ResearchBlogging.org
Vor kurzem war es wieder soweit: Der bislang erdähnlichste Exoplanet wurde gefunden: Kepler-452 b. Was mir immer wieder bei solchen Entdeckungen fehlt – zumindest in den Standard-Medien – ist die Einordnung innerhalb dessen, was wir bis zu diesem Zeitpunkt bereits über Planeten wissen. Und was jetzt an diesem speziellen Planeten noch erdähnlicher ist als an dem Planeten davor und dem davor und dem davor. Die NASA macht das schon ganz gut in ihrem Press-Release-Kit. Aber da ja zumindest in Deutschland Wissenschaftsjournalismus ein Nischenprodukt ist und Sendeplatz sowieso zu rar ist für eine vernünftige Hintergrundstory, ist es vielleicht nicht verwunderlich, wenn dann eben das “Erde2.0”-Syndrom wieder hochgekocht wird.

Was macht Kepler-452b so besonders?

Kepler-452b ist aber tatsächlich ein Meilenstein, was man bereits daran erkennt, dass es der potentiell habitable kleine Exo-Planet mit der bislang längsten Umlaufperiode ist: Die beträgt etwa 385 Tage und ist damit nur etwas länger als die unserer Erde (1).

Die Ausmaße des Kepler-452-Systems verglichen mit unserem Sonnensystem und mit dem Kepler-186-System um einen kleinen kühlen Stern, dessen habitabler Planet bei uns in die Merkur-Umlaufbahn passen würde (NASA Ames/JPL-CalTech/R. Hurt)

Die Ausmaße des Kepler-452-Systems verglichen mit unserem Sonnensystem und mit dem Kepler-186-System um einen kleinen kühlen Stern, dessen habitabler Planet bei uns in die Merkur-Umlaufbahn passen würde (NASA Ames/JPL-CalTech/R. Hurt)

Habitabel heißt hier, dass der Planet sich im ‘richtigen’ Abstand zu seinem Zentralgestirn befindet. Die Sonneneinstrahlung darf nicht zu stark und nicht zu schwach sein. Die Bandbreite dieser Planetenorbits ist die habitable Zone. Dabei gilt, je kleiner der Stern, desto kühler ist er und desto näher liegt seine habitable Zone am Stern.

Die früher gemeldeten “erdähnlichsten” Planeten umkreisten kleinere Sterne mit kleineren Umlaufperioden. Das liegt erstens daran, dass Planeten mit kleinen Umlaufperioden leichter zu entdecken sind. Zweitens sind auch Planeten um kleine Sterne besser zu entdecken als um größere. Drittens sind kleinere sonnenähnliche Sterne weitaus häufiger als größere.

Sonnenähnliche Sterne nennen wir Wasserstoff-fusionierende Plasma-Ansammlungen im All, die einige Milliarden Jahre relativ stabil Licht und Wärme abgeben. Das umfasst genauer gesagt Hauptreihen-Sterne der Spektral-Klasse M, K, G und F mit Massen zwischen 10%-120% der Sonnenmasse. Unsere Sonne ist ein G-Stern – so wie Kepler-452. Genauer gesagt ist Kepler-452b der allererste entdeckte kleine Exoplanet um einen G-Stern, der sich auch noch in der habitablen Zone befindet. Das ist der Meilenstein.

Dazu muss man aber eben wissen, dass es verschiedene “Klassen” sonnenähnlicher Sterne gibt und das die auch noch unterschiedlich häufig sind. G-Sterne machen nur etwa 7% aller sonnenähnlicher Sterne aus, M-Sterne machen dagegen über 70% aus. Tatsächlich sind große Sterne seltener als kleine.

Kleine Kepler-Super-Erden (1-2 Erdradien) pro Spektralklasse der sonnenähnlichen Sterne. (NASA Ames/JPL-CalTech/R. Hurt)

Kleine Kepler-Super-Erden (1-2 Erdradien) pro Unterklasse der sonnenähnlichen Sterne.
(NASA Ames/JPL-CalTech/R. Hurt)

 

Was ist bei Kepler-452b anders als bei unserer Erde?

