen. Eine gute Frequenzanalyse des Sternenflecken-Auftauchens ergibt daher die Sternrotation – vor allem wenn man so hervorragende Daten hat wie Kepler sie produziert. Soren Meibom und co haben das Verfahren mit den Sternenflecken auf den 2.5 Milliarde Jahre alten Sternenhaufen NGJ 6819 angewandt und voila: Endlich wurde zumindest die Lücke zwischen einer und 4.5 Milliarden Jahre gefüllt. Ach ja und es passt auch ganz gut zu der Theorie, die ich im letzten Teil erwähnt hatte. Puh! Glück gehabt 😉

Und zum Abschluss habe ich dann noch das folgende tolle Video von Soren Meibom zur Entdeckung gefunden: Es lohnt sich, es anzuschauen.

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(1)  Meibom, S., Barnes, S., Platais, I., Gilliland, R., Latham, D., & Mathieu, R. (2015). A spin-down clock for cool stars from observations of a 2.5-billion-year-old cluster Nature, 517 (7536), 589-591 DOI: 10.1038/nature14118

Kommentare (3)

  1. #1 rolak
    Februar 27, 2015

    Zum Abschluß (?): Eine schöne, schön zu lesende Reihe!

  2. #2 Alderamin
    Februar 27, 2015

    @Ludmila

    Keplers K2-Mission guckt doch jetzt entlang der Ekliptik, da wird sicher auch M67 ins Blickfeld kommen. Schöner alter Sternhaufen (3,5-5 Milliarden Jahre), an dem man die Methode weiter kalibrieren kann.

  3. #3 Ludmila Carone
    März 1, 2015

    @Alderamin: Ja, das ist eine sehr gute Idee. Ich denke, da arbeitet auch jemand dran.