Das ist zuerst einmal ein ganz normaler Blogbeitrag. Es geht um die Quellen von Methan auf dem Mars, die Möglichkeit von immer noch oder zumindest ehedem vorhandenen Leben dort und dem all das beschreibenden Nature Paper. Da aber mit “Life on Mars” eines meiner alltime Lieblingssongs somit Thema ist und dieser einer der meist gecoverten Songs der Popgeschichte ist, schlage ich hier parallel zur hoffentlich aufmerksamen Lektüre dieses Beitrags das gleichzeitige Lauschen und Bewerten dieser fünf Versionen vor. Auch die Science-Bloggerszene steht unter enormen Erfolgsdruck und einfach nur einen trockenen, abstossenden und voll arroganten Wissens steckenden Text schreiben, ist längst nicht mehr genug. Dies ist also der erste, echte Multimediabeitrag auf Primaklima.
Version 1: Das Original. Normalerweise ja immer die beste Version jeden Songs. Bowies Handicap: Gesungen und als Videoclip produziert in einer Zeit, in der absolut nichts als cool überlebt hat. Die “crazy” Schminke, die Drogen, die Farben. “Has Mickey Mouse grown up a cow?” Dada oder gaga?
Zurück zum Thema des Nature Papers “Ultraviolet-radiation-induced methane emissions from meteorites and the Martian atmosphere”, welches in dieser Woche herauskam. Die Studie ist wesentlich eine Studie des Max Planck Instituts für Chemie und des IMAU in Utrecht, wo ich zur Zeit arbeite und weswegen ich auch zugegeben erst auf dieses Paper aufmerksam wurde.
Bild 1: Bestrahlt man Bruchstücke des Murchison Meteoriten mit UV Strahlung setzt instantan Methanproduktion ein. Durch “Schütteln” kann diese Produktion erneut stimuliert werden.
Satelliten haben auf dem Mars Methan gemessen. Wer wusste das nicht? Hand hoch! Die aus IR Spektren, gemessen von Satelliten, abgeleiteten CH4 Konzentrationen sind nichtmals soo niedrig, wie man das vielleicht von einem groszen, kalten Klumpen Fels im All da draussen erwarten würde. 8-15 p.p.b (parts per billion, zum Vergleich, auf der Erde liegen wir momentan bei 1800 ppb) sind schon eine ganze Menge auf einem Planeten ohne jede aktive biochemische Prozesse, i.e. Leben. Auf der Erde sind praktisch alle Methanquellen, also die natürlichen wie Sümpfe genau so wie die anthropogenen Quellen wie Müllhalden oder Reisanbau, der anäroben Zersetzung organischen Materials geschuldet. Also entweder es gibt bislang unbekannte bzw. unterschätzte Methanquellen oder vielleicht stimmt das doch nicht mit dem leblosen Mars? Um nämlich solche Konzentrationen in der Gröszenordnung von 10 ppb unter den Bedingungen auf dem Mars aufrecht zu erhalten, bedarf es nämlich ganz schon kräftger Methanflüsse. Einmal in die sehr, sehr dünne Atmosphäre des Mars entlassen, wird das Methan nämlich ruck zuck durch die praktisch ungehindert einfallende UV Strahlung der Sonne zersetzt. Die sehr geringe martianische Ozonkonzentration bietet so gut wie keinen Schutz. Daher braucht man 200-300 Tonnen Methan pro Jahr, um bei den berechneten Methanzersetzungsraten die atmosphärische Konzentration erklären zu können. Eine ganze Menge für einen toten Planeten.
Version 2: Unglaublich cool und jazzy. Lise und Gertrud (!) aus Schweden in der minimalistischen Life on Mars Version. Wer hat Gertrud erzählt, dass man so Cello spielen darf? “See the mice in the million hordes”. Genial.
Frank Keppler und Co-Autoren haben einfach mal das Naheliegende getan und haben mal das Material, das verdächtigt wird, eine mögliche Methanquelle zu sein, den Bedingungen auf dem Mars ausgesetzt. Welches Material ist das? Es gibt einen permanenten Fluss von Meteoriten, die auf die Planeten unseres Sonnensystems niederrieseln. Während auf der Erde oder der Venus mit ihren sehr dichten Atmosphären die meisten kleinen Meteoriten beim Anflug verglühen, geht auf den Mars ein geschätzter Meteoritenregen von sage und schreibe 2700 bis 59000 Tonnen Material nieder. Das meiste sind Mikrometeoriten, sogenante Chondriten, von denen einige einen hohen Kohlenstoffanteil haben und sogar zu bis zu 2% aus organischem Material bestehen. Kommt das Methan also daher?
Version 3: Yann Tiersen und Neil Hannon in der frenchy Version von “Life on Mars”. Tiersen ist der Komponist der Musik zu “Amelie” und spielt häufig mit den fantastischen “Tetes raides” auf. Hier singt aber Neil Hannon.