Allerdings ist Kepler-452b etwa 60% größer als unsere Erde und der Planet liegt etwa 1400 Lichtjahre weit weg, so dass wir in absehbarer Zeit nicht einmal seine Masse kennen werden. Dummerweise liegt der Übergang zwischen felsigen und kleinen Neptun-Planeten bei etwa 1.5 Erdradien. Damit kann es durchaus sein, dass Kepler-452b zwar in der habitablen Zone liegt, aber dummerweise eine zu dichte Atmosphäre hat, um flüssiges Wasser zu beherbergen, wenn er überhaupt eine feste Oberfläche hat. Aber auch wenn Kepler-452b eine Mini-Neptun ist, dann wäre das auch ok. Denn mit jeder Super-Erde lernen wir mehr über Planeten und damit, inwiefern unsere Erde etwas Besonderes unter allen Planeten in dieser Galaxie ist – oder eben nicht.

Denn die Datengrundlage auf Grund dessen wir beurteilen, ob ein Planet einer gewissen Größe felsig oder gasförmig ist, ist sehr dünn. Sie basiert auf ein, zwei Handvoll Planeten von denen wir Radius und Masse haben. Die Analyse, die bei der Entdeckung von Kepler-452b herangezogen wurde, basierte auf echten Masse-Messungen von gerade mal 16 Kepler-Planeten (2). Deswegen ist es auch dringend notwendig, die Natur dieser kleinen Super-Erden mit 1-2 Erdradien besser zu verstehen- bevor wir noch besser abschätzen können, welche Planeten habitabel sind.

Erde 2.0 – Brauchen wir das überhaupt?

Überhaupt stimme ich Ethan Siegel voll und ganz zu, dass es sogar verheerend ist, sich allzu sehr auf eine Erde 2.0 auf der Suche nach dem ersten wirklich habitablen Exoplaneten zu versteifen. Ich halt es durchaus für wahrscheinlich, dass wenn wir irgendwann tatsächlich einen Planeten um einen anderen Stern finden, der flüssiges Wasser und Wasserdampf-Wolken hat, er in vielen entscheidenden Punkten von der Erde abweichen wird. Ich werde dazu demnächst eine Serie anfangen, die das genauer ausführen wird, denn es gibt schon einige ausgefeilte Gedanken-Experimente (sprich Simulationen), die flüssiges Wasser unter recht überraschenden Bedingungen zulassen.

Außerdem finde ich diese ‘erdähnlichste Planet’-Nummer inzwischen recht billig und abgedroschen. Es lässt sich damit anscheinend gut Schlagzeilen machen, aber auf die Dauer ermüdet es schon. Die Satire-Sendung WDR2 hat schon gewitzelt, dass sich die Forscherinnen bitte erst dann wieder melden sollten, wenn sie eine Köln-ähnliche Stadt in einem deutschähnlichen Land auf einem erdähnlichen Planeten entdeckt haben (WDR2-Zugabe 18.7.2015). Kann ich sogar nachvollzoiehen. Wenn man kein(e) Expert(in) ist, dann ist es auch schwer, auf die Dauer Begeisterung für “wieder einen erdähnlichen Planeten” zu zeigen. Da hat auch Florian letztens schon was zu geschrieben.

Von daher höchste Zeit für eine ausführlichere Serie zum Thema: Der lange und vor allem spannende und überraschende Weg zum ersten habitablen Exoplaneten.

—————-
(1) Jon M. Jenkins, Joseph D. Twicken, Natalie M. Batalha, Douglas A. Caldwell, William D. Cochran, Michael Endl, David W. Latham, Gilbert A. Esquerdo, Shawn Seader, Allyson Bieryla, Erik Petigura, David R. Ciardi, Geoffrey W. Marcy, Howard Isaacson, Daniel Huber, Jason F. Rowe, Guillermo Torres, Stephen T. Bryson, Lars Buchhave, Ivan Ramirez, Angie Wolfgang, Jie Li, Jennifer R. Campbell, Peter Tenenbaum, Dwight Sanderfer, Christopher E. Henze, Joseph H. Catanzarite, Ronald L. Gilliland, & William J. Borucki (2015). Discovery and Validation of Kepler-452b: A 1.6-Re Super Earth Exoplanet
in the Habitable Zone of a G2 Star The Astronomical Journal 150 : 56 (2015) arXiv: 1507.06723v1

