In einem seiner letzten Artikel schrieb Axel Bojanowski in Spiegel online mal wieder über den Stillstand der Erderwärmung und, was das wohl zu bedeuten hätte. In dieser ihm ganz eigenen Mischung aus Häme und aus für einen Wissenschaftsredakteur ganz eigenwilligen Interpretation von Unsicherheiten in der Forschung (“sind Zeichen von Schwäche”) und von auch nur der kleinsten Entwicklung im wissenschaftlicen Kenntnisstand (“haben mal wieder ihre Meinung geändert, die Eierköpfe”) schreibt er unter anderen:” Die Temperaturentwicklung der letzten Jahre lässt sich fast nach Belieben als leichte Erwärmung oder leichte Abkühlung darstellen, je nachdem, welche Messreihen zugrunde gelegt werden. Strittig ist dabei allenfalls, ob die Pause 16 oder 13 Jahre dauert”. “Nach Belieben”, also je nach dem ob es einem beliebt oder nicht. Eine Alternative zum “Belieben” wäre möglichst viele Temperaturdatensätze zu nehmen und einfach mal nachzuschauen, ob man die unterschiedlichen Trends auf nun gerade 13 oder 16 Jahren auf Grund der Unsicherheiten und der Variabilität der verschiedenen Datensätze verstehen kann.
Ich habe also mal HadCRU3 , HadCRU4 , GISS und die Berkeley Temperaturreihen genommen und lineare Regressionen (meist einfach Trends genannt) berechnet. Vieles, was jetzt kommt, könnte man wahrscheinlich im Spektralraum sauberer darstellen. Man würde dann die jeweiligen Zeitserien Fourier-transformieren und könnte dann sicher präziser Variabilität auf den verschiedenen Zeitskalen diskutieren. Die Trends haben aber den Vorteil, recht anschaulich zu sein und sich sicher besser für einen Blogbeitrag zu eignen. Ausserdem geht es ja in der Diskussion immer um den Trend der letzten X Jahre und seine Darstellung durch globale Klimamodelle . Also betrachten wir halt mal lineare Trends.
In Bild 1 und 2 habe ich die 4 Zeitreihen zusammengeplottet. Dabei habe ich mir nicht die Mühe gemacht, die unterschiedlichen Referenzzeitabschnitte der Datensätze zu berücksichtigen. Die Temperaturanomalien sind also mal bezüglich des Zeitabschnitts 1951-1980 oder bezüglich 1961-1990 berechnet, was zu einer Verschiebung der Temperaturserien gegeneinander von ca. 0.1C führt. Offensichtlich ist das aber zur Berechnung von Trends völlig irrelevant. Ausserdem kann man so besser etwas auf den Abbildungen erkennen, als wenn wirklich alle vier exakt übereinander geplottet wäre. Die Schlussfolgerung aus diesen beiden Abbildungen und aus der Tatsache, dass jeder der Arbeitsgruppen, die sich mit globalen Temperaturen beschäftigen , mit sehr unterschiedlichen Methoden zum fast gleichen Ergebniss gekommen ist, muss natürlich lauten, dass die globale Erwärmung eben ein sehr robustes Resultat hinreichend genauer, globaler Messungen ist. Noch vor vielleicht 3-4 Jahren (wer erinnert sich noch?) waren diese Temperaturdaten bei den Klimaskeptikern hochumstritten. “Alles manipuliert und durch neben Heizungsschächten installierten Thermometern erzeugt”. Davon will nun keiner mehr etwas wissen (ausser den ganz Hartnäckigen auf EIKE) und selbst mitlerweile kreidefressende Skeptiker sorgten sich vor ein paar Jahren noch, dass es so etwas wie globale Temperatur gar nicht gibt (“ein Konstrukt”!, als gäbe es in der Wissenschaft irgendetwas, was eben nicht konstruiert wäre.). Mittlerweile diskutieren dieselben Leute eifrig eben diese globale Temperatur und natürlich ihre Stagnation, die Stagnation einer Temperatur, die es ja “eigentlich und physikalisch betrachtet” gar nicht gibt.
Lerne: Solange die Temperatur stagniert, ist es anscheinend eine glaubwürdige Messung einer physikalisch sinnvollen Grösze. Das aber ändert sich schlagartig, sollte es wieder wärmer werden.
In Abbildung 3 und 4 habe ich mal die Bojanowskischen 13 und 16 Jahre Trend eingezeichnet. In der Tat sind die beiden HadCRU 13-Jahres-Trends leicht negativ, während GISS und Berkeley leicht positive Trends zeigen. Bei den 16 Jahren sind alle Trends positiv und mit 0,077 Grad/Dekade (Achtung, das ist vielleicht etwas verwirrend. Die Trends sind in der Tat über 13 oder 16 Jahre berechnet, aber alle Trends hier sind in Grad pro Dekade angegeben) liegt der größte beobachtete Temperaturanstieg etwa bei 40% des von den Klimamodellen berechneten, mittleren Trends (etwa im AR4 A2 Szenario 0.18C/Dekade). Obacht hier: Diese Aussage bezüglich der Modelle ist statistisch zu verstehen. So wie die Ergebnisse im IPCC veröffentlicht sind, sagt man also nur etwas über das Mittel vieler Modell-Simulationen aus und nicht konkret darüber, wie etwa die letzten 16 Jahre hätten verlaufen müssen oder die nächsten 10 verlaufen werden. Zum Unterschied zwischen solchen Ensemblevorhersagen und konkreten, dekadischen Vorhersagen habe ich bereits etwas hier geschrieben. Durch das Mitteln über viele Modelläufe fällt also gerade die dekadische Variabilität heraus, die natürlich in der konkreten Realisierung, also hier der tatsächlichen, beobachteten Temperaturentwicklung, eine so große Rolle spielt.
Man kann jetzt natürlich, statt aus dunklen Gründen nun gerade 13 oder 16 Jahre herauszupicken, einfach jeden möglichen Trend berechnen. In Abbildung 5 habe ich also für jedes Jahr der letzten 163 Jahre der HadCRU4 Temperaturen den 2,3,4,5,…50 Jahres trend berechnet. An den Rändern, also um 1850 und 2013 herum, kann man natürlich nicht einen zentrierten Trend von zB 10 Jahren berechnen. Der Zehnjahrestrend ergäbe einen Wert für das Jahr 2008.5 und umfasste die Zeitspanne 2004 bis 2013. Das erklärt also die konische Gestalt der Abbildung. Die schwarze Linie A liegt somit auf der Gesamtheit aller Trends, die das Jahr 2013 noch mit einschliessen. Da wo diese Linie A die beiden roten Linien B und C schneidet, liegen die Werte für die aktuellen 13 und 16 Jahrestrends. Die Werte dort (grün bis blau) bezeichnen also gerade das Problem der niedrigen, bzw. sogar leicht negative Trends der letzten Jahre.
Man sieht aber auch, wenn man sich im dekadischen Trendbereich zwischen 10 und 15 Jahren nach links bewegt, also etwa in den 80ern und auch in den 60ern, man Trendbereiche findet, die den jetzigen durchaus ähneln. Rein optisch ist die jetzige Epoche und ihre Temperaturentwicklung jedenfalls nicht besonders auffällig im Vergleich zu vorherigen Episoden einer Temperaturstagnation. Ferner erkennt man, dass man am Ende der 90er Jahre Temperaturtrends von >0.3Grad pro Dekade beobachtete, und somit ca. 100% über dem Mittel der Vorhersagen. Wer Spass daran hat, kann sich im Detail für HadCRU3 , HadCRU4 , GISS und Berkeley anschauen.
Ich stelle das Ganze noch einmal anders dar, weil es so schön ist und weil das R Statistikpaket es so leicht macht. In Abbildung 6 habe ich den Schnitt längst der roten Linie B herausgezogen. Das sind also die 13 Jahrestrends für alle Temperaturdatensätze. Neben der allgemeinen großen Ähnlichkeit aller Datensätze, sieht man unter anderem wie fein justiert die Aussage mit den “beliebig” positive und negative Trends ist. Genau und einzig für das letzte Jahr in den letzten ca. 50 Jahren war die Divergenz der Trends so, dass zwei der Datensätze negative Trends und zwei positive Trends aufweisen. Abbildung 7 macht das Ganze noch einmal für die 16 Jahrestrends.
Alternativ kann man aber auch für ein bestimmtes Jahr jeden Trend heraussuchen und plotten (statt wie oben in Abb.6 für jeden Zeitpunkt eine bestimmte Trendlänge). Da wir ja nunmal rettungslos in der Gegenwart gefangene Wesen sind, habe ich zuerst mal alle Trends in Abbildung 8 dargestellt ,die das Heute, also das Jahr 2013, mit einschliessen. Wie immer für die vier Datensätze! Das entspricht in Abbildung 5 also einem Schnitt längs der schwarzen Linie A. Man sieht sehr schön, wie alle Datensätze übereinstimmend bei den kurzen Trends (2-7 Jahre) hin und her wackeln. Man sieht natürlich auch die Beule von sehr kleinen Trends im 8-17 Jahrebereich, die momentan die Diskussion bestimmt. Schliesslich aber gleichen sich die längeren Trends über 20-25 Jahre aller Datensätze an. Das wären dann die eigentlichen Klimatrends von ca. 0.14-0.18Grad pro Dekade.
Man kann an diesen Kurven in gewisser Weise auch den momentanen Stand der öffentlichen Diskussion ablesen. Am fernen Horizont gibt es wohl einen klimarelevanten Trend, der schwer erfahrbar und anscheinend auch kaum noch kommunizierbar ist. In der letzten Dekade aber deutet alles auf weit niedrigere Trends hin. Eine Dekade und somit ungefähr alles, woran der Mensch sich wettertechnisch noch so erinnern kann. Der warme Sommer hier, ein Sturm dort, das eingeschneite Auto: Kurz, die Norm.
Man kann nun aber diese schwarze Linie A aus Abbildung 6 auch parallel längst der X-Achse in die Vergangenheit verschieben. Nehmen wir mal das Jahr 2000 (siehe Abb.9) und nehmen wir mal an, theoretisch wären alle Ursachen der globalen Erwärmung (GHGs und Aerosole und Sonne und ..) und insbesondere die involvierten Feedbackprozesse damals so verstanden wie heute, nehmen wir weiter an, die hätten damals das Gleiche mit den Klimamodellen berechnet wie heute und diese Modelle wären auf dem gleichen Stand wie heute gewesen, einzig die beobachteten Temperaturen und Ihre Trends haben ausgesehen, wie sie eben in Abbildung 9 aussehen: also mit einer verdächtigen Beule hin zu Trends fast um einen Faktor zwei größer als die berechneten, wie wäre dann die von unserem notorisch kurzen Gedächtnis getragene Diskussion wohl verlaufen? Wahrscheinlich hätte alles Panik geschrien und man hätte die Modelle sehr kritisch dahin geprüft, welche wichtigen positive Feedbacks wohl unterschätzt worden wären.
Das soll nicht heißen, dass die Modelle in jedem Fall richtig liegen, komme was wolle, (sie tun es sogar sicher nicht) sondern nur, dass es wahrscheinlich in der Klimaforschung mehr Zeit bedarf, um zu relevanten Schlüssen zu kommen, als es unsere anthropologische Grundausstattung und das mediale Begleitgeschäft des Klimawandels erlaubt.
Kommentare (50)