Flüssigmetall-Kühlung haben alle Kerntechnik treibenden Nationen exzessiv erforscht und bisher sind nur die russischen BN-Reaktoren und der amerikanische FFTF (aber das war kein Kraftwerk) erfolgreich über längere Zeiträume in Betrieb[1]. Die Probleme, die die Handhabung von flüssigen Metallen macht, haben am Ende bisher jedem westlichen Leistungsreaktor das Lebenslicht ausgeblasen. Die großen westlichen Anlagen hatten über ihre gesamte Laufzeit hinweg mit Problemen zu kämpfen, die vor allem um die Beherrschung der flüssigen Metalle kreisten.
Flüssigsalz-Reaktoren finde ich an sich wirklich cool. Es ist eine völlig andere Herangehensweise an das gleiche Problem. Und vom technischen Standpunkt war das einzige “große” Experiment dazu ein voller Erfolg. Allerdings hat seitdem nie wieder jemand was aus der Idee gemacht: Nicht Admiral Rickover, der ein enorm erfolgreiches Kernenergieprogramm für die amerikanische Marine vorweisen kann, nicht die Industrie, die in den 1960er und 1970er Jahren viel Geld mit dem Bau von Leistungsreaktoren verdient hat, nicht die Forschungszentren, die auf die kaum weniger exotische Flüssigmetallkühlung setzten. Ich habe meine Zweifel, dass ein tatsächlich überlegenes Konzept so viele Jahre völlig unbeackert bleiben sollte.
Thorium-Reaktoren könnten, wären sie einfach zu bauen, eine wirklich tolle Sache sein, aber leider sind sie es nicht. Thorium ist, um den Worten Ratan Kumar Sinhas zu folgen, wie nasses Holz: Es brennt nicht von allein, sondern muss erst in einem Ofen getrocknet werden. Ich finde dieses Bild sehr passend – Thorium selbst ist nämlich nicht spaltbar. Man muss aus Thorium-232 erst Uran-233 erbrüten und diesen Brutprozess in der Praxis so effizient zu gestalten, dass sich der Bau eines kommerziellen Reaktors lohnt, ist äußerst aufwendig. In Deutschland und Amerika hat man es schon vor 40 Jahren versucht, hat es aber nicht hingekriegt[2].
DESERTEC sollte eine Lehre sein
2003 trat eine bis dahin Unbekannte Organisation, die sich Trans-Mediterranean Renewable Energy Corporation nannte, mit der Idee an die Öffentlichkeit, in der nordafrikanischen Wüste vermittels solarer Strahlungsenergie einen Gutteil des europäischen Bedarfs an elektrischer Energie zu decken. Die Vision von DESERTEC war geboren und schließlich 2009 die DESERTEC Foundation gegründet. In der Folge wurde darüber zwar viel ge- und sicher einiges auch zerredet, aber wenn man unter alles einen Strich zieht, dann kam nicht mehr dabei heraus als bunte Bildchen und Absichtserklärungen. Mir fällt es schwer, die tatsächlich laufenden Projekte in Norafrika mit DESERTEC in Verbindung zu bringen, weil sie, soweit ich es überblicken kann, nicht maßgeblich durch das Konsortium initiiert, koordiniert oder gefördert wurden. Insbesondere, weil von der DESERTEC Foundation seit Ende 2014 nicht mehr viel übrig ist. Es erscheinen zwar immer noch hin und wieder Neuigkeiten auf der Homepage, aber im Grunde ist mit der so vielversprechenden Vision heute nicht mehr viel los. Und das, obwohl sich seit 2003 auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energien weltweit Enormes getan hat: z.B. der (vielleicht zu) rasante Ausbau in Deutschland, die drastisch gesunkenen Preise für PV-Anlagen, die gigantischen Projekte in China.
Was hat das mit SMR zu tun: Erneuerbare Energien scheinen mit der Zeit günstiger zu werden und doch ist DESERTEC gescheitert. Kernenergie dagegen scheint überall auf der Welt teurer zu werden und dennoch sehen die SMR-Entwickler goldenen Zeiten entgegen. Ich befürchte, sie werden eher bleierne Zeiten erleben – die Geschichte von DESERTEC könnte eine Warnung sein.
Was bleibt?
Wenn SMR die Zukunft sind, werden sie sich durchsetzen. Die Welt ist so groß und die Zustimmung zur Kernenergie in vielen Ländern so breit, dass sie irgendwo ihre ökologische Nische finden werden – sofern es sie gibt. Ich will nicht zu früh unken, aber die Geschichte der Kernenergie handelt schon auf zu vielen Seiten von Projekten und Ideen, die voller Euphorie gestartet und mit schwer zu verdauender Enttäuschung beendet wurden. Ich bin deswegen skeptisch. Natürlich wäre es nett, wenn ich mich irre. Vielleicht passiert ja in den nächsten Jahren wirklich etwas für mich völlig Unerwartetes – ich wäre durchaus für Begeisterung offen.
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