(2) Geoffrey W. Marcy, Howard Isaacson, Andrew W. Howard, Jason F. Rowe, Jon M. Jenkins, Stephen T. Bryson, David W. Latham, Steve B. Howell, Thomas N. Gautier III, Natalie M. Batalha, Leslie A. Rogers, David Ciardi, Debra A. Fischer, Ronald L. Gilliland, Hans Kjeldsen, Jørgen Christensen-Dalsgaard, Daniel Huber, William J. Chaplin, Sarbani Basu, Lars A. Buchhave, Samuel N. Quinn, William J. Borucki, David G. Koch, Roger Hunter, Douglas A. Caldwell, Jeffrey Van Cleve, Rea Kolbl, Lauren M. Weiss, Erik Petigura, Sara Seager, Timothy Morton, John Asher Johnson, Sarah Ballard, Chris Burke, William D. Cochran, Michael Endl, Phillip MacQueen, Mark E. Everett, Jack J. Lissauer, Eric B. Ford, Guillermo Torres, Francois Fressin, Timothy M. Brown, Jason H. Steffen, David Charbonneau, Gibor S. Basri, Dimitar D. Sasselov, Joshua Winn, Roberto Sanchis-Ojeda, Jessie Christiansen, Elisabeth Adams, Christopher Henze, Andrea Dupree, Daniel C. Fabrycky, Jonathan J. Fortney, Jill Tarter, Matthew J. Holman, Peter Tenenbaum, Avi Shporer, Philip W. Lucas, William F. Welsh, Jerome A. Orosz, T. R. Bedding, T. L. Campante, G. R. Davies, Y. Elsworth, R. Handberg, S. Hekker, C. Karoff, S. D. Kawaler, M. N. Lund, M. Lundkvist, T. S. Metcalfe, A. Miglio, V. Silva Aguirre, D. Stello, T. R. White, Alan Boss, Edna Devore, Alan Gould, Andrej Prsa, Eric Agol, Thomas Barclay, Jeff Coughlin, Erik Brugamyer, Fergal Mullally, Elisa V. Quintana, Martin Still, Susan E. hompson, David Morrison, Joseph D. Twicken, Jean-Michel Désert, Josh Carter, Justin R. Crepp, Guillaume Hébrard, Alexandre Santerne, Claire Moutou, Charlie Sobeck, Douglas Hudgins, Michael R. Haas, Paul Robertson, Jorge Lillo-Box, & David Barrado (2014). Masses, Radii, and Orbits of Small Kepler Planets: The Transition from
Gaseous to Rocky Planets Geoffrey W. Marcy et al. 2014 ApJS 210 20 arXiv: 1401.4195v1

 

Kommentare (14)

  1. #1 dgbrt
    Juli 29, 2015

    Also ich würde den Planeten mal zwischen Mega-Venus und Mega-Mars einstufen. Neptun halte ich da für einen falschen Vergleich. Das zeigt gerade insbesondere New Horizons.

    Aber bevor wir nicht nicht in der Lage sind, spektroskopische Untersuchungen an den Planeten vornehmen zu können, ist das alles Spekulation.

    Oh, und Kepler hat nur einen sehr kleinen Teil unserer Milchstraße beobachtet, die meisten Planeten, alle die keine Bedeckung verursachen sind ihm entgangen, was ist da noch alles?

  2. #2 Lutz Donnerhacke
    Juli 29, 2015

    Danke vor allem für die Einordnung und die Größenverhältnisse. Das Bild ist instruktiv.

  3. #3 Ludmila Carone
    Juli 29, 2015

    @dgbrt: Neptun halte ich da für einen falschen Vergleich
    Tut mir leid, aber Du gehst immer noch zu sehr von unserem Sonnensystem aus. So etwas wie die gasförmigen Super-Erden haben wir nämlich nicht bei uns. Das ist was ganz Neues. Und deswegen täuschst Du Dich ganz gewaltig. Neptun ist tatsächlich der richtige Vergleich und das erkennt man anhand der Dichte der Planeten.

    Hätte ich vermutlich zufügen sollen. Sorry!

