James Hansen, ehemaliger Direktor des Goddard Insitituts (GISS) in NY, hat sich zu seinem beruflichen Ruhestand ein passendes Hobby gesucht: Er macht einfach weiter wie zuvor, veröffentlicht also fleißig wie ein Hamster und stürzt sich noch heftiger als zuvor in seinen politischen Umwelt- respektive und besser gesagt Klimakampf. Der latente Antagonismus zwischen Umwelt- und Klimapolitik rührt im Falle Hansens daher, daß er die Gefahr des menschgemachten Klimawandels als so bedrohlich sieht, daß er sie über jedes andere mögliche Umweltproblem stellt und sich deshalb auch verschiedentlich zu Gunsten eines radikalen Ausbaus der Kerntechnik ausgesprochen hat. Damit macht man sich natürlich nicht nur Freunde, gerade nicht bei denen nicht, die ihm sonst bei seinen Attacken etwa gegen den Ausbau des Kohlebergbaus folgen. So vertreibt er sich die Zeit damit, Vorträge zu geben, auf Demos zu gehen und zusammen mit Darryl Hannah eingebuchtet zu werden. Na was man halt so macht mit 70 Jahren.
Einige Hansen Artikel mischen sprachlich immer Werturteile und Politik in den eigentlichen wissenschaftlichen Kern, was mich selbst meist etwas nervte. Einige seiner Arbeiten haben aber andererseits den Vorteil, eine deutlich klarere und direktere Zusammenfassung des Wissenstands beim Klima zu liefern, als es das der IPCC in seiner tausendmal abgewogenen Sprache je könnte. Können wir das eigentlich noch mit den CO2 Emissionen schaffen, so dass wir unterhalb des 2C Ziels bleiben? Da muss man die 1500 Seiten des IPCC schon sehr aufmerksam lesen, um auf solche und ähnliche einfache Fragen zum Klimawandel eine Antwort zu finden.
In seinem letzten Paper “Young people’s Burden: Requirement of Negative CO2 Emissions” fasst er nochmal alles zusammen, was wir zum Thema Emissionen und globaler Temperaturentwicklung momentan wissen. Das Paper ist momentan in Review in Earth-System Dynamics. Der etwas eigenartige Titel rührt daher, dass es momentan eine Sammelklage von einer Gruppe von Kindern bzw. Jugendlichen im Alter von 8 bis 19 Jahren gegen die US Regierung gibt, an der sich eben auch James Hansens Enkeltochter, Sophie Kivlehan, beteiligt. Wer wie ich schon lange im Geschäft ist, kennt Sophie von diversen Vorträgen von James Hansen. Sie tauchte meist als Diaporama entweder in Windeln oder beim Spielen im Garten vor und diente dazu Hansens Motivation zu unterstreichen: “Ich kämpfe hier für zukünftige Generationen!”. Mittlerweile ist Sophie aus den Windeln raus und verklagt die US Regierung, weil sie nichts gegen den Klimawandel unternimmt und somit ihrer Generation Zukunft gefährde. Anscheinend haben sich an die Klage auch gleich ein paar Ölkonzerne, natürlich auf der anderen Seite, herangehangen. Wer versteht schon amerikanisches Recht! Opa James Hansen hat dann flugs ein auf die Anklageschrift zugeschnittenes Gutachten-Paper verfasst. Aus diesem Paper stelle ich hier ein paar Ergebnisse vor.
Seit den frühen 70er Jahren beträgt die Erwärmungsrate der Erde etwa 0.2C pro Dekade. Emissionen steigen seit dieser Zeit beschleunigt um etwa 2.5% pro Jahr an. Wohlgemerkt ist das die Beschleunigung (da ja angegeben in % des Vorjahreswerts) und nicht etwa ein stetiger Anstieg. Allerdings gab es in den letzten Jahren Meldungen, dass es eine zunehmende Entkopplung von Emissionen und Wirtschaftswachstum gäbe. Seit fast drei Jahren stagnieren wir trotz an sich ganz ordentlichen globalen Wirtschaftswachstums bei ca. 35 GTCO2 (oder 9.7 GTC), was natürlich zu Hoffnungen Anlass gibt. Hoffnung hin, Panik her: Nehmen wir also mal an, der Anstieg des CO2s war bislang exponentiell und würde es auch noch länger bleiben, dann würde man also ungefähr einen linearen Temperaturanstieg erwarten; durch die zunehmende Sättigung des Strahlungseffekts des CO2s vermindert sich eben dieser Effekt und folgt einem logarithmischen Anstieg. Na und exponentiell kombiniert mit logarithmisch ergibt eben linear.
