Die erste, richtig ernsthafte wissenschaftliche Arbeit, die sich mit dem Thema “lebenswerte” extrasolare Planeten beschäftigt, stammt aus dem Jahr 1993. Die Arbeit von James Kasting und seine Kollegen machten damals einen kleinen Rundumschlag, um zu sehen, welche Sorten sonnenähnlicher Sterne (ja, es gibt da verschiedene Sorten von etwa 10% Sonnenradius bis etwa 150% Sonnenradius) wohl Welten mit flüssigem Wasser auf der Oberfläche beherbergen könnten und in welchem Abstand die wohl liegen würden. Sie definierten für die geeigneten Planetenorbits (ausgehend von einer erdähnlichen Atmosphäre) den Begriff “habitable Zone”, der bis heute verwendet wird, weil er so schön einfach ist und einen notwendigen Bestandteil für Leben enthält – flüssiges Wasser auf einer Oberfläche.

Gliese_581_-_2010

Die habitable Zone um sonnenähnliche Sterne (copyright ESO)

Und ja, es gibt gute Gründe anzunehmen, dass wir Wasser zum Leben brauchen. Irgendein Lösungsmittel und Transportmittel muss ja her und genügend Energie, um so etwas wie einen Stoffwechsel und Vermehrung anzutreiben. Grundsätzlich wären auch exotischere Lösungsmittel wie flüssiges Methan auf dem Titan möglich. ABER dann haben wir ein Energieproblem. Titan hat hat eine durchschnittlichen Oberflächen-Temperatur von -178 Grad Celsius. Zwar kann sich Leben wohl grundsätzlich auch an so etwas anpassen. Aber kann es sich auch unter solchen Bedingungen entwickeln? Selbst auf der sehr viel wärmeren Erde hat es gefühlte Ewigkeiten gedauert, bis die Geschichte mit dem Leben in die Gänge kam: Ungefähr 2 Milliarden Jahre, wenn nicht noch länger. Und auch für den Kohlenstoff als Basis gibt es gute Gründe. Kohlenstoff-Verbindungen sind unglaublich vielfältig, was jeder weiß, der die anorganische mit der organischen Chemie vergleicht. Kohlenstoff bildet gerne Ketten mit sich selbst und anderen Elementen und ist daher so etwas wie der “Legostein” für das Leben. Es lässt sich einfach unheimlich viel damit anstellen.

Aber selbst die einfachste Grundannahme, dass man flüssiges Wasser braucht, ist nicht so einfach. James Kasting und seine Kollegen meinten 1993 noch, dass Planeten am unteren Ende der Größenskala der sonnenähnlichen Sterne ein Problem bekommen könnten. Die sogenannten M- und K-Sterne sind recht “kalt” mit Temperaturen von etwa 3000 Kelvin (unsere Sonne ist zum Vergleich etwa 5800 Kelvin heiß) . Ein Planet muss also recht nah dran sein, damit er genug Sternenenergie abkriegt, damit die Atmosphäre warm genug werden kann, damit es an der Oberfläche Wasser gibt. Zu nah – für den Geschmack von Kasting und seinen Kollegen. Denn wenn ein kleiner Körper, einem großen Körper recht nah kommt, dann entstehen auch riesige Gezeitenkräfte und die neigen dazu die Planetenrotation mit dem Planetenumlauf zu synchronisieren. Das ist auch dem Mond passiert, der deswegen unserer Erde immer dieselbe Seite zuwendet.

Passiert das bei einem Planeten und einem Stern, dann hat dieser Planet eine ewige Tag- und eine ewige Nachtseite und es ist dann Essig mit flüssigem Wasser. Dachten sie damals jedenfalls. Wobei sie immerhin einwarfen, dass zumindest der Terminator – also die Bereiche des Planeten, die in ewiger Dämmerung liegen würden – vielleicht Wasser haben könnten. Hier hab ich ein Bild dazu gefunden, wie man sich naiverweise so eine Welt vorstellen würde. Nur, ist das viel zu einfach gedacht.

1997 zeigten Manoj Joshi und Kollegen nämlich, dass Kasting und Co einen wichtigen Faktor bei ihren Berechnungen nicht berücksichtigt haben: Dass heiße Luft von der Tag- zur Nachtseite strömt und wieder zurück. Die Luft ist ja nicht festgenagelt und bleibt da, wo sie auch erhitzt bzw. abgekühlt wird. Um das nachzubilden, braucht man aber ein 3D Modell und das hatten Joshi und Kollegen. Diese fanden heraus, dass simple Luftumwälzung, die bei uns auf der Erde als Hadley-Zirkulation bekannt ist, bereits ausreicht, um zu verhindern, dass die Nachtseite so kalt wird, dass die Atmosphäre ausfriert und die Tagseite zu heiß wird. Zumindest wenn der Luftdruck auf der Oberfläche höher ist als 30 mbar (zum Vergleich auf der Erde sind es 1 bar). So eine Lufthülle ist eben eine verdammt gute Klimaanlage.

Tidally_locked_circulation

Skizze der Luftzirkulation auf gezeitengebundenen Exoplaneten. Der substellare Punkt ist der Punkt der Erdoberfläche, auf den die Sternenstrahlung senkrecht auftritt. Dieser Punkt hat also die kürzeste Distanz zwischen Planetenoberfläche und Heimatgestirn. (Ludmila Carone/KU Leuven CmPA,IvS).

Joshi und co kriegen etwa Temperaturen um die 46 Grad Celsius an sonnennächsten und damit heißesten Punkt eines solchen gezeitengebundenen Planeten. Ist also alles halb so wild – wenn die Klimanlage funktioniert 🙂
—————————————————————————–
Joshi, M., Haberle, R., & Reynolds, R. (1997). Simulations of the Atmospheres of Synchronously Rotating Terrestrial Planets Orbiting M Dwarfs: Conditions for Atmospheric Collapse and the Implications for Habitability Icarus, 129 (2), 450-465 DOI: 10.1006/icar.1997.5793
Kasting, J., Whitmire, D., & Reynolds, R. (1993). Habitable Zones around Main Sequence Stars Icarus, 101 (1), 108-128 DOI: 10.1006/icar.1993.1010

Kommentare (17)

  1. #1 LasurCyan
    September 14, 2015

    und es ist dann Essig mit flüssigem Wasser

    Da musste ich eben echt grinsen (in Anbetracht der Tatsache, daß das einige Leser wörtlich nehmen könnten)^^

    So rein intuitiv stelle ich mir gerade vor, daß die Windgeschwindigkeiten in solch einem System doch ziemlich derbe sein müssen. Oder kann man darüber keine Aussagen machen?

  2. #2 Ludmila Carone
    September 14, 2015

    Oder kann man darüber keine Aussagen machen?
    So schlimm sind die Windwerte gar nicht, wenn man Erdreibung annimmt. Die bremst doch ganz schön. So 10-40 km/h kriege ich typischerweise raus. Auch hier auf der Erde sind extrem schnelle Winde eher an Ausnahme-Situationen gebunden.

    Klimasysteme sind einfach zu groß und unanschaulich, als dass unser “gesunder Menschenverstand” alleine sie begreifen könnte. Dazu sind verschiedene Teile miteinander gekoppelt. Deswegen brauchen wir Simulationen bzw. Gedankenspiele am Computer.

    Und selbst wenn der Wind schnell wäre, im Ozean wäre das auch erstmal egal. Solange das Leben sich irgendwie entwickeln und ausprobieren kann, wird es sicherlich einen Weg finden mit allem Möglichen fertig zu werden.

  3. #3 LasurCyan
    September 14, 2015

    So 10-40 km/h kriege ich typischerweise raus.

    Interessant. Das wäre nun wirklich nicht die Hürde für eventuelles Leben.

    Klimasysteme sind einfach zu groß und unanschaulich, als dass unser “gesunder Menschenverstand” alleine sie begreifen könnte.

    Deshalb frage ich ja so unbedarft, Ludmila, weil mir die Komplexität durchaus bewusst ist, sich aber eine Vorstellung, die sich automatisch bildet, nicht einfach so ausknipsen lässt. Dafür gibt’s ja dann die ComputerSimulationen. Danke für den Einblick!

  4. #4 Ludmila Carone
    September 14, 2015

    @LasurCyan
    Bitte, nicht angegriffen fühlen! Ich wollte nur noch einmal betonen wie kniffelig Klimasysteme sind. Selbst wenn man meint sich damit auszukennen..Prepare your mind to be blown 🙂

  5. #5 LasurCyan
    September 14, 2015

    Bitte, nicht angegriffen fühlen! Ich wollte nur noch einmal betonen wie kniffelig Klimasysteme sind

    Na sowas, ich fühle mich kein Stück angegriffen^^Hab doch selbst betont, wie komplex KlimaSimulation ist. Verschriftliche Sprache ist es wohl nicht minder. Aussdrücklich wohlwollende Grüße, Ludmila!

  6. #6 dgbrt
    September 14, 2015

    Nachdem, was wir bis jetzt dieses Jahr über Ceres und Pluto gelernt haben halte ich solche Modellrechnungen eher für Sandkastenmodelle. Könnte gehen, aber die Wirklichkeit zeigt, es ist alles viel komplexer.

    Früher gab es auch tolle Modellrechnungen über den Mars oder die Venus. Heute sind wir schlauer.

  7. #7 Ludmila Carone
    September 15, 2015

    @dgbrt Hast Du Dir denn mal diese “Sandkasten”-Modelle von Mars und Venus angesehen? Die sind nämlich die Grundlage dessen, was wir heute wissen. Ein junger Astronom vom Yerkes Observatory hat 1960(!) mit einem “Sandkasten”-Modell bereits festgestellt, dass die Oberfläche der Venus sehr warm sein muss. Eine Sensation!
    https://adsabs.harvard.edu/abs/1960AJ…..65..352S
    Sein Name: Carl Sagan.

    Ohne diese “Sandkasten”-Modelle hätten die gar nicht gewusst, wo weiter nachschauen.

    Klar, weiß man heute viel mehr. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Leute damals alle Quatsch gemacht haben. Im Gegenteil. Ohne Grundlagen – keine weiteren Erkenntnisse.

    Irgendwo muss man anfangen. Die Arme hochzuwerfen und zu rufen “Hach ist das ganze mysteriös” finde ich persönlich nicht zufriedenstellend. Klar, kann das falsch sein, was wir machen. Aber auch das wäre super. Dann passiert in den Atmosphären etwas ganz Neues. Aber woher sollte man das denn wissen, wenn man nicht mal nachschaut, wie sich so ein Planet verhält, auf der Grundlage dessen, was wir meinen zu wissen?

    Known unknowns und unknown unknowns, nicht 🙂

    Ach ja und selbst für das Erdklima, sind Sandkasten-Modelle immer noch relevant. https://scienceblogs.de/planeten/?s=Held
    Das sind nämlich für Klima-Forschung, was die Fruchtfliege für die Biologie ist.

    Also ein hoch auf Sandkasten-Modelle! Die sind nämlich super. Gerade wenn es gilt in’s Unbekannte vorzustoßen.

  8. […] was rein in meine Serie. Nämlich meine eigene Forschung, die gerade erschienen ist Ich hatte im ersten Teil erzählt, dass Exoplaneten um kleine kühle M- und K-Sterne selbst dann habitabel sein können, […]

  9. #9 BreitSide
    Beim Deich
    September 15, 2015

    – “Also ein hoch auf Sandkasten-Modelle! Die sind nämlich super. Gerade wenn es gilt in’s Unbekannte vorzustoßen.”

    Ins bekannte Unbekannte oder ins unbekannte Unbekannte?

    War das nicht der große Denker Donald Rummsfeld, der das so schön formuliert hatte angesichts der angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak?

  10. #10 Ludmila Carone
    September 15, 2015

    @BreitSide
    In dem Fall ins bekannte Unbekannte. Aber das musst Du zuerst abchecken, um dann das unbekannte Unbekannte auch zu erkennen, wenn Du es siehst. Und das mein ich völlig ironiefrei. Rumsfeld ist zwar jetzt nicht politisch mein Lager, aber da hatte er mal recht.

    • #11 BreitSide
      Beim Deich
      September 15, 2015

      Hmm, ja, ging mir eigentlich schon damals ähnlich. Sooo abwegig ist das ja tatsächlich nicht mit dem unbekannten Unbekannten. Bei Rummsfeld sind wir uns ja ziemlich einig… 😉

  11. #12 Spritkopf
    September 16, 2015

    @Ludmila
    Schöner Artikel. Aber eine Anmerkung habe ich doch.

    Selbst auf der sehr viel wärmeren Erde hat es gefühlte Ewigkeiten gedauert, bis die Geschichte mit dem Leben in die Gänge kam: Ungefähr 2 Milliarden Jahre, wenn nicht noch länger.

    Soweit ich informiert bin, sind die ersten einigermaßen gesicherten Spuren des Lebens auf ein Alter von 3,5 Mrd. Jahren datiert. Und anscheinend geht die Tendenz dahin, die Zeitspanne zwischen Entstehung der Erde und des ersten Lebens immer weiter zu verkürzen, da man immer ältere Spuren findet (bei denen allerdings die große Schwierigkeit darin besteht, sie von Relikten zu unterscheiden, die durch geologische Prozesse entstanden sind).

  12. #13 Spritkopf
    September 16, 2015

    Diesen Artikel hatte ich noch gesucht. Allerdings seeehr spekulativ.

  13. #14 Theres
    September 16, 2015

    @Spritkopf:
    Neuere Zahlen oder Abschätzungen:
    Paläoarchaikum (3,6 Milliarden – 3,2 Milliarden Jahre)

    In diese Ära fallen die ersten aber nicht eindeutigen Nachweise von Leben in Form von Bakterien im grönländischen Isua-Gneis.
    Mesoarchaikum (3,2 Milliarden – 2,8 Milliarden Jahre)

    Aus dieser Ära hat man Stromatolithen-Funde im Mkhonjwa-Bergland im nordöstlichen Südafrika und im Nordwesten von Ontario in Kanada gemacht, in denen Fossilien von Cyanobakterien gefunden wurden.
    ( von http://www.die-erde.com)

    Jetzt les ich mir endlich mal den Artikel durch .. freu …

  14. #15 Theres
    September 16, 2015

    @Ludmilla
    Ohne Troposphäre geht es aber nicht, also hoch und dicht genug muss die Atmosphäre schon sein, oder?
    Und ich liebe deine Artikel einfach, ein Lob und echte Anerkennung, die für die nächsten hoffentlich zwanzig ausreichen muss … 😉

  15. #16 Ludmila Carone
    September 17, 2015

    @Theres. Ja, ja, eine Troposphäre muss her. Sie darf aber auch nicht so dünn sein, wie auf dem Mars 😉

    Ich denke nicht, dass es ein Problem sein wird eine dichte Atmosphäre von Planeten von Erdgröße oder mehr hinzukriegen. Ich hab eher den Eindruck, dass wir eher das umgekehrte Problem kriegen werden. Zu dicht, wie bei der Venus. Aber mal sehen…es bleibt spannend 😉

  16. #17 Spritkopf
    September 17, 2015

    @Theres
    Ja, das mit der Bestimmung – handelt es sich um Überbleibsel von altem Leben oder nicht – scheint in der Tat sehr kontrovers zu sein. Wo man auch liest – Fachartikel, deutsche Wikipedia, englische Wikipedia… – jeder schreibt was anderes. Sogar innerhalb der deutschen Wikipedia unterscheiden sich die Deutungen, ob ein bestimmter Fossilfund nun nur einen Anhalt darstellt, dass es sich um Leben handeln KÖNNTE oder ob er es mit hinreichender Sicherheit IST.

    Konsens ist aber wohl, dass wir Leben auf der Erde seit deutlich mehr als 3 Mrd. Jahren haben.