    Erde und Venus haben eine ziemliche ähnliche Durchschnittsdichte von etwa 5 Gramm/Zentimeter^3. Auch wenn die Venus-Atmosphäre uns sehr dicht vorkommt (90 bar!) Ist sie verschwindend gering gegen die von Neptun mit einer Dichte von gerade mal 1.64 Gramm/Zentimeter^3.

    Von einigen Super-Erden kennt man Radius und Masse und kennt dadurch die Dichte. Und die streut gewaltig zwischen Felsplaneten-Dichten und die von Gasplaneten . und sogar darunter (!). (Siehe zum Beispiel hier: https://beyondearthlyskies.blogspot.be/2013/10/an-extremely-low-density-super-earth.html>

    Vermutlich müssen wir da ganz neue Planeten-Kategorien aufmachen.

    Das zeigt gerade insbesondere New Horizons.

    New Horizons ist toll, aber ich versteh nicht ganz wie das hier hin passt?

    ist das alles Spekulation
    Na ja, soooo schlimm ist es auch wieder nicht 😉 Eine mittlere Dichte ist schon sehr aussagekräftig und gibt einem schon ganz gute Ideen. Zum Glück sind wir ja nicht im Fernsehen und können wild irgendwelchen neuen Elemente erfinden. Planeten bestehen immer noch aus bekannten Feststoffen und Gasen und wir wissen sogar woraus so eine protoplanetare Wolke besteht – Es gibt da diverse solcher Objekte, die unter Beobachtung stehen.

    bevor wir nicht nicht in der Lage sind, spektroskopische Untersuchungen
    Sind wir gerade dabei. Z.B. hab ich hier letztes Jahr drüber geschrieben: https://scienceblogs.de/planeten/2014/09/26/wolken-sind-boese-fuer-die-exoplanetenforschung-und-hat-p-11b-hat-vermutlich-keine/

    Kepler hat nur einen sehr kleinen Teil unserer Milchstraße beobachtet
    Ja, dafür gab es einen Grund und wir sind gerade dabei das zu ändern. Erzähl ich was zu in meiner Serie.

    Allerdings kann man festhalten, dass Kepler auch tausende und tausende von Sternen abgesucht und über tausend Planeten gefunden. Wenn wir eins aus Jahrhunderten von Forschung gelernt haben, dann dass es keine großen “speziellen” Orte im Weltall gibt. Außerdem gibt es noch andere Programme, die andere “nicht-transitierende” Planeten anschauen. HARPS z.B. Und deren Ergebnisse passen hervorragend zu Kepler. Erzähl ich aber demnächst was mehr zu.

  4. #4 Alderamin
    Juli 30, 2015

    @Ludmila

    Falls der Planet felsig sein sollte, wäre es dann plausibel, dass er eine Wasserwelt ist? Je größer die Masse, desto mehr flüchtige Stoffe sollten doch gehalten werden können und desto mehr Asteroiden mit flüchtigen Anteilen sollten aufgesammelt worden sein. Weiter weg vom Stern eher Gase, weiter innen eher Stoffe mit höherem Schmelzpunkt, i.e. Wasser (und noch weiter innen nur noch Gestein und Metalle).

    War es wesentlich für die Wassermenge der Erde, dass die Erde beim Einschlag von Theia ihr Wasser größtenteils verlor und das Jupiter durch das Late Heavy Bombardment eine geringe Menge Wasser wieder aufgefüllt hat? Wäre sie ohne Theia vielleicht selbst schon zur Wasserwelt geworden?

    Ich finde es beachtlich, dass es auf der Erde genau so viel Wasser gibt, dass noch so viel trockenes Land herausragt. Die doppelte Menge, und es gäbe nur ein paar Inselchen dort, wo heute Berge von mehr als 6000 m Höhe stehen.

  5. #5 Ludmila Carone
    Juli 30, 2015

    @Alderamin
    Du stellst Fragen 😉

    Die Sache mit dem Wasser auf der Erde und wo das herkommt (ausgegast oder von aussen eingetragen) und inwiefern da der Einschlag von Theia ne Rolle spielt…Alles noch heiß diskutierte Forschungsthemen, die ich interessiert am Rand verfolge, wo ich ab und an Kolleginnen nach dem Stand frage (Letztes Jahr hieß es noch: Unentschieden).