In der Realität ist es natürlich weit komplizierter. Es gibt unzahlige Nicht-Linearitäten im Klimasystem und es gibt sicher auch Hoffnung, daß der CO2 Anstieg nicht einfach genau so weitergehen wird. Trotzdem – am Ende des Tages stiegen die globalen Temperaturen seit den 70ern des letzten Jhd. ziemlich linear und stetig mit ca. 0.18C pro Dekade an. Somit liegen wir momentan bei einer globalen Erwärmung von +1.1C relativ zu 1880-1920 und werden, geht denn alles so weiter, im Jahre 2040 die +1.5C und im Jahre 2060 die +2C Marke überschreiten. Letztere (also +2C Erwärmung) war verschiedentlich als diejenige Erwärmung bezeichnet worden, die man noch so eben als verwaltbar durch den Menschen bezeichnen könnte. In verschiedenen internationalen Verhandlungsrunden wurde daher sie auch als Basis zur Berechnung der noch erlaubten globalen CO2 Menge benutzt, die dann auf dem Verhandlungsweg an die verschiedenen Länder verteilt werden sollte.
Bild 1: Vergleich der Temperaturen der letzten Dekaden mit dem Temperaturverlauf im Holozän einerseits und der vorletzten Warmzeit, dem Eem, andererseits.
Hansen hat daran große Zweifel. Er vergleicht in Bild 1 das Temperaturniveau der letzten Jahre mit dem des holozänen Optimums (HO, irgendwann zwischen 9ka und 6ka vor heute) und den Temperaturabschätzungen für die vorletzte Warmzeit, dem sogenannten Eem (115ka vor heute). Zum Vergleich mit dem HO ist zu sagen, daß im Bild zwei verschiedenen Zeitskalen vermischt werden. Die Holozänkurve ist über 100 Jahresabschnitte gemittelt, die aktuellen Temperaturen aber nur über eine Dekade. Da ist also statistisch viel Raum, daß nicht nur einzelne Jahre, sondern mehrere Dekaden im HO noch wärmer waren als die letzten Jahre des 21 Jhd. Trotzdem kann man sagen, daß wir das Temperaturniveau des Holozäns soeben überschritten haben. Wie weit sind wir noch vom Eem entfernt? Die drei Datensätze kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während die kühlere Variante auf SST (sea surface temperatures) Paläodaten beruht, die das Eem etwa bei +1C relativ zum Holozän sehen, liegen die beiden wärmeren Studien bei +1.5-2C. Zur Erläuterungvon Bild 1: Die SST Daten müssen auf den Globus hochgerechnet werden, wobei man mit einem globalen Faktor den Unterschied de Temperaturen auf Land und im Ozean berücksichtigt. So kommt Hansen mit dem Punkt “Mc” bei 0.7C in Bild 1 auf einen Wert von mehr als 1C global. Die beiden anderen Studien (“CH” und “TJ”) synchronisierten ihre Temperaturreihen dadurch, daß sie den jeweil wärmsten Punkt der jeweiligen Temperaturreihen eben als Eem bezeichneten. Von unserem von den Einstrahlungsbedingungen vergleichbaren Holozänen Optimum wissen wir aber, daß diese Annahme nicht korrekt ist. Die wärmsten Epochen in verschiedenen Regionen während der vergangenen Warmphasen liegen wahrscheinlich über mehrere 100 Jahren verteilt (so spricht man vom Holozänen Optimum von 9ka-6ka). Dieser Synchromisationsbiaskönnte sich über den Planeten zu mehreren 0.1C aufaddieren und so vermutet Hansen das Eem dann auch irgendwo zwischen +1.C und +1.5C. Das aber würde bedeuten, daß wir genau jetzt in Eem Bedingungen eintreten würden. So wäre es also allerallerhöchste Zeit die Treibhausgasemissionen runterzufahren und womöglich zu kompensieren (negative Emissionen), wenn man verhindern will, dass neben den Temperaturen des Eem nun auch alle Klimasubkomponenten sich auf diese Temperaturen einstellen, in aller erster Linie der Meeresspiegel, der, wie erwähnt im Eem immerin 6-7 Meter höher lag. Welche Emissionsreduktionen oder gar negative Emissionen Hansen nun vorschlägt, werde ich im zweiten Teil beschreiben.
PS Ich habe leider eine traurige Geschichte von “zweiten Teilen” meiner Postings hier im Blog aufzuweisen (heißt, sie sind dann nie erschienen). Diesmal habe ich also lieber gleich den zweiten Teil mitverfasst, und es kann nichts passieren!
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