Ich weiss gar nicht genau, von wem dieser Satz zur Klimadebatte kommt, aber da steht er: The Science is settled. Tatsächlich scheint es sich um eine Erfindung derer zu handeln, die eben gerade meinen, dass die Science überhaupt nicht settled ist. Die Idee der Polemik ist ganz einfach. Die (die Klimawissenschaftler) haben gesagt, Science is settled und nun wird doch diskutiert, ob es mehr oder weniger Hurrikans auf Grund des Klimawandels gegeben hat oder geben wird. Wenn das so ist und die Hurrkane (oder der Permafrost oder die Antarktischen Temperaturen oder oder) nicht völlig verstanden sind, dann ist eben alles unklar und nichts ist “settled”. Tatsächlich ist Wissenschaft natürlich nie ein für allemal abgeschlossen und in Bronze gegossen, was die gute alte Wissenschaft aber doch nicht hindert ,den ein oder anderen Fortschritt zu machen und im Laufe der Jahre Erkenntnisse zu gewinnen, hinter die sie nicht mehr zurückfallen willl.
Diesen Donnerstag haben zwei Experten des troposphärischen Wasserkreislaufs in Science die Diskussion um den Wasserdampf-Feedback zwar nicht für beendet, aber doch zumindest für nicht mehr soooo interessant erklärt. Das wissenschaftlich aufregende fette Ende der Wurst sei weg.
Bild 1: Wasserdampf über dem Pazifik beobachtet von einem geostationären Satelliten der NOAA.
Worum geht es? Die Konzentration der Treibhausgase steigt auf Grund menschlicher Aktivitäten (settled), das führte bisher zu einer Änderung des Strahlungsgleichgewicht der Erde von etwa 2W/m2 (settled). Bei einem gewissen willkürlichen Wert der Treibhausgaskonzentration, dem 2*CO2 Wert, der irgendwann in diesem Jahrhundert erreicht werden wird (das entspricht dem Doppelten des vorindustriellen “natürlichen” CO2 Niveaus von 280ppm, also 560ppm), erhält man so ein Strahlungsforcing von etwa 3.7W/m2 (IPCC TAR Kap. 6.3.1) (settled), welches zu einer ursprünglichen Erwärmung rein auf Grund des CO2 von ca 1°C global führt (settled).
Damit ist man aber noch weit entfernt von allen IPCC Vorhersagen (für 2*CO2 gibt das IPCC AR4 eine Gleichgewichtserwärmung von 2°-4.5°C an) und man muss zu dieser ersten Erwärmung durch das CO2 eben noch die sogenannten Feedbacks mit hinzurechnen.
Der wichtigste ist der Wasserdampf-Feedback. Genau wie bei den Treibhausgasen auch, geht es dabei weniger um das, was in den unteren paar hundert Metern der Atmosphäre geschieht. Dort ist soviel Wasserdampf vorhanden, dass ohnehin nicht mehr viele Photonen zusätzlich im Infraroten absorbiert werden könnten. Spannend wird es in der mittleren und oberen Troposphäre, und zwar insbesondere dort, wo es richtig kalt und somit trocken ist. Eine dauerhafte, wenn auch leichte Erwärmung auf Grund der anthropogenen Zufuhr von Treibhausgasen (CO2, CH4, N2O etc.) führt, so die ursprüngliche Hypothese, zu mehr Wasserdampf dort. Wasser ist als di-elektrisches dreiatomiges Molekül ein idealer Infrarot-Absorber und wirkt dann als zusätzliches Treibhausgas ebenso erwärmend, wie auch schon die anderen Gase. Der ursprüngliche Effekt würde, so findet man in allen IPCC Berichten, in etwa verdoppelt. Aus 1°C (nur CO2, etc) mach 2°C (mit H2O) globale Erwärmung (siehe Bild 2).