    Theia ist allerdings derart früh in der Entwicklung der Erde eingeschlagen, dass es jetzt davon abhängt ob man denkt, dass das Wasser v.a. ausgegast oder von Kometen eingetragen wurde. Im ersten Fall hat es nen Einfluss, im zweiten Fall nicht.

    Ich hoffe ja insgeheim, dass es hier umgekehrt zu einem Wissenstransfer von den Exoplaneten zur Erde kommt. Dass der Wassergehalt von kleinen Exoplaneten uns etwas darüber verrät, welcher Mechanismus das Wasser auf der Erde eingetragen hat.

    Es gibt da z.B. die Vorhersage, dass Planeten in engen Umlaufbahnen um kühle Sterne weniger Wasser haben müssten als die weiter außen- (wenn man Kometen als Hauptwasserspender sieht), weil es anscheinend schwerer ist, weiter innen genug Kometen einzufangen.

  6. #6 dgbrt
    Juli 30, 2015

    @Ludmila
    Diese Diskussion im Allgemeinen ist sehr spannend. Aber wenn ein Team erklärt, dass sie die Masse eines Exoplaneten bestimmen konnten, damit dann natürlich auch die Dichte, sollte man das erst mit völlig anderen Messmethoden verifizieren können.

    Bei einem älteren Sonnensystem funktioniert ein Neptun zwischen Erde und Venus einfach nicht. Der Neptun besteht zum größten Teil aus Wasserstoff und Helium (insgesamt 99%), Methan sind dann ca. 0,5%, alles Andere lasse ich mal weg.

    Nach der Maxwell-Boltzmann-Verteilung verschwinden diese leichten Elemente bei den Temperaturen sehr schnell.

    Die Erde war vielleicht auch schon zu einem kleine Neptun herangewachsen bevor unsere Sonne gezündet hat. Auf der Erde war es gerade kalt genug, um Teile des Wasserstoffs zu Wasser zu binden. Auf der Venus war es dafür immer zu heiß und der Mars ist einfach zu klein.

    Und ich kann mir durchaus exotische Exoplaneten vorstellen und erklären. Ein Hot-Jupiter sieht überhaupt nicht aus wie unser Jupiter. Der ist so schwer, dass an seiner äußeren Atmosphäre die Anziehungskraft ausreichend ist, um diese leichten Elemente halten zu können. Die Dichte in der Oberschicht der Atmosphäre muss aber wesentlich höher sein.

    Ein Neptun ist dafür aber zu klein.

  7. #7 Alderamin
    Juli 30, 2015

    @dgbrt

    Bei einem älteren Sonnensystem funktioniert ein Neptun zwischen Erde und Venus einfach nicht.

    Nope. Gliese 436 soll mehrere Milliarden Jahre älter als die Sonne sein.

    Die Erde war vielleicht auch schon zu einem kleine Neptun herangewachsen bevor unsere Sonne gezündet hat. Auf der Erde war es gerade kalt genug, um Teile des Wasserstoffs zu Wasser zu binden.

    Nein. Die Erde hat den primordialen Wasserstoff mangels Gravitation nicht lange halten können und ihn auch nicht an Sauerstoff gebunden, da die Uratmosphäre reduzierend war (erst Bioaktivität reicherte sie mit Sauerstoff an). Das Wasser der Erde kam als Wassereis auf die Erde, vermutlich aus Asteroiden (die Isotopenhäufigkeit im Erdwasser passt nicht zu den meisten Kometen, wohl aber zu Asteroiden).

    Neptun ist übrigens auch nicht da entstanden, wo er heute ist, sondern wurde von Jupiter und Saturn nach außen geschoben. Uranus ebenso. Sagt das Nizza-Modell jedenfalls. Und heiße Gasriesen können umgekehrt weiter weg von ihrem Stern entstehen und dann nach innen wandern. So entstehen höchstwahrscheinlich die Hot Jupiters und Hot Neptunes. Die sich im wesentlichen von ihren kalten Geschwistern durch aufgeblähtere Atmosphären unterscheiden.

  8. #8 Ludmila Carone
    Juli 31, 2015

    @dgrbt
    Aber wenn ein Team erklärt
    Erst mal ist es nicht ein Team. Es sind Dutzende. Ich war selbst Teil des Teams das an der Dichte von CoRoT-7b gearbeitet hat. Ich empfehl Dir mal folgende Datenbank zum stöbern. https://www.exoplanet.eu/

    Ansonsten hab ich damals sogar darüber live gebloggt, als wir das veröffentlicht haben. Das ist jetzt 6 Jahre her.
    https://scienceblogs.de/planeten/2009/02/03/corot-entdeckt-ersten-transitierenden-terrestrischen-planeten/

    erst mit völlig anderen Messmethoden
    Masse wird mit der radial velocity Methode gemessen und der Radius mit der Transit Methode. Das sind bereits zwei verschiedene Methoden. Beides zuammen= Dichte!

    Und dann haben wir noch das gravitational micro-lensing, um Masse zu bestimmen. Ne ganz andere Methode. https://news.nd.edu/news/8100-new-planet-found-icy-ldquosuper-earthrdquo-dominates-distant-solar-system/
    Science! It works!

    Des weiteren, muss das Ergebnis reproduzierbar sein. Es wäre schön, wenn man mehrere Mess-Methoden hätte, aber manchmal hat man die einfach nicht. Wenn man dann aber mehrere solcher Ergebnisse von verschiedenen Teams hat, die das alle gar nicht erwartet haben. Tja.

    Maxwell-Boltzmann-Verteilung

    Lies einfach mal ein paar Paper von meinem geschätzten Kollegen Helmut Lammer dazu, der ganz klar sagt, dass “thermal escape”, dass was Du vorschlägst, uninteressant ist. Viel wichtiger als Atmosphären-Erosions-Prozess ist der stellare Wind und XUV. Aber selbst dann kannst Du unter bestimmten Bedingungen nen Mini-Neptun kriegen.

    Hier das letzte zum Beispiel:
    https://adsabs.harvard.edu/abs/2014MNRAS.439.3225L

    Schon der abstract sagt es:
    more massive `super-Earths’, which can accumulate a huge amount of nebula gas, lose only tiny fractions of their primordial hydrogen envelopes. Our results agree with the fact that Venus, Earth, and Mars are not surrounded by dense hydrogen envelopes, as well as with the recent discoveries of low density `super-Earths’ that most likely could not get rid of their dense protoatmospheres.

    Du musst das schon wirklich, wirklich durchrechnen:
    Welche Temperatur, Eigengraviitation, Fluchtgeschwindigkeit? Wie sah der protoplanetare Nebel aus? Und dann erodiere mal 5 Erdmassen an Wasserstoff-Helium mit ein paar Beimischungen von schwereren Elementen.
    2) funktioniert ein Neptun zwischen Erde und Venus einfach nicht.
    Doch tun sie. Wir haben bereits einige Objekte, die ganz klar, das Gegenteil zeigen. Von verschiedenen Teams. Das ist bestätigtes Wissen. Das ist ja, das Feine an Exoplanten-Forschung. Dass es “so einfach” nicht ist, wenn man genau hinsieht und bereit ist, dass was man bislang meint über Planeten zu wissen, zu hinterfragen.

    Für Dich mag das jetzt “mind blowing: sein, weswegen Du Dich anscheinend so sehr dagegen sträubst, aber für mich und meine Kolleginnen ist das schon fast ein alter Hut 🙂

    Ist ok, kenne ich schon. Als damals vor 20 Jahren der erste Hot Jupiter entdeckt wurde und die ersten Leute anfingen zu erklären, dass so Jupiter-Planeten riesige Distanzen durch ihr Planeten-System wandern können, gab es da auch genügend Leute und durchaus auch gestandene Forscherinnen, die meinten “das kann einfach nicht sein” 🙂

    P.S.:
    Du hast ein völlig falsches Bild von Planeten-Entstehung. Erst entsteht der Stern, dann die Planeten.
    https://scienceblogs.de/planeten/2008/08/07/eine-kurze-geschichte-der-planetenentstehung/

    Und die Atmosphäre der Erde wurde aus dem felsigen Inneren ausgegast, sie stammt nicht aus der proto-planeteren Gasscheibe. Wir nennen das eine sekundäre Atmosphäre, die sich bildet, nachdem die primäre Atmosphäre aus Wasserstoff-Helium wegerodiert wurde. Was @aldemarin bereits sagte.

