Ein Arbeitskollege und Freund reichte mir am Wochenende ein kleines Büchsen in die Hand: Arthur Schopenhauer “L’Art d’avoir toujours raison” ( “Die Kunst, immer Recht zu behalten“). Da drin, so meinte er mit einem anerkennenden Gemurmel zur deutschen Philosophie, stünde alles, was man zum Umgang mit Klimaskeptikern wissen müsse. Schluck. Der Schopenhauer?
Bild 1: Die Kunst immer Recht zu haben, die Bibel der Klimaskeptiker.
Zuerst habe ich mich natürlich geärgert, dass ich den Text nicht in der Gesamtausgabe finden konnte. Haben die Franzosen da eine gesamtere Gesamtausgabe? Nach etwas Herumblättern fand ich dann in den Parerga und Paralipomena II in der Diogenes Ausgabe einen Aufsatz mit dem Titel Zur Logik und Dialektik in dem Schopenhauer sich bereits auf diesen Text bezieht.
Die Leute hingegen , wie sie in der Regel sind, nehmen es schon übel, wenn man nicht ihrer Meinung ist: dann sollten sie aber auch ihre Meinung danach einrichten, dass man denselben beitreten könnte. Nun aber gar an einer Kontroverse mit ihnen wird man, selbst wenn sie nicht zur oben erwähnten ultima ratio stultorum [letzten Zuflucht der Dummen (gemeint sind ad hominem Attacken GH)] greifen, meistens nur Verdrusz erleben; indem man dabei es nicht allein mit ihrer intellektuellen Unfähigkeit, sondern gar bald auch mit ihrer moralischen Schlechtigkeit zu thun haben wird. Diese nämlich wird sich kund geben in der häufigen Unredlichkeit ihres Verfahrens beim Disputiren. Die Schliche, Kniffe und Schikanen, zu denen sie, um Recht zu behalten, greifen, sind so zahlreich und mannigfaltig, und dabei doch so regelmäszig wiederkehrend, dasz sie mir, in früheren Jahren, ein eigener Stoff zum Nachdenken wurden, welches sich auf das rein Formale derselben richtete
Und die Frucht dieses Nachdenkens heisst eben “Eristische Dialektik, oder, die Kunst Recht zu behalten” Ich übertreibe nicht: Fast jede der “Diskussionen” mit Klimasketikern im Internet lassen sich auf Elemente dieser Diskussionstrategien Schopenhauers zurückführen. Hier befindet sich eine Online Version dieses Textes und der Kunstgriff 28, das Argument ad auditores, passt meiner bescheidenen Meinung nach auf vieles, was sich auch hier immer wieder findet, wie die Faust aufs Auge:
Dieser ist hauptsächlich anwendbar, wenn Gelehrte vor ungelehrten Zuhörern streiten. Wenn man kein argumentum ad rem (zur Sache gehörend) hat und auch nicht einmal eines ad hominem, so macht man eines ad auditores, d.h. einen ungültigen Einwurf, dessen Ungültigkeit aber nur der Sachkundige einsieht. Ein solcher ist der Gegner, der Zuhörer aber meist nicht: er wird also in ihren Augen geschlagen, zumal wenn der Einwurf seine Behauptung irgendwie in ein lächerliches Licht stellt. Zum Lachen sind die Leute gleich bereit, und man hat die Lacher auf seiner Seite. Um die Nichtigkeit des Einwurfs zu zeigen, müßte der Gegner eine lange Auseinandersetzung machen und auf die Prinzipien der Wissenschaft oder sonstige Angelegenheit zurückgehn: dazu findet er nicht leicht Gehör.
Exempel. Der Gegner sagt: bei der Bildung des Urgebirges, war die Masse, aus welcher der Granit und alles übrige Urgebirg kristallisierte flüssig durch Wärme, also geschmolzen: die Wärme mußte etwa 200° R sein: die Masse kristallisierte unter der sie bedeckenden Meeresfläche. – Wir machen das argumentum ad auditores, daß bei jener Temperatur, ja schon lange vorher bei 80°, das Meer längst verkocht wäre und in der Luft schwebte als Dunst. – Die Zuhörer lachen. Um uns zu schlagen, hätte er zu zeigen, daß der Siedepunkt nicht allein von dem Wärmegrad, sondern eben so sehr vom Druck der Atmosphäre abhängt: und dieser, sobald etwa das halbe Meereswasser in Dunstgestalt schwebt, sosehr erhöht ist, daß auch bei 200° R noch kein Kochen stattfindet. – Aber dazu kommt er nicht, da es bei Nichtphysikern einer Abhandlung bedarf.
Wer Spass daran hat, kann z.B. so gut wie jeden Satz Dirk Maxeiners zum Klimawandel auf einen der eristischen Kunstgriffe verteilen. Maxeiner, da gehe ich sicher von aus, hat Schopenhauers Anleitung zu “Schlichen, Kniffen und Schikanen” gefressen. “Wasserdampf ist das wichtigste Treibhausgas, Pflanzen brauchen es zum Leben, der Mensch emittiert nur 3% und besteht zu 90% aus Wasser, Zitieren von völligen Junkpapers (ich sag nur Jaworowski ); die Wirkung des CO2 ist logarithmisch und daher sind ihr natürliche Grenzen gesetzt (das ist wahrscheinlich für diejenigen, die noch nie die Logarithmus Funktion gesehen haben)”. Bei Maxeiner findet man absolut jede logical fallacy seit der Mensch die ostafrikanische Savanne verlassen hat.
Oder man betrachte hier eine Diskussion mit Lord Christopher Monckton, 3rd Viscount Monckton of Brenchley (Teil I-XV ). Absolut jede seiner Reaktionen plumpst haargenau in eine der 28 Tricks von good old Schopenhauer.
Bild 2: Arthur Schopenhauer, scharfe Frisur und ebenso scharfe Analyse, was bei Diskussionen mit Klimaskeptikern alles so wissen muss.
Und hat man erst einmal die grosse Frustration solcher Diskussionen, die entgegen jeder anderslautenden Hoffnungen 99% aller Diskussionen zum Thema Klimawandel ausmachen, tief im Herzen verspürt, dann ist man tatsächlich etwas weniger optimistisch, was die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Verbesserungen und Änderungen zukünftiger IPCC Berichte angeht. Nicht dass es nicht etwas zu verbessern gäbe. Alles im Leben kann man noch verbessern (allerdings nicht frisches Graubrot mit Guterbutter und Cervelat ). Aber wer glaubt, dass, wenn man meinethalben alle Änderungen, die etwa das IAC, die internationale Vereinigung der nationalen Akademien der Wissenschaft, zu Management und Organisation des IPCC vorgeschlagen hat, annähme und in die Tat umsetze und wenn man obendrein zu den existierenden globalen Temperatur-Datensätzen und deren unabhängiger Evaluierung noch eine weitere unabhängige Evaluierung hinzunähme, dass dann irgendeine der Diskussionen im Internet zum Klimwandel und irgendein Aufsatz von Maxeiner auch nur einen Nanolayer anders verlaufen bzw. anders geschrieben würde, der sollte einfach mal dieses kleinen Büchlein Schopenhauers lesen und sich eines besseren belehren lassen:
Eristische Dialektik 1) ist die Kunst zu disputiren, und zwar so zu disputiren, daß man Recht behält, also “per fas et nefas” [mit Recht wie mit Unrecht]. 2) Man kann nämlich in der Sache selbst “objektive” Recht haben und doch in den Augen der Beisteher, ja bisweilen in seinem eigenen, Unrecht behalten. Wann nämlich der Gegner meinen Beweis widerlegt, und dies als Widerlegung der Behauptung selbst gilt, für die es jedoch andere Beweise geben kann; in welchem Fall natürlich für den Gegner das Verhältnis umgekehrt ist: er behält Recht bei objektivem Unrecht. Also die objektive Wahrheit eines Satzes und die Gültigkeit desselben in der Approbation der Streiter und Hörer sind zweierlei.
Woher kommt das? – Von der natürlichen Schlechtigkeit des menschlichen Geschlechts.
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