Was war geschehen? Ein mir gänzlich unbekannter Hydrologe , Klimawissenschaftler im weitesten Sinne und Direktor des Pacific Institute, Peter Gleick, hat sich beim Heartland Institut als irgendein wichtiger Mister X vorgestellt und Ihnen gesagt, sie sollen mal einfach, das ganze vertrauliche, interne Zeug rüberschicken, was Sie so bei sich herumliegen haben. Also schickten ihm die Heartlander dann auch einfach mal das Budget 2012
und ein paar Strategiepapiere rüber, die erläutern, wie sie auch in Zukunft ihre etwas eigentümliche Auffassung von Klimaforschung und Forschung im Allgemeinen unters Volk bringen möchten. Peter war dann wohl von so viel Glück übermannt und schickte den ganzen Senf anonym weiter an Journalisten und Blogger. No big deal, würde man vielleicht meinen. Es gibt aber in der Klimadebatte nur noch big deals und so endete das Ganze eben nicht in einer Diskussion, was steuerlich begünstigte Institutionen, wie das Heartland Institut, so tun dürfen oder tun sollten, sondern in eine Diskussion, was einen guten Wissenschaftler ausmacht und was der darf und soll.
Bild 1: Peter “Ödipus” Gleick, denkt gerade darüber nach, wie er eine alles zum Stillstand bringende Tragödie über die Klimawissenschaften bringen könne. Vielleicht war er aber auch nur so richtig sauer über 27 Jahre Tatsachenverdrehungen und Pseudowissenschaft und wollte dem Heartland Institut mal ein Ei auf die Schiene nageln? Foto: Wendy Gregory/Pacific Institute
Doch bevor ich dazu etwas sage, noch ganz kurz was bei dieser unter dem Namen Heartlandgate bekannt gewordenen Affaire rausgekommen ist: Nicht sonderlich viel. Das Heartland Institut ist ein amerikanischer, wirtschaftsliberaler “think tank”, dessen Spezialität Umweltthemen sind. Vornehmlich vermögende Firmen und Einzelpersonen geben Ihnen ein paar Millionen $ und Heartland organisiert dann entsprechende Public Relations. Früher haben sie bewiesen, dass Rauchen kein Problem für die Gesundheit darstellt und jetzt zeigen sie klar auf, dass CO2 kein Gas ist, schon gar kein klimawirksames. Früher hat Philipp Morris die Rechnung bezahlt, und jetzt? Wie die von Gleick veröffentlichten Dokumente zeigen, gehören zu den Gebern etwa Koch Industries, das zweitgröszte Privatunternehmen der USA mit jährlichen Einnahmen in der Gröszenordnung von 100 Milliarden $, die sich hauptsächlich mit der Errichtung von Ölpipelines und anderen Ölförderungstechniken beschäftigen. Es mag wiederum nicht als riesiggrosze Überraschung daherkommen, aber das Heartland Institute hat zusammen mit den Koch Brüdern eine sehr kritische Haltung zur Klimaforschung und gibt daher ein Teil des gespendeten Geldes an skeptische Klimaforscher wie Willie Soon (1000$ pro Monat), Fred Singer (5000$ pro Monat) und skeptische Blogger (Anthony Watts für besondere Verdienste und seine Webseite mit Fotos von Wetterstationen, 88.000 $) weiter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendetwas in diesen Dokumenten irgendwie eine Überraschung für irgendjemanden darstellt. Ölindustrielle geben Geld an eine Organisation, die wissenschaftlich aussehende Dokumente produziert und wissenschaftlich aussehende Konferenzen organisiert, und dafür an die beteiligten Blogger und Klimawissenschaftler Geld bezahlt. Hund beisst Mann, alles hat seine Ordnung. Ach vielleicht doch: Microsoft war auch unter den Spendern und ich dachte immer, dass Bill Gates jetzt nur noch an seiner Heiligsprechung arbeitet? So oder so, ich bleib bei Macintosh.
Das Ganze hat nun rechtliche, gesellschaftliche und, zu meiner Überraschung, ethisch-moralische Implikationen. Nur falls Zweifel existieren: doch, doch “ethisch-moralische” Implikationen, nicht weniger als das!
1) Rechtlich. Ist da irgendetwas illegal gewesen?
Das Heartland Institut darf sogar das Schweben durch Pfurzen als wissenschaftliche Tatsache verkaufen. Unsinn ist in keinster Weise justiziabel und “wissenschaftlich” ist kein in irgendeiner Weise geschützter Begriff.
Während Spenden an Politiker in den USA namentlich und begrenzt bei 1000 $ erfolgen müssen, können Spenden an allgemein politisch motivierte Organisationen in jeder Höhe und zumindest praktisch anonym erfolgen. Das gilt sogar nach jüngsten Urteilen für solche Organisationen wie die Super PACs, die praktisch direkt die verschiedenen Präsidentschaftskandidaten begleiten und TV Spots und Anzeigen schalten, genau wie das eigentliche Wahlkomittee. Anscheinend sind Think Tanks wie das Heartland Institut nicht zur Veröffentlichung der Spendernamen verpflichtet, was ich aber eigentlich als normal ansehen würde. Schliesslich steht sowohl auf Seiten des Instituts und, so weit ich das verstehe, auch bei den Gebern Steuerbefreiungen im Raum, so dass eine Veröffentlichung der Summen und ihrer Spender eigentlich ganz normal sein sollte. Nun, dank Peter Gleick wissen wir jetzt auf jeden Fall ein bisschen mehr.
Wie sieht es aus bei Peter Gleick? Wahrscheinlich keine grosze Sache. Die Strafbarkeit einer Handlung (in diesem Fall das Entwenden und Veröffentlichen interner Dokumente) ist meist mehr oder minder linear verknüpft mit den zu überwindenden Schwierigkeiten, diese zu begehen. Ein Paket mit Geld, was einmal auf der Strasze, einmal im unverschlossenen Kofferraum oder einmal verschlossen zu Hause im Kleiderschrank liegt und dann entwendet wird, führt denn auch mal zu einer Strafe wegen eines Verstoszes gegen das Fundrecht, mal zu einer Strafe wegen Diebstahls oder Einbruchdiebstahls. Da Gleick sich lediglich telephonisch oder per Mail mit einem anderen Namen meldete und er daraufhin schon die ganzen Dokumente zugemailt bekam, nehme ich mal an, dass dabei nicht wirklich etwas herauskommen wird. Im schlimmsten Fall eine Woche die Community Hall sauber machen.
2) Und die Moral in der Geschichte?
Ich kann das Vorgehen des Heartland Instituts nicht wirklich als unmoralisch sehen. Verglichen mit Homoeopathen- und Wunderheiler Kongressen, die Schwerkranken Melissengeist zur Krebsheilung empfehlen, kann man bei einigen der Themen des Heartland Instituts zumindest das echte wissenschaftliche Thema noch entfernt im Nebel ausmachen. Rheumadecken an wehrlose Rentner wurden auch an niemanden verkauft. Von daher…
Wie sieht es aber bei Peter aus? Peter Gleick soll ja nun die Moral der ganzen Wissenschaftsgemeinde in den Schmutz gezogen und die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft schwer beschädigt haben. Selbst wenn man so etwas aus dem Verhalten eines einzelnen schliessen und dann auf den gesamten Berufszweig dieser Person übertragen könnte, halte ich das für Nonsens. Das Vergehen Gleicks liegt in meinem kleinen moralischen Vademecum zwischen “Kirschen aus Nachbars Garten stehlen” und “in die Einbahnstrasse falsch reinfahren, um den Parkplatz zu ergattern”. Ist es deswegen schon das Cleverste, was einem Klimaforscher in Sachen Öffentlichkeitsarbeit bisher eingefallen ist? Sicher nicht. Aber andere sehen das anders.
Bild 2: Eine schreckliche Tragödie ist über Ödipus Gleick hereingebrochen. Wissenschaft besudelt, Job in der Ethik-Komission dahin und ausserdem ist seine Tochter gleichzeitig seine Tante.
Um das mal genauer zu betrachten, hier kurz das, was Mike McPhaden, dem Präsidenten der AGU, zum casus Heartland, sorry, zum casus Gleick, einfällt.
Peter Gleick resigned as chair of AGU’s Task Force on Scientific Ethics on 16 February, prior to admitting in a blog post that he obtained documents from the Heartland Institute under false pretenses. His transgression cannot be condoned, regardless of his motives. It is a tragedy that requires us to stop and reflect on what we value as scientists and how we want to be perceived by the public. Here are a few things that come immediately to mind:
• The success of the scientific enterprise depends on intellectual rigor, truthfulness, and integrity on the part of everyone involved. The vast majority of scientists uphold these values every day in their work. That’s why opinion polls show that public trust in scientists is among the highest of all professions. Public trust is essential because it provides the foundation for society’s willingness to invest in scientific exploration and discovery. It is the responsibility of every scientist to safeguard that trust.
• As a community of scientists, we must hold each other to the highest ethical standards. This is why AGU established its Task Force on Scientific Ethics, in 2011, to review and update existing policies and procedures for dealing with scientific misconduct. Long before the Heartland incident, we recognized the need to have clear and broad principles and procedures that expressed the value of scientific integrity and ethics embodied in our new strategic plan. More than ever, AGU needs a clear set of guidelines that encompasses the full range of scientific activities our members engage in. The task force, now under the leadership of Linda Gundersen, director of the Office of Science Quality and Integrity at the U.S. Geological Survey, will complete its work with a renewed sense of urgency in view of recent events. Union leadership will ensure that these standards of ethical conduct are widely communicated to the membership and that they become an integral part of AGU’s culture.
• All of this must be done with an eye to the future and to nurturing the next generation of Earth and space scientists. Today’s students must learn, especially through the example of senior scientists, that adherence to high standards of scientific integrity applies in all that we do: from research practices, to peer-reviewed publications, to interactions with colleagues, and to engaging with the public and policy makers. The lofty goal we set for ourselves of providing benefit to society through our research can be achieved only if we pursue our mission with the utmost honesty, transparency, and rigor.
Ich halte das nicht nur für ganz aussergewöhnlich pompös (wie oft war da jetzt rigor, integrity und ethical conduct?) und überzogen (wenn Gleick’s hoax jetzt eine “Tragödie” griechischen Ausmaszes für die Wissenschaft ist, welche uns alle erst einmal inne- und die Uhren anhalten, die Telephonkabel durchtrennen lassen und uns sogar dazubringen sollte, den Hunden ihre saftigen Knochen wegzunehmen, was hätte dann erstmal damals los sein sollen, als mir der Kaffee in meine Macintosh Tastatur gelaufen ist? Denn das war nun wirklich eine Tragödie), ich halte es auszerdem für falsch und auf subtile Weise hoch-arrogant: Die Gesellschaft hat nicht Vertrauen in die Wissenschaft, weil sie überzeugt ist, dass Wissenschaftler von äusserst möglicher Ehrlichkeit und Strenge geprägt seien, sondern weil Wissenschaft funktioniert. Jeden Tag. Technik ist Wissenschaft in action und jedes GPS, was vom Besitzer ohne grosz nachzudenken eingeschaltet wird, schafft tausend Mal mehr Vertrauen in die Wissenschaft als es hunderte von “utmost rigor and honesty” geprägte Doktoranden je vermögen würden. McPhaden überträgt mönchisch-priesterliche Tugenden auf Wissenschaftler, ganz der Annahme folgend, dass ja die Wissenschaft die Religion in ihrer sozialen Rolle beerbt habe. Doch gute Wissenschaft ist keine Charakterfrage. Es ist wohl besser, sich gleich von vorneherein zu merken: Wissenschaftler sind genau die gleichen erbärmlichen, neidischen, nach Anerkennung und Macht lechzenden kleinen Arschlöcher wie der Rest der Menschheit.
Und schliesslich: Welch Arroganz! Wissenschaft funktioniert in seiner sozialen Aufgabe nur dann, wenn alle Wissenschaftler menschlich zwischen Mutter Theresa und Franz von Assisi angelegt sind. Und der Rest der Menschheit? Wie sieht es mit deren Berufen und sozialen Rollen aus? Brauchen die vielleicht auch ein bisschen honesty und rigor? Ach Quatsch, die dürfen ruhig sein, wie sie sind, diese unwichtigen Würmchen: Politiker, Ärzte, Journalisten, Fussballer, Opernsängerinnen, ihr dürft ruhig! Honesty und rigor und ethical conduct, für euch kleinen Scheisser spielt das eh keine Rolle.
Um ehrlich zu sein, wenn ich einen Wunsch frei hätte und mir eine einzige Berufsgruppe aussuchen könnte, der ich Strenge, Ehrlichkeit und Ethik bis zum überlaufen verpassen könnte, um aus diesen Planeten einen besseren Ort zu machen, ich würde zwischen Automechanikern und Klempnern wählen.
PS Von allen guten Geistern verlassen, verschickte das Heartland Institut übrigens dutzendfach juristisch getönte Drohbriefe an Blog-Betreiber, die die in Umlauf geratenen Dokumente diskutieren, zitieren, berühren oder danach riechen. Primaklima last sich natürlich nicht zweimal bitten. Hier das besoonders umstrittene Dokument, von dem Gleick behauptet, jemand hätte ihm vor der eigentlichen Aktion zugeschickt und von dem das Heartland Institut behauptet, dass es eine gemeine Fälschung wäre, als ob in dem Dokument nicht genau das Gleiche stünde, was man ihrem Budgetplan nicht ohnehin schon entnehmen könnte. Na, in jedem Fall, hier und hier die beiden Seiten dieses echten oder falschen Dokuments.
PPS h/t an die Klimazwiebel mit McPhadens Text.
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