  9. […] Es wird Zeit die Entdeckung eines yet another earthlike planets mal einzuordnen: Ludmilla macht das in gewohnter Professionalität. […]

  10. #10 Sebastian D
    Göttingen
    August 3, 2015

    ich habe als Laie mal eine Frage

    Zitat: Von einigen Super-Erden kennt man Radius und Masse und
    kennt dadurch die Dichte.

    Wie ist es möglich auf diese Entfernungen die Masse abzuleiten?

    lg Sebastian

  11. #11 Ludmila Carone
    August 4, 2015

    @Sebastian: Dichte ist Masse/Volumen. Masse hat man. Planeten sind sehr gute Annäherungen an Kugeln. Für die Berechnung des Volumens einer Kugel braucht man nur den Radius. Den hat man.

    Voila: Dichte.

    Hatte ich hier mal exemplarisch durchgerechnet:
    https://scienceblogs.de/planeten/2009/02/03/corot-entdeckt-ersten-transitierenden-terrestrischen-planeten/

    Arrg. Und ich hab beim Überfliegen, die falsche Frage beantwortet. Sorry!

    Also, die Sache mit den Massen: Die Antwort, von hinten durch die Brust in’s Auge 🙂

    Hast Du mal einen Hammerwerfer gesehen, wenn der am Anfang seinen Hammer herumschleudert? Das sieht ziemlich seltsam, weil er sich so eierig bewegt. Das liegt daran, dass der Hammer richtig schwer ist und man in dem Fall sieht, dass der Hammer und der Hammerwerfer sich um den gemeinsamen Schwerpunkt bewegen, dessen Lage sich aus der Distanz der Körper zueinander und den beiden Massen berechnen lässt.

    Das ist bei Sternen und Planeten ebenso. Wenn man die Sternenmasse kennt und den Abstand des Planeten zum Stern (den kennt man über Kepler’s drittes Gesetz), dann kann man die Planetenmasse herausfinden, wenn man die “Eierbewegung des Sterns” um den gemeinsamen Schwerpunkt messen kann. Wenn die Bahnebene der Sterns ungefähr parallel zu unserer Blickrichtung liegt, dann bewegt sich der Stern periodisch auf uns zu und wieder weg. Dabei wird das Licht des Sterns Doppler-verschoben. Wie die Krankenwagen-Sirene. Im Falle von Licht eben in’s Blaue und in’s Rote. Und da Sterne nicht irgendwie “rumstrahlen” sondern so genannte scharfe Spektrallinien besitzen kann man anhand des “Wackeln” dieser Linien, die Planetenmasse berechnen.

    Stichwort: Radialgeschwindigkeitsmethode oder Doppler-Methode und Astrometriemethode. Hatte ich hier mal erklärt.
    https://scienceblogs.de/planeten/2009/06/05/der-stern-der-sichtbar-von-einem-planeten-rumgeschleudert-wird/

    • #12 Sebastian D
      August 6, 2015

      vielen dank für die Antwort. werde mir mal den link anschauen und versuchen das zu verstehen 🙂

      habt wirklich ne tolle Seite hier. bringt mich als interessierten Laien gut an die Themen die mich interessieren heran.

  12. #13 Steffmann
    August 9, 2015

    @Ludmilla:

    ch werde dazu demnächst eine Serie anfangen, die das genauer ausführen wird, denn es gibt schon einige ausgefeilte Gedanken-Experimente (sprich Simulationen), die flüssiges Wasser unter recht überraschenden Bedingungen zulassen.

    Auf die Serie freue ich mich. Aber ich denke, Exobiologen würden anmerken, dass nur flüssiges Wasser eben nicht ausreicht. Es braucht Mineralien bzw. Nährstoffe, der pH-Wert sollte zwischen 6,5 und 7,2 liegen, etc. Vielleicht kannst du diese Anmerkung in deine Serie noch einbauen. Bin sehr gespannt !

  13. #14 Fabian
    https://teleskop-kaufen.org/
    September 18, 2015

    Unglaublich spannend. Bin mal gespannt, wann wir Menschen dazu in der Lage sind weit Strecken im All zurück zu legen 😉