Hier geht’s zu Teil 1
Hier geht’s zu Teil 3
Small Modular Reactors(SMR) – zu deutsch Kleine Reaktormodule sind eine Idee, die Kernenergie dadurch zu revolutionieren, dass Kernreaktoren in großen Stückzahlen fabrikmäßig gefertigt werden. In Teil 1 wurden das Konzept und die Vorteile, die man sich davon erhofft vorgestellt. Diesen Artikel hatte ich mit der Aussage geschlossen, nicht überzeugt von den kleinen Reaktormodulen zu sein. Jetzt erzähl ich Euch, warum.
Nur wenige Firmen mit Erfahrung in der Kerntechnik arbeiten ernsthaft daran
Zwar werden bei der Diskussion auch alteingesessene Namen wie Toshiba und B&W genannt, das Gros der Entwickler sind aber Firmen, deren Namen weder in der Kerntechnik, noch in anderen Zusammenhängen bekannt sind, wie z.B. NuScale. Das Interessante an diesen SMR-Entwicklern ist, dass sie scheinbar einzig zum Zweck der SMR-Entwicklung ins Leben gerufen wurden und trotz jahre-, wenn nicht gar jahrzehntelanger Arbeit bis auf eine Ausnahme nicht mehr als frühe Entwürfe vorzuweisen haben. In der freien Wirtschaft kann niemand unbegrenzt lange ohne ein verkaufsfähiges Produkt zu überleben. Und..
Es gibt kein Produkt
Nirgendwo auf der Welt gibt es einen SMR oder ein Demonstrationsmodell. Nicht mal was aus Glas, um das Prinzip zu verdeutlichen. Nichts – nur kleine Kunststoffmodelle, die nicht mehr als die Kreativität des Designers zeigen. Es ist auch schwierig, denn…
Es gibt keine Mini-Plants
Wenn man eine Anlage neuen Typs bauen will, dann fängt man nicht mit dem großen, kommerziellen Modell an, sondern arbeitet sich langsam hoch: Der 0,1-l-Glaskolben wird zum 10-l-Autoklaven wird zum 1-m³-Rührkessel usw. Beim Übergang zu immer größeren Apparaten in einem Mini-Plant lernt man den Prozess kennen, macht Erfahrungen und findet evtl. schon frühzeitig Fehler im Design. Diesen Punkt kann ich nicht genug betonen: Es rächt sich, wenn man gleich mit der Großanlage einsteigt, ohne alle Zwischenschritte zu gehen! Dieses Beispiel ist aus der Chemie, aber es gilt stellvertretend für alle Industrien. Zurzeit arbeitet keiner der SMR-Entwickler an einer wirklichen, physikalisch vorhandenen Demonstrationsanlage. Ein Grund dafür könnte sein…
Es gibt keine Fabriken
Wenn man auf der grünen Wiese eine Fabrik für die Massenproduktion eines ganz neuen Produktes bauen will, dann dauert das fünf Jahre. Eher länger. Dass zurzeit kein SMR-Entwickler wirklich Anstalten macht, eine große Fabrik zu bauen, kann man nicht samt und sonders verurteilen – auch die Fabrikation muss erst mal klein Anfangen. Und gerade an dieser Front tut sich nichts. Nicht mal im Labormaßstab, elektrisch beheizt, als Proof-Of-Concept. Und ehrlicherweise wundert mich das nicht, denn…
Es gibt keinen Markt
Glaubt man den Beiträgen bei den WNN, den rosig gemalten Diagrammen von NuScale oder den vielen Meinungen auf Blogs, die sich mit dem Thema Zukunft der Kernenergie befassen, dann gibt es überwältigende Nachfrage nach SMR. Mir fällt es schwer, das zu glauben, wenn weder die IEA, noch die IAEA, noch die NRC, noch die Hersteller selbst das behauptete Interesse an SMR nachweisen können. Die einzigen potentiellen Standorte, die tatsächlich immer mal wieder im Gespräch sind, liegen in Tennessee und Utah. Und auch da ist man nicht weiter als bei einer Absichtserklärung. Und an diesen ist die Geschichte der nicht realisierten Kernkraftwerke reich. Eine der Grundregeln des Marketings ist es, nichts zu vergessen, mit dem man werben kann – gäbe es die vielen Interessenten, dann würde man immer wieder von ihnen hören. Vielleicht liegt es ja daran, dass sich die Verantwortlichen doch bewusst sind…
Das alles, war schon mal da
SMR sollen als Package Unit fabriziert, geliefert und in das Kraftwerk eingebunden werden. Das ist tatsächlich einigermaßen neu. Allerdings scheint es mir unter den Konzepten viele Zombies zu geben, die nie richtig am leben waren und doch nicht wirklich sterben können:
Flüssigmetall-Kühlung haben alle Kerntechnik treibenden Nationen exzessiv erforscht und bisher sind nur die russischen BN-Reaktoren und der amerikanische FFTF (aber das war kein Kraftwerk) erfolgreich über längere Zeiträume in Betrieb[1]. Die Probleme, die die Handhabung von flüssigen Metallen macht, haben am Ende bisher jedem westlichen Leistungsreaktor das Lebenslicht ausgeblasen. Die großen westlichen Anlagen hatten über ihre gesamte Laufzeit hinweg mit Problemen zu kämpfen, die vor allem um die Beherrschung der flüssigen Metalle kreisten.
Flüssigsalz-Reaktoren finde ich an sich wirklich cool. Es ist eine völlig andere Herangehensweise an das gleiche Problem. Und vom technischen Standpunkt war das einzige “große” Experiment dazu ein voller Erfolg. Allerdings hat seitdem nie wieder jemand was aus der Idee gemacht: Nicht Admiral Rickover, der ein enorm erfolgreiches Kernenergieprogramm für die amerikanische Marine vorweisen kann, nicht die Industrie, die in den 1960er und 1970er Jahren viel Geld mit dem Bau von Leistungsreaktoren verdient hat, nicht die Forschungszentren, die auf die kaