War dieser radikale Wechsel der Argumentation geschickt, angemessen oder gar nötig? Was hat sich geändert, dass der Klimatologe sosehr die Stellung gewechselt hat?
Latour meint dazu folgendes:
“Wenn ihm schien, daß ich ihn mit einem leicht ironischen Gesichtsausdruck betrachtete, als er um eine Antwort rang, möge er mir verzeihen, denn ich gehöre zu einem Forschungbereich, den Forschungen über die Wissenschaft (die science studies), die sich gerade bemühen, den Begriff der wissenschaftlichen Institution eine positive Bedeutung zu verleihen. Nun wurde aber dieser Forschungsbereich in seinen Anfängen in den 1980er Jahren von vielen Wissenschaftlern (hier bezieht er sich auf die sogenannten science wars in den 80er/90er Jahren, Anmerkung GH) nicht nur für eine Kritik an der wissenschaftlichen Gewissheit gehalten – was er tatsächlich war -, sondern auch an gesicherten Erkenntnissen – was er keineswegs war. Wir wollten verstehen, durch welche Instrumente, welche Maschinerie, welche materiellen, historischen, anthropologischen Bedingungen es möglich ist, Objektivität hervorzubringen… In unseren Augen hatte die wissenschaftliche Objektivität einen zu wichtigen Wert, um ihr als einzige Verteidigung das zu lassen, was man mit einem Allzweckwort den “Rationalismus” nennt und dessen Wert allzuoft darin besteht, jede Diskussion abzubrechen, indem allzu hartnäckige Gegner der Irrationalität bezichtigt werden.”
Ich fand diese Anekdote Latours mit seiner Beschwörung (?) konservativ klingender Begriffe wie Vertrauen, Werte und Institutionen interessant und verstörend zugleich. Müssen wir, um die Objektivität zu schützen, tatsächlich Tatsachen und Werte aufs Neue vermischen? Die “Existenzweisen” gehen mit ihren 650 Seiten natürlich viel weiter als diese Einstiegsanekdote. Auf der Webseite modesofexistence gibt es eine Vielzahl von Diskussionen (englisch- und französischsprachig) und Beiträgen rund um das Buch. Und hier geht es zum deutschsprachigen Blog des Oberseminars abgehalten von Prof. Jan Keupp, von dem ich im übrigen auch das Bild der Eule oben gestohlen habe. Dort geht es ebenfalls um Latours “Existenzweisen”.
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