Der folgende Abschnitt ist der eigentliche Hauptteil des Buches und behandelt die unmittelbare Zeit nach der Pressekonferenz und in welch scharfem Kontrast die Euphorie, die unter den Chemikern ausgebrochen war, zur Skepsis der Kernphysiker stand. Immer wieder spekuliert er, der selbst Chemiker war, dass die alte Rivalität der Chemiker und Physiker ein nicht zu unterschätzender Auslöser des Hypes gewesen war. Zu diesem Schluss kommt er aufgrund der Verteilung positiver und negativer Ergebnisse unter den Gruppen, die Experimente durchführten, sowie Zitaten verschiedener involvierter Personen. Als schließlich die US-Regierung und der Kongress sich mit der Kalten Kernfusion befassten, wurde von DOE und ERAB ein Ausschuss gegründet und er selbst zum Vorsitzenden berufen. Ausführlich geht er dabei auf den Auftrag des Ausschusses, seine Zusammensetzung und die Vorgehensweise ein und folgt dabei annähernd chronologisch den Veröffentlichungen von Forschern aus aller Welt. Durch das einzigartige Interesse für die Kalte Kernfusion kann er dabei praktisch ausschließlich auf die Arbeit hochkarätiger Forscher von international renommierten Instituten zurückgreifen – in diesem Sinne ist die Saga um die Kalte Kernfusion nicht nur ein Lehrstück dafür, dass gute Naturwissenschaftler auch mal mit Anlauf in die falsche Richtung springen können, sie ist auch ein Lehrstück für die den Naturwissenschaften innewohnenden Selbstheilungskräfte und wie am Ende ausschließlich das Experiment über die Wahrheit entscheidet. Anhand von vielen Beispielen liefert er die Gründe, warum der Ausschuss schon bald zu dem Ergebnis kam, dass die Behauptungen der UoU völlig haltlos waren. Anhand der Beispiele und Experimente erklärt er unter anderem die Probleme bei der exakten Messung der Überschusswärme, der Fusionsprodukte, der entstehenden ionisierenden Strahlung und vieles mehr. Am Ende des Tages war der Traum von der Unerschöpflichen Energiequelle zerplatzt und wenn man so will hat Huizenga selbst dabei die Nadel geführt.
Mit dem Ende dieser Saga endet auch das Buch. Huizenga vergleicht deren Verlauf mit den von Langmuir postulierten Kriterien für pathologische Wissenschaft, sowie den beiden damals bekanntesten Beispielen Polywasser und N-Strahlen. Dabei geht er nie so weit, einzelne Forscher oder gar Fleischmann und Pons selbst als Scharlatane zu bezeichnen, aber er stellt unmissverständlich klar, wie ungewöhnlich und eigentlich untragbar ihr Verhalten und wie verschieden ihre Behauptungen von denen Steven Jones’ waren. Diese Kapitel sind voll von unglaublichen und teilweise skurrilen Begebenheiten aus den Jahren 1989 und 1990. Besonders deutlich wird die Absurdität der ganzen Geschichte in der Chronologie der Ereignisse, mit der das eigentliche Buch schließt (die allerletzten Seiten enthalten mehrere Hundert Quellenangaben).
Kalte Kernfusion – das Wunder, das nie stattfand ist ein kenntnisreich geschriebenes, gut strukturiertes und unterhaltsames Buch, geschrieben von einem Fachmann und exzellenten Kenner der Materie. Huizenga gelingt das Kunststück, ein komplexes Thema in allgemeinverständliche Worte zu fassen und die Fülle von Informationen, Personen und Ereignissen übersichtlich zu ordnen. Auch 25 Jahre nach der Erstausgabe bietet es jedem, der sich mit dem Thema Kalte Kernfusion auseinandersetzen möchte einen ausgezeichneten Einstieg. Und auch wenn man das Thema und die immer noch unregelmäßig erscheinenden Publikationen schon etwas länger verfolgt, wird man nicht enttäuscht – ich zumindest habe eine Menge gelernt.
Das Buch steht im VLB, müsste also tatsächlich auch über den lokalen Buchladen erwerbbar sein (ich habe mein Exemplar beim Trödler erstanden). Eine Suche nach der ISBN im Internet ist aber auch alles andere als fruchtlos.
John R. Huizenga
Kalte Kernfusion – Das Wunder, das nie stattfand
Vieweg-Verlag
ISBN 3-528-06614-8
[1] Wenn eine Reaktion über ihre gesamte Laufzeit mehr Energie freisetzt als zur Aufrechterhaltung der Reaktion notwendig ist, nennt man dieses Mehr an Energie Überschusswärme. Das Vorhandensein von Überschusswärme ist ein wichtiges Kriterium für die Nutzbarmachung als Energiequelle.
[2] Department of Energy – das US-amerikanische Energieministerium
[3] Energy Research Advisory Board – ein damals ständiger Ausschuss innerhalb des DOE, beauftragt mit der Erfassung und Bewertung von Forschung und Entwicklungen in der Energietechnik
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