Die Umfrage von gestern zum Vertrauen in die Wissenschaft war zumindest für mich sehr interessant und zeigte einige überraschende Ergebnisse. Hier nur ein paar von Ihnen:
1) Es ist sauschwierig, die möglichen Antworten so zu formulieren, dass jede Frage in Wortwahl und Form wirklich gleichwertig zu den anderen ist. Beispiel: “Weil Wissenschaft sich als System sich selbt kontrolliert”. Da schwingt etwas von Systemtheorie, von Luhmann und Maturana mit, es klingt einfach intellektuell und sicher deutlich cooler als “Hat man mir in der Schule eingebläut”. Es ist aber durchaus möglich die fast gleichen Aussagen so zu formulieren, so dass das mit der Coolness nicht mehr so klar ist: “Weil Wissenschaft eben immer letztlich das Richtige macht” und “Weil Wissenschaft eine wichtige Säule unseres Erziehungssystems ist”. Jetzt klingt die erste Antwort deutlich nach “Das ist eben so, Basta” und die zweite gar nicht mehr nach “Einbläuen”, obwohl es doch da durchaus in der Schule drumgeht. Ich will das jetzt gar nicht weiter vertiefen. Aber solche Fragen/Antworten wirklich “fair” zu formulieren scheint mir wirklich eine Kunst für sich.
2) Scienceblogs Leser sind nicht repräsentativ. Wahrscheinlich mit Hochschulausbildung, wahrscheinlich naturwissenschaftlich schwer vorbelastet, wahrscheinlich männlich, wahrscheinlich zwischen 25 und 50, etc. etc.. Das ist alles nicht besonders geeignet, um etwas über die breite Öffentlichkeit zu erfahren. Aber da müssen wir jetzt mal mit leben. Auf die Frage nach den eigenen Gründen für Vertrauen antworteten bislang 197 Leser und auf die nach den Gründen für die breite Öffentlichkeit 150 Leser. Alles in nur 24 Stunden. Ich finde es doch ziemlich fantastisch, wie schnell wir hier auf Primaklima mal so eine fixe Umfrage organisieren und durchaus relevante Antworten bekommen können.
3) Bei den eigenen Gründen liegen ganz klar die beiden Antworten “Weil Wissenschaft als System sich selbst kontrolliert” (~40%) und “Weil unser gesamter Alltag von Wissenschaft und ihren Anwendungen durchdrungen ist, die jeden Tag funktioniert “(~31%) vorne. Die erste Antworte setzt sicher vorraus, dass ihre Befürworter ein Verständnis davon haben, wie Wissenschaft funktioniert. Ich habe ebenfalls diese Antwort gegeben. Noch Scienceblogs-likelier ist sicher die wirklich mannhafte Antwort “Ich kann das alles selber checken” (immerhin ~17%), eine Antwort von der ich mich verabschiedet hat, als mir meine Frau mal erklären wollte, worum es in ihrem letzten Proposal geht.
4) Die Gründe, die die meisten der breiten Öffentlichkeit für ihr Vertrauen zusprechen, sind ein wenig weniger schmeichelhaft. Aber das hat die breite Öffentlichkeit sicher verdient. Spitzenreiter ist auch wieder mein Favorit “Weil unser gesamter Alltag von Wissenschaft und ihren Anwendungen durchdrungen ist, die jeden Tag funktioniert” (36%) gefolgt von “Nein, die Öffentlichkeit vertraut der Wissenschaft gar nicht” (stolze 30%). Die beiden Gründe, die ein tieferes Verständnis von Wissenschaft vorraussetzen (“System Wissenschaft” und “Selber nachvollziehen”) laufen unter Fernerliefen.
5) Mein Hintergrund für diese Fragen waren natürlich die Vorgänge um Peter Gleick. In mehreren Foren und auch hier diskutierte ich, inwiefern individuelles Fehlverhalten einen Einfluss auf das Vertrauen in die Wissenschaft haben kann. Mike McPhaden, der Präsident der AGU, beschwörte in pathetischen Worten die letzten Werte, denen sich Wissenschaftler verpflichtet fühlen müssen, sonst würde die Wissenschaft das Vertrauen der Öffentlichkeit verlieren. Die kleine Umfrage hier gibt natürlich keine abschliessende Antwort auf diese Frage. Immerhin fühle ich mich doch eher in meiner Meinung bestärkt, dass das Vertrauen der Menschen in Wissenschaft (sei es nun von der “Elite” oder von der breiten Öffentlichkeit) nicht in erster Linie auf einem makellosen Lebenswandel von Wissenschaftlern beruht. Die “Scienceblogs-Elite” vetraute nur zu 1% der Wissenschaft, weil sie Wissenschftler für ehrlich und integer halten und ist auch überzeugt, dass das für die Allgemeinheit kein wichtiger Vertrauensgrund ist (~8%).
Man verstehe mich nicht falsch. Natürlich halte ich auch Ehrlichkeit und Integrität für prima Eigenschaften. Kann eigentlich absolut niemandem schaden, nichtmals Gebrauchtwagenhändlern. Aber es sieht so aus, dass mit solchen EIgenschaften nicht der Kampf um Vertrauen gewonnen wird, zumindest nicht bei den Wissenschaften. Und der Grund dafür ist, dass es andere wichtigere Faktoren gibt, die meisten ganz unabhängig davon, was die Wissenschaftler nun eigentlich so treiben und was sie für Personen sind.
Abschliessend ein Video von einer AGU Session, bei der es um Vertrauen in die Klimawissenschaften ging.
U13C : AGU Fall Meeting 2011 from American Geophysical Union on Vimeo.
Video: Unter anderem Susan Hassol (NOAA) zu richtiger Klimakommunikation und David Cook (skeptical science) zum richtigen Debunken.
Wie schafft man also Vertrauen in die Klimawissenschaften? Hier ein paar etwas selektiv ausgewählte Tipps, die ich in dieser Session aufgeschnappt habe.
1) Kein weibisches Hinknien beim Solarpanel Verlegen sondern heroisch männliches Herumhängen an der Windkraftanlage.
2) Kein Reduzieren, Regeln, Beschränken oder gar Desaster (alles zu vermeidende Ihh-Wörter), sondern nur Innovationen und Unternehmertum.
3) Beim Debunken am besten die zu debunkende Aussage gar nicht erst Wiederholen. Wiederholungen bleiben im Kopf hängen.
4) Wenn du zehn Argumente gegen eine Aussage hast, benutze nur eine.
5) Einfache Aussagen. Diese einfachen Aussagen immer und immer wieder wiederholen.
Was bleibt, ist die Erkenntnis: Ich bin ein lausiger Kommunikator.
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