Jetzt schiebe ich ein bisschen was rein in meine Serie. Nämlich meine eigene Forschung, die gerade erschienen ist 🙂 Ich hatte im ersten Teil erzählt, dass Exoplaneten um kleine kühle M- und K-Sterne selbst dann habitabel sein können, wenn sie durch Gezeiten in eine Situation gebracht wurden, die ihnen eine ewige Tag- und Nachtseite beschert. Das alles steht und fällt allerdings mit der Zirkulation.
Und jetzt kommen folgende Überlegungen in’s Spiel. Felsige Planeten um kleine M-Sterne lassen sich besser entdecken und untersuchen als Planeten um größere Sterne. Und das geht um so besser je näher der Planet am Stern ist. Erstens ist dann die Wahrscheinlichkeit höher, dass der Planet von uns aus gesehen vor seinem Stern herzieht (also einen Transit ausführt) und dabei Sternenlicht durch die Atmosphäre streift, was wiederum uns auf der Erde erlaubt, zu sehen ob da eine Atmosphäre ist und wie die aussieht. Zweitens sieht man mehr Transits innerhalb eines Beobachtungszeitraums. Mehr Daten erlauben eine robustere Interpretation der Atmosphäre von – sagen wir mal über einen Zeitraum von 3 Jahren, was der angepeilten Lebensdauer von einem typischen Weltraum-Teleskop entspricht, das unter anderem dazu da ist, nach Exoplaneten zu gucken – wie z.B. Kepler, CoRoT und wie geplant PLATO (1). Gleichzeitig sind M-Sterne so kalt, dass ein Planet sowieso recht nah dran sein muss, um das Erd-Äquivalent der Sonnenenergie abzukriegen. Zudem sind mindestens 70% aller sonnenähnlicher Sterne sowieso M-Sterne…
Eine wirklich gründliche Studie mit 165 virtuellen Planeten um kleine M-Sterne
Es gibt also eine Reihe guter Gründe kleine potentiell habitable Planeten um M-Sterne mal genauer anzusehen. Und das haben wir – also meine Kollegen Rony Keppens und Leen Decin und ich auch getan. Wir haben erst einmal ein vereinfachtes Modell der Zirkulationsbewegung von Planeten mit ewigen Tag- und Nachtseiten gebaut (2). Wie Slartibartfass nur mit Windströmungen statt Fjorden 🙂
Dann haben wir 165 hypothetische Planeten auf nen Supercomputer geschickt und angeschaut, was mit der Zirkulation passiert, wenn wir die Planeten-Größe zwischen 1-2 Erdradiien variieren und vor allem den Planeten immer näher an seinen Stern schieben. Wobei wir der Einfachheit halber immer angenommen haben, dass die mittlere Dichte der der Erde entspricht und dass der Planet immer das Erd-Äquivalent der Sonnenenergie abkriegt. Dabei haben wir die Planeten sogar auf eine 1-Tages-Umlaufperiode herunter gebracht. In unserer Studie ging es uns aber vor allem darum, das Klima und die Zirkulation gründlich zu verstehen. Und da lohnt es sich durchaus in die Vollen zu gehen und die Extreme auszuloten und sehr viele Fälle miteinander zu vergleichen.
Dabei stellten wir fest, dass bei kurzen Umlaufperioden von etwa 12 Tagen – abhängig von der Planetengröße – sich die Luftzirkulation schlagartig verändern kann. Nennen wir das mal Kipp-Punkt I. Das war übrigens nicht ganz neu. Bereits 2011 haben Adam Edson und Kolleginnen einen solchen Kipp-Punkt gesehen (3). Wir haben uns das ganze allerdings nochmals viel genauer und auch für Supererden angesehen. Dabei haben wir sogar ein paar mehr solcher Klima-Übergänge und einen weiteren Kipp-Punkt gefunden. Kipp-Punkt II liegt bei 5 Tagen Umlaufperioden für Supererden.
Was passiert jetzt bei diesen Kipp-Punkten des Klimas? Oder welches Windsystem nehmen wir denn heute? I, II oder doch lieber III?
Der Wind strömt in der oberen Atmosphäre nicht mehr symmetrisch von der Tag- zur Nachtseite. Auf einmal bilden sich Windströme, die entlang bestimmter geographischer Breiten wehen und recht schnell werden können. 100 km/h und mehr sind absolut drin. Genauer gesagt, gibt es an Kipp-Punkt I zwei Möglichkeiten und bei Kipp-Punkt II sogar drei Möglichkeiten, die das Klima des Planeten einnehmen kann.
Nehmen wir mal Klima I: Hier strömt der Wind in der oberen Atmosphäre entlang des Äquators Richtung Osten. Das kennen wir bereits von den heißen Jupiter-Exoplaneten und nennen wir gemeinhin Superrotation. Dann gibt es noch Klima II. Hier weht der Wind in der oberen Atmosphäre in zwei langsameren Windströmen entlang höherer Bereiten. Bei Kipp-Punkt I kann das Klima entweder Klima I oder Klima II einnehmen. Bei Kipp-Punkt II kann der Planet sogar eine dritte “salomonische” Möglichkeit dazwischen einnehmen: Eine schwächere Superrotation am Äquator flankiert von zwei Windströmungen in höheren Breiten. Wir konnten auch dezidiert nachweisen, welche Rossbywelle zu welchem Windsystem führt und dass Klima III tatsächlich beide Wellen enthält.
Klima III – nicht gut für die Klimaanlage und damit die Habitabilität
Wie man in dem Bild oben sieht, hat Klima I dabei ein “kleines” Problem. Die Tagseite wird sehr heiß. Das liegt daran, dass die schnelle Superrotation die Luftzirkulation von der Tag- zur Nachtseite stört. Ich stelle mir das so vor: Die Tagseite wird vom Stern erhitzt, heiße Luft steigt vor allem über dem Äquator nach oben und wird von der schnellen Luftströmung entlang des Äquators – der Superrotation – gestoppt. Es ist in etwa so, als ob ein Lastwagen versucht auf eine Autobahn zu kommen, die gerade voll besetzt mit Rennwagen in voller Fahrt ist. Der LKW – und damit die Hitze von der Tagseite – kommt nicht mehr auf die Autobahn und kann daher nicht wegtransportiert werden. Es kommt im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Hitzestau. Die Situation ist natürlich bei Klima II besser, wenn die “Autobahn” entlang des Äquators leer ist. Und auch Klima III ist besser, weil die “Autobahn” nicht ganz so voll ist und die Rennwagen nicht ganz so schnell sind. D.h. Klima II und III erlauben die Existenz einer Luftzirkulation, welche die Tagseite abkühlt, während Klima I die Zirkulation unterdrückt und daher weniger habitabel sein dürfte.
Grundsätzlich, scheinen erst mal alle drei Windsysteme möglich zu sein, wenn die Umlaufperioden kurz genug sind. Allerdings, so “frei” scheint das Klima aufgrund meiner Simulationen auch nicht “wählen” zu können. Vor allem meine großen Planeten (1.75-2 Erdradien) finden sich in Klima I wieder, wenn wir den Planeten recht nah an seinen Stern schieben. In einem weiteren Paper werde ich außerdem zeigen, dass eine ganz besondere Eigenschaft des Planeten dafür sorgt, dass auch größere Planeten Klima II und III einnehmen und damit habitabler werden. Aber das wäre jetzt spoilern 🙂
Ist das denn realistisch?
In den letzten Jahren haben einige Kolleginnen Studien herausgegeben, die zeigen, dass gerade die gezeitengebundene Planeten tatsächlich recht nah an ihre M-Sterne geschoben werden können. Umlaufperioden von 6 Tagen sind durchaus möglich und felsige Super-Erden können doppelt so groß werden wie die Erde. Kipp-Punkt I kann also auf jeden Fall erreicht werden und Kipp-Punkt II ist auch nicht so weit weg. Das Schöne: Genau solche Planeten sind auch extrem gut zu detektieren und zu untersuchen. Ich bin jedenfalls schon gespannt, was die Zukunft bringt, und ob sich die verschiedenen Windsysteme nachweisen lassen 🙂
Auf jeden Fall zeigt unsere Studie wieder einmal, dass wir uns nicht allzu sehr auf Erdzwillinge versteifen sollten. Auch Welten mit ewigen Tag- und Nachtseiten auf engen Planetenbahnen sind spannend und können unter bestimmten Bedingungen flüssiges Wasser beherbergen. Und wir haben sogar schon einige gute Ideen, was diese Bedingungen sein könnten 🙂
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(1) Die Astroseismologen-Kolleginnen mögen mir verzeihen. Ihr seid auch drauf und schaut in’s Sterneninnere. Soll der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt bleiben.
(2) Carone, L., Keppens, R., & Decin, L. (2014). Connecting the dots: a versatile model for the atmospheres of tidally locked Super-Earths Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 445, 930-945 DOI: 10.1093/mnras/stu1793
(3) Edson und co haben das in ihrem Paper leider nicht genauer untersucht und hatten auch zu wenige Fälle, um es genauer einkreisen zu können. Sie haben aber ganz richtig vermutet, dass hier Rossby-Wellen eine Rolle spielen. Dazu will ich im Detail aber heute nichts erzählen. Das ist eine Serie von eigenen Blogeinträgen wert.
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Carone et al. 2015, Connecting the dots II: Phase changes in the climate dynamics of tidally locked terrestrial exoplanets
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