Andrew Dessler und Steven Sherwood meinen nun in einem letzte Woche erschienen Science Artikel, dass die Wissenschaft zu diesem Thema den Stempel “settled” verdient hat. Die oben skizzierte Idee des Wasserdampf-Feedbacks ist einfach, aber noch zu Beginn der 90er war einfach nicht ausreichend klar, welche Prozesse denn nun die obere Troposphäre befeuchten würden. Vielleicht waren ja Details der Wolkenphysik entscheidend, wie es Richard Lindzen lange Zeit vorschlug? Diese Details würden gerade dazu führen, dass dann, wenn die Troposphäre sich erwärmt, weniger Wasserdampf in die Höhe transportiert wird, und umgekehrt, bei Abkühlung mehr Wasserdampf in die obere Troposphäre. Ein potenter negativer Feedback also.
Bild 2: Schema des Wasserdampf-Feedbacks nach der hervorragenden Vorlesung von Hugue Goosse und Kollegen von der Universite catholique de Louvain.
Dessler und Sherwood halten das Thema für mittlerweile geklärt. Die Feuchte in der mittleren und oberen Troposphäre wird duch die grossräumige Zirkulation bestimmt und kommt dort im Wesentlichen nicht in flüssiger Form oder als Eiskristalle hin. Die Theorie dieser Zirkulation (keine Klimamodelle!) kann die beobachtete Wasserdampfverteilung sehr genau beschreiben, eben ohne irgendwie die Wolken-Mikrophysik zu berücksichtigen (Folkins et al. und Pierrehumbert et al.). Die verbleibenden Unsicherheiten auf Grund von kleinskaligen Prozessen wurden in einer weiteren Arbeit auf noch verbleibende 5% abgeschätzt.
Der Rest ist einfach. Die Menge an Feuchte in der mittleren und oberen Troposphäre wird also durch die kleinste Sättigungsfeuchte, die einem Paket Wasserdampf auf seinem Weg begegnet, kontrolliert (typischerweise nahe der Obergrenze tropischer Konvektionstürme) und da diese im wesentlichen mit der Temperatur der gesamten Atmosphäre steigt, muss die Feuchte in der Troposphäre bei steigenden Temperaturen steigen. QED.
Bild 3: Lapse Rate Feedback nach der Vorlesung von Hugue Goosse.
Die Stärke des Wasserdampf-Feedbacks variiert relativ wenig zwischen den Modellen. Warum ist das so? Tatsächlich kann man den Feedback in zwei Teile aufspalten, die stark mit einander korreliert sind. Der eigentliche Treibhauseffekt des zusätzliche Wasserdampfs hindert, genau wie das CO2, die infrarote Strahlung am ungehinderten Abstrahlen ins Weltall. Die Atmosphäre muss sich erwärmen, um die gleiche Wärmestrahlung im Vergleich zur noch ungestörten Klimasituation abzugeben. Alles andere mal als erst unverändert angenommen, erfolgt diese Erwärmung gleichmässig über die ganze Troposphäre verteilt (siehe Bild 3a+b). Nun ist das aber nicht ganz der Fall. Eine altbekannte meteorologische Beobachtung und thermodynamisches Prinzip steht dem im Weg. Eine trockene Luftmasse kühlt sich beim Aufsteigen in der Luftsäule starker ab als eine feuchte Luftmasse. Der Unterschied zwischen beiden ist der zwischen dem trocken- adiabatischen Temperaturgradienten (~ 10°C/km) und dem feucht-adiabatischen Temperaturgradienten (~ 4°C/km). Das bedeutet natürlich, je mehr Wasserdampf in der Atmosphäre ist, umso stärker ist einerseits dessen Treibhauseffekt, aber umso mehr nähern wir uns auch einem feucht-adiabatischen Temperaturgradienten an. Letzteres bedeutet, dass sich die obere Troposhäre starker erwärmt als die untere Atmosphäre (so wird ja gerade der Temperaturgradient kleiner, siehe Bild 3c).
Wenn aber die obere Troposphäre wärmer ist, so strahlt sie auch bei dieser etwas höheren Temperatur ab und verringert so den ursprünglichen Treibhauseffekt des Wasserdampfs. Diesen Mechanismus nennt man Lapse Rate Feedback und er ist der einzige allgemein anerkannte negative Feedback im Klimawandel, der nicht von zweiter Grössenordnung ist. Beide Mechanismen, der eigentliche Treibhauseffekt erhöhter Wasserdampfkonzentrationen und der durch diesen erhöhten Wasserdampf abflachende vertikale Temperaturgradient und somit der Lapse Rate Feedback, werden üblicherweise in einem Term zusammengefasst. Kurz, der Wasserdampf-Feedback.
Dessler und Sherwood erinnern also in ihrem kurzen Beitrag an diese beiden mittlerweile als sehr robust angesehenen Erkenntnisse: 1) Die “Befeuchtung” der mittleren und oberen Troposphäre wird von der grossräumigen Zirkulation kontrolliert. Ein wärmeres Klima wird feuchter über die gesamte atmosphärische Säule werden, wobei die relative Feuchte ungefähr konstant bleibt. 2) Der Treibhaus-Effekt dieser zusätzlichen Feuchte ist stark mit einem flacheren vertikalen Temperaturgradienten verbunden. Die Kombination der beiden ist DER Wasserdampf-Feedback und seine Grösse ist über alle Modelle hinweg ziemlich stabil.
Gibt es bereits direkte Bestätigungen für diese Rolle des Wasserdampfs? Eine ganze Reihe von Beobachtungen stehen mitlerweile zur Verfügung, alle unterstreichen die Rolle des Wasserdampfs als positiver Feedback und sind in Übereinstimmung mit der abgeschätzten Grössenordnung: El Niño Ereignisse (hier), Pinatubo Ausbruch (hier und hier), oder die Erwärmung der letzten Dekaden (hier), über die ich hier bei Primaklima bereits berichtete (siehe auch hier den Beitrag bei Jörg Zimmermann).
In einem Interview auf Science PodCast fasste Andrew Dessler seine Resultate zusammen. Der Wasserdampf-feedback sei qualitativ und quantitativ mittlerweile sehr gut verstanden. Er zumindest werde sich in Zukunft eher dem Thema widmen, bei dem wissenschaftlich noch vieles unklar ist und noch vieles verstanden werden mus: Der Rolle der Wolken und ihre Reaktion auf die vor sich gehende Erwärmung.
Literaturliste:
Pierrehumbert RT, Brogniez H, and Roca R 2007: On the relative humidity of the atmosphere. in The Global Circulation of the Atmosphere, T Schneider and A Sobel, eds. Princeton University Press.
I. Folkins, K. K. Kelly, E. M. Weinstock, J. Geophys. Res.
107, 4736 (2002).
P. M. D. Forster, M. Collins, Climate Dyn. 23, 207 (2004).
Soden, B. J., R. T. Wetherald, G. L. Stenchikov, and A. Robock, 2002: Global cooling after the eruption of Mount Pinatubo: A test of climate feedback by water vapor. Science, 296(5568), 727-730.
Soden, B. J., D. L. Jackson, V. Ramaswamy, M. D. Schwarzkopf, and X. Huang, 2005: The radiative signature of upper tropospheric moistening. Science, 310(5749), 841-844.
Inamdar, A. and V. Ramanathan, 1998: Tropical and Global Scale Interactions Among Water Vapor, Atmospheric Greenhouse Effect, and Surface Temperature. J. Geophys. Res. Atmospheres, 103(D24): 32,177-32,194.
Dessler, A.E., Z. Zhang, and P. Yang, The water-vapor climate feedback inferred from climate fluctuations, 2003-2008, Geophys. Res. Lett., 35, L20704, DOI: 10.1029/2008GL035333, 2008.
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