Um das herauszubekommen, nahmen die Wissenschaftler Bruchstücke des sogenannten Murchison Meteoriten und bestrahlten sie mit genau der Mischung von UVA und UVB Strahlung, wie sie auch auf dem Mars herrscht. Der Murchison Meteorit fiel im Jahre 69 auf – ganz richtig- Murchison, einem kleinen Ort in Australien nieder und ist mit seinen mehr als 100 kg einer der meist untersuchten Meteorite überhaupt. Was geschah also bei der UV Bestrahlung (Bild 1)? Jedesmal wenn die UV Strahlung angeschaltet wurde, kam es tatsächlich zu einer kräftigen CH4 Produktion mit einem sehr charakteristischen, sich wiederholenden Verlauf. Das bestätigt in der Tat, was man auch schon vorher wusste: Es gibt eine Reihe Möglichkeiten der nicht-bakteriellen oder allgemeiner der nicht irgendwie mit Leben zusammenhängenden Produktion von Methan.
Bild 2: Wo liegt der Methanfluss des Murchison Meteors in einem Isotopen (H/D)/ Isotopen (13C/12C) Diagramm? Auf der 13C/12C Achse unterscheidet er sich nicht sonderlich von terrestrischer Methanflüsse/ Mann muss schon das Deuterium dazunehmen, wenn man ein klar extraterrestrisches Signal sucht.
Die Autoren variierten dann noch eine Reihe von Randbedingungen. So herrschen etwa auf dem Mars Temperaturen zwischen -140°C und +17°C. Die Methanproduktion durch UV Strahlung wäre in der Tat unter den warmen Bedingungen des Mars-Äquators deutlich grosser. Ein besonderer Clou dieser Arbeit war aber, dass selbst die Isotopische Zusammensetzung des Methans gemessen werden konnte, also die 13C/12C Zusammensetzung des C im CH4 und die 1H/2H=H/D Zusammensetzung im H. Das Resultat ist in mehrerer Hinsicht interessant.
1) Das 13C Signal gibt wenig her, um das Murchison Methan von terrestrischen Methanquellen zu unterscheiden. Würde man also möglicherweise mit ungeheurem Aufwand ein Massenspektrometer auf den Mars schicken, um dort in situ Messungen des Methans durchzuführen, dann würde dieses isotopische Signal allein tatsächlich eher auf “Life on Mars” deuten.
2) Tatsächlich hat man aber das organische Material (verschiedene Aminosäuren etc.) des Meteoriten bereits auf sein Isotopensignal hin untersucht. Man fand einen 13C Bereich von -2‰ bis +43‰. Die Methanmobilisierung durch UV Strahlung hat also eine ganz kräftige isotopische Fraktionierung durchgeführt, die uns “leider” von einem klar extraterrestrischen Signal zurück zu einem sehr terrestrischen zurückbringt.
3) Gott-sei-Dank gibt es aber noch das Deuterium im CH4 und das scheint klar eine Unterscheidung zwischen extraterrestrischen und terrestrischen Quellen zu erlauben.
Version 4: The Ukulele Orchestra of Great Britain. “This is a song about plagiarism. Wasn’t our own idea”.
Ist dieser Meteoritenfluss also die Quelle von Methan auf dem Mars? Es würde ja zumindest erfordern, dass praktisch der gesamte Kohlenstoff, der in den Chondriten verborgen ist, durch die UV Strahlung mobilisiert werden kann. Das hört sich erstmal sehr unwahrscheinlich an, denn schliesslich dringt UV Strahlung nur wenige Nanometer in die Mineralstruktur solcher Meteoriten ein. Ich fragte mich sogar zu Beginn, warum es überhaupt zu einer Mobilisierung des Methans durch UV Strahlung gerade an der Marsoberfläche kommen und nicht schon lange vorher? Schliesslich hat die UV Strahlung lange genug Zeit, den durch den interplanetaren Raum fliegenden Meteoriten zu bebruzeln. Antwort gibt nochmal Bild 1. Mechanische Erschütterungen reichen aus, um die Oberfläche des Meteoriten wieder “aktiv” werden zu lassen und die entsprechenden organischen Moleküle aufs Neue der UV Strahlung auszusetzen. Diese Form der mechanischen Erosion findet nicht nur beim “Aufschlag” auf der Mars Oberfläche statt, sondern sicher auch bei der permanenten Erosion allen Materials durch die riesigen Sandstürme auf dem Mars.
Version 5: The London Philharmonic Orchestra. “It’s a God awful small affair “. Rummms.
Zusammenfassend kommen die Autoren zu dem Schluss, dass diese Art der Methanproduktion durch UV Bestrahlung organischen Materials in Meteoriten durchaus die gemessenen martianischen Methankonzetrationen in der Gröszenordnung von ~10ppb erklären könnten. Ganz ohne Life on Mars.
PS. So, jeder hat diesen Artikel jetzt unter der musikalischen Begleitung meiner Top Five “Life on Mars” Versionen gelesen. Jetzt wird abgestimmt. Was ist die beste Version?
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