Die Sonne ist nicht nur Lebensspender, sie gab und gibt uns immer wieder Rätsel auf. Lord Kelvin konnte nicht glauben, dass die Sonne mehr als 100 Millionen Jahre alt ist. Das ist allerdings auch verständlich: Der Mechanismus, der die Sonne ‘antreibt’  – die Kernfusion – war damals noch nicht bekannt. Und erst 1925 fand Cecilia Payne heraus, dass die Sonne vor allem aus Wasserstoff besteht und nicht z.B. aus Eisen. Dieses Resultat schien damals so phantastisch, dass Dr. Payne erst nicht geglaubt wurde. Inzwischen wissen wir, dass Cecilia Payne recht hatte und dass die Sonne auch nicht aus Gas, sondern einem viel phantastischeren Material besteht: Plasma.

Heißer Kern, ‘kühle’ Oberfläche…anormal heiße Krone (Korona)

Aber ein großes Rätsel bleibt noch: Warum die äußerste Sonnenschicht – die Korona – so unglaublich heiß ist. Normalerweise ist die Atmosphäre/Plasmahülle eines Himmelskörpers innen (bei größerem Druck) heißer als außen (bei niedrigerem Druck) (1).

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Schematischer Aufbau der Sonne (Wikimedia)

Das ist bei der Sonne auch so. Die Temperatur nimmt von innen (von schnuckelig warmen 14 Millionen Kelvin) nach außen hin ab (auf verhältnismäßig kühle 5800 Kelvin) – bis wir auf die Korona stoßen. Die Korona ist wieder mehr als 1 Million Kelvin heiß und damit etwa tausendmal heißer als die darunterliegende Schicht, die Photosphäre. Die Photosphäre ist übrigens die Schicht, welche das Sonnenlicht aussendet, das uns auf der Erde erreicht  und das ohne große Probleme durch die Korona hindurchgeht. Die Korona ist nämlich nicht nur extrem heiß, sondern auch sehr dünn – (10-12 mal so dünn wie die Photosphäre oder ein Millionstel von einem Millionstel), und nur bei einer kompletten Sonnenfinsternis für unser Auge sichtbar.

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Die Korona während der Sonnenfinsternis 1999 (Wikimedia)

Die große Hitze der Korona im Vergleich zur Photosphäre verrät uns, dass irgendwo eine Heizung in der Korona existieren muss – und das diese vermutlich von den darunterliegenden Plasmaschichten der Sonne gespeist wird. Energie ist da mehr als genug vorhanden. Nur wie diese Heizung funktioniert, wie Energie von unten nach oben in die Korona gelangt, das ist in der Sonnenphysik seit etwa 70 Jahre als das “Heiße Korona-Problem” bekannt. Zumindest weiß man was es nicht ist: Es ist nicht die Sonnen-Strahlung der Photosphäre. Die Korona ist für diese Strahlung im großen und ganzen durchsichtig.

Aber da die Korona auch ein Plasma ist und damit aus elektrisch geladenen Teilchen besteht, sind Interaktionen mit dem Magnetfeldern darunter ein ganz heißer Kandidat für den Heizmechanismus. Tatsächlich sieht man mit speziellen Sonnensatelliten wie dem SDO, dass sich in die Korona hinein ständig Magnetfeld-Schlaufen erstrecken.


Aber Forscherinnen wollen es ganz genau wissen: Wie denn jetzt genau die Energie von diesen Magnetfeld-Schlaufen in die Korona kommt. Zu sagen: Da sind halt Magnetfeld-Schlaufen und die interagieren halt scheinbar irgendwie, ist doch unbefriedigend.

Der wirbelnde magnetische Rock der Sonne

In den letzten 70 Jahren haben sich die Kolleginnen jedenfalls einige Gedanken gemacht und diese Gedanken in ausgeklügelte Gedanken-Experimente sprich Computersimulationen und Rechnungen gesteckt (2). Dabei gehen die Kolleginnen an meinem Institut in Leuven (dem Centre for mathematical Plasma-Astrophysics) aus, dass sich die äußere Sonnenmaterie annäherungsweise wie eine magnetische Flüssigkeit beschreiben lässt. Eine Idee für die Koronaheizung ist die sogenannte ‘resonante Absorption’ von rotierenden Turbulenzen ausgelöst durch magnetische Wellen.

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Resonante Absorption von magnetischen Wellen, welche die Korona erhitzen  (JAXA/NAOJ)

Tom Van Doorsselaere beschreibt das etwa so: Die brodelnde von Magnetfeld-Schlaufen durchzogene Photosphere löst Wellen aus, die entlang der Sonnenoberfläche wandern. So wie der Rock einer Tänzerin Wellen wirft, wenn sie mit ihren Hüften seitwärts schwingt. Es gibt allerdings eine Verzögerung zwischen dem Hüftschwung und der Ausbildung der Wellen im Rock. Das ist auch im Fall des magnetischen Rocks der Sonne der Sonne so. Die Verzögerung zwischen Auslöser und der Ausbildung der Wellen, führt zu Reibung und Störungen der Welle zu rotierenden  Turbulenzen (siehe auch unten). Diese erzeugen sehr viel Reibung zwischen den Wellen und der Korona und heizen so die Korona auf. Turbulenzen sind in Gasen und Flüssigkeit sowieso immer super um Energie in das System zu bringen.  So wurde das zumindest in den 70ern vorhergesagt.

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Querschnitt durch einen dünnen Plasmaschlauch, der mit der angeregten magnetischen Welle schwingt und schließlich durch Reibung mit dem umgebenden Plasma “ausfranst” (Animiertes gif, NAOJ).

Aber erst vor kurzem wurde dieser Mechanismus tatsächlich beobachtet –  in einer konzertierten Aktion mit dem japanischen HINODE-Weltraumteleskop und dem NASA IRIS-Teleskop (3). Der Blick mit zwei Teleskopen aus unterschiedlichen Blickwinkeln war nötig, da man die Bewegung des schwingenden rotierenden Sonnenplasmas in drei Dimensionen brauchte, um sie eindeutig  mit den Vorhersagen aus den Simulationen vergleichen zu können. Und die Beobachtungen passten genau zu diesem Mechanismus.

Das ist das Beste, was einem Theoretiker passieren kann: Wenn er oder sie bislang unbeobachtete Phänomene vorhersagt und wenn Beobachtungen hinterher das Modell bestätigen. Wobei die Vorhersagen aus dem Modell so eindeutig sein sollten, dass sie mit nichts anderem verwechselt werden können. Es gibt noch einige andere Kandidaten für die Koronaheizung, auf die ich jetzt nicht eingehen möchte. Der Artikel ufert sonst aus, nich 😉

Ist jetzt das Rätsel der Sonnenkorona-Heizung gelöst?

Warscheinlich nicht. Der Prozess der resonanten Absorption der magnetischen Wellen wurde jetzt erst das erste Mal und damit genau einmal nachgewiesen. Jetzt muss man erst mal herausfinden, wie oft das mit den rotierenden Turbulenzen passiert und wieviel Hitze dabei jeweils erzeugt wird. Kolleginnen meinten allerdings, dass sie es für unwahrscheinlich halten, dass nur ein einziger Mechanismus die Korona anheizt. Wie bereits erwähnt, es gibt noch andere heiße Kandidaten. Aber die resonante Absorption der rotierenden Turbulenzen ist zumindest ein bestätigtes Puzzlestein. Wie wichtig er ist, wird sich in der Zukunft herausstellen.

Es ist auch ein schönes Beispiel wie Theorie und Beobachtung Hand-in-Hand arbeiten können.
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(1) Kleiner Exkurs: Für dieses Phänomen ist das so genannte hydrostatische Gleichgewicht verantwortlich: Relativ kühles Gas bleibt am Boden, während heißes Gas oder Plasma aufsteigt (wie ein Heißluftballon), es dehnt sich dabei aus und wird dabei kälter. Das expandierende Gas steigt solange auf, bis es eine Höhe erreicht, in der es ‘schwimmen’ kann – also der Auftrieb von seiner Gewichtskraft genau ausgeglichen wird. Und da Gase und Plasma  sich extrem ausdehnen bei niedrigerem Druck, wird das anfangs heiße Gas in großer Höhe sogar kälter als das Gas am Boden. Letztendlich bilden sich so richtige Schichten mit unterschiedlich großer (innerer und potentiellen) Energie, wobei die Schichten mit der größten Energie am weitesten “außen” liegen, aber aufgrund des verschwindend geringen Drucks sehr kalt erscheinen. In der Atmosphärenforschung hantieren wir da gerne mit der potentiellen Temperatur, welche die Temperaturänderung aufgrund der Expansion in verschiedenen  herausrechnet, sodass wir den Energiegehalt einzelner Luftschichten unabhängig von der Höhe miteinander vergleichen können. Wenn ich genau darüber nachdenke, ist es gar nicht so leicht zu erklären, warum Temperatur mit der Höhe abnehmen sollte – falls nicht etwas passiert, was Energie zuführt oder wegnimmt – wie z.B. in der irdischen Stratosphäre, wo das Ozon durch die UV-Strahlung angeheizt wird und so zu einer Temperaturanomalie führt. Letztendlich ist es eine Eigenschaft von Gasen, dass diese sich enorm stark ausdehnen, wenn der mittlere Druck sich mit der Höhe verringert und dabei die Temperatur entsprechend stark abfällt.
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(2) Resonant Absorption of Transverse Oscillations and Associated Heating in a Solar Prominence. II- Numerical aspects

(3) Resonant Absorption of Transverse Oscillations and Associated Heating in a Solar Prominence. I- Observational aspects

Kommentare (6)

  1. #1 Alderamin
    September 1, 2015

    @Ludmila

    Wenn ich genau darüber nachdenke, ist es gar nicht so leicht zu erklären, warum Temperatur mit der Höhe abnehmen sollte

    Adiabatische Kompression bzw. Expansion? Wenn ein Gas komprimiert wird, nimmt es die Kompressionsarbeit als Wärme auf, lässt man es expandieren, wandelt es die Wärme in mechanische Arbeit um. Bei der Erde erwärmt sich Luft am Boden, sie steigt auf, nach oben nimmt der Druck ab, weil weniger darüber liegende Luft mit ihrem Gewicht nach unten drückt, also expandiert die aufsteigende Luft, leistet Arbeit (ihr Gewicht nach oben und andere Luft beiseite zu schieben) und kühlt dabei ab. Die Luft strahlt ihre Wärme auch in den Weltraum ab (das ist dann erst mal nicht adiabatisch, aber relativ vernachlässigbar), kühlt (auch in potenzieller Temperatur) ab, wird damit dichter und schwerer und sinkt, wobei das Schwerefeld Kompressionsarbeit verrichtet, die das Gas wieder aufwärmt.

    (In der Stratosphäre erwärmt die Sonne dann allerdings das Ozon und die Temperatur nimmt nach oben hin wieder zu, weshalb hohe Gewitterwolken oben an der Stratopause gegen eine Wand laufen und Ambossform ausbilden. Da gilt das Prinzip nicht mehr.)

    Sollte bei der Sonne so ähnlich sein.

    Frage and die Expertin: es gibt tiefer in der Sonne (und den meisten Sterne, außer den ganz kühlen) eine Region, wo die Wärme durch Strahlung statt Konvektion transportiert wird. Ist das Plasma da weniger opak? Wieso? Scheint mit der Temperatur und dem Druck zusammen zu hängen, aber was verändert sich da genau in der Plasmabrühe aus Kernen und Elektronen?

    Den koronalen Heizmechanismus habe ich auch noch nicht vollkommen durchblickt – da wirbeln also rotierende Magnetfelder (oder Nanoflares, wie ich in S&T las) an der Sonnenoberfläche herum und induzieren Ströme im koronalen Gas? So ähnlich, wie man ein Plasma in einem Fusionsreaktor aufheizt? Gut, aber warum wird dann nur die Korona so heiß und nicht die Sonnenoberfläche, wo die Felder ja am stärksten sein sollten? Staut sich die Energie irgendwie im dünnen koronalen Gas und kommt nicht weg?

  2. #2 Ludmila Carone
    September 1, 2015

    @Aldemarin: Ja, “adiabatische Expansion” hab ich oben auch versucht zu erklären. Aber warum heißes Gas so weit abkühlt, das ist – denke ich – erst mal nicht so einsichtig. Rechnen kann ich das alles, aber das einem 10jährigen zu vermitteln, das geht vermutlich nur mit nem Experiment vor Ort.

    Ich bin jetzt nicht so der Sonnenexperte, aber soweit ich weiß ist das Innere ist da extrem dicht gepackt, so dass die Strahlung da nicht durchkommt. Jedes Gas/Plasma wird irgendwann opak wenn man es nur dicht genug packt.

    Den koronalen Heizmechanismus hat keiner so 100%ug durchblickt, das ist ja der Witz. Hier in dem Fall, sind es Plasmaschläuche, die aus der Photosphäre in die Korona ragen und hin-und her und auf und ab schwingen – angeregt durch eine magnetische Welle. Und dann gibt es rotierende Turbulenzen, die Reibung erzeugen und die Korona heizen. Ich hab echt überlegt, ob ich das mit reinbringe, dachte aber, dass ich dann zu weit abschweife.

    Man muss auch bedenken, dass die Koriona so dünn ist im Vergleich zur Photosphäre. Die Photosphäre ist ja heiß, aber auch viel dichter. Man muss also gar nicht mal so viel Energie von unten nach oben transportieren, um die Korona so extrem aufzuheizen. Die Dünnheit der Korona macht aber gleichzeitig die Energieaufnahme schwer. Das ist das Hauptproblem.

  3. #3 Alderamin
    September 2, 2015

    @Ludmila

    warum heißes Gas so weit abkühlt, das ist – denke ich – erst mal nicht so einsichtig.

    Versteht man (kind) wohl am besten durch Experiment. Der Prof hatte damals in der Physik-Vorlesung CO2 aus einer Gasflasche in einen Jute-Sack entweichen lassen und uns danach mit dem Trockeneis beworfen. Seeing/feeling is believing 🙂

    Ich bin jetzt nicht so der Sonnenexperte, aber soweit ich weiß ist das Innere ist da extrem dicht gepackt, so dass die Strahlung da nicht durchkommt. Jedes Gas/Plasma wird irgendwann opak wenn man es nur dicht genug packt.

    Warum Plasma opak ist, ist mir einigermaßen klar, weil die Elektronen da frei sind und mit Photonen jeglicher Wellenlänge interagieren können. Die Frage war, warum in der Tiefe der Energietransport dann trotzdem per Strahlung abläuft, und ob das Gas da vielleicht weniger opak ist (das las ich in einem Wikipedia-Artikel) und wenn ja, warum.

    Den koronalen Heizmechanismus hat keiner so 100%ug durchblickt, das ist ja der Witz.

    Schon klar, aber die Autoren werden hoffentlich ihren eigenen Lösungsvorschlag verstanden haben… 🙂 Ich werd’ mal selbst ins Paper schauen (ob ich’s verstehe, ist dann ein anderes Thema).

    Laut diesem recht frischen S&T-Artikel sollen kleine Flares für die Korona-Heizung zuständig sein. Im Text steht auch etwas darüber, dass “magnetische Tornados” als Möglichkeit vorgeschlagen worden seien, das klingt so ähnlich wie der Vorschlag Deiner Kollegen. Wie Du selbst sagst, sind es vielleicht auch mehrere Mechanismen.

    Bei der Plasmaphysik scheint es noch eine Menge weißer Flecken zu geben, es hat ja, so viel ich weiß, auch noch keiner so richtig durchblickt, warum eine rotierende Akkretionsscheibe einen Jet entwickeln kann. Ist halt ein Bereich, der auf der Erde schwer experimentell auszuloten ist.

  4. #4 Alderamin
    September 2, 2015
  5. #5 Ludmila Carone
    September 2, 2015

    @Alderamin: Die Frage war, warum in der Tiefe der Energietransport dann trotzdem per Strahlung abläuft,
    Opak heißt ja erst mal “nur”, dass die Photonen nicht mehr komplett durch das Medium durchlaufen können. Aber die unmittelbaren Nachbarn “sehen” selbst im Extremfall, das strahlende Atom (nach einer Kernreaktion). Diese nehmen die Energie auf und reichen sie dann ihrerseits an ihre Nachbarn weiter und die wiederum an ihre und so weiter. Das Ganze dauert allerdings – ist ja auch nicht richtungsgesteuert. Das Photon “weiß” ja nicht, dass seine Energie irgendwann nach außen soll (Stichwort random walk). Ich hab von irgendwoher die Angabe im Kopf, dass es etwa 10 000 Jahre dauert bis ein im Inneren erzeugtes Photon nach außen kommt.
    Hier ist das Ganze auch mal erklärt und da sagen sie, dass es bis zu 20 000 Jahre dauert bis die Energie es hinaus schafft. Die Zahl im Kopf passt also schon 😉
    https://www.universetoday.com/40631/parts-of-the-sun/

  6. #6 Alderamin
    September 2, 2015

    @Ludmila

    Ach so, das ist der Strahlungstransport. Von solchen Zahlen (eher mit einer Null mehr) habe ich auch schon gehört (wahrscheinlich hat’s noch keiner wikrlich gemessen). Ist dann sicher eine Wahrscheinlichkeitsfrage: nach außen ist mehr Platz (Volumen einer dünnen Kugelschale) als nach innen, also werden Photonen bei zufälliger Richtung statistisch häufiger den Weg nach Außen als nach Innen wählen und so irgendwann man oben ankommen. Weiter außen gibt’s dann zusätzlich einen Lift in Form von Konvektion.

    Danke für die Klarstellung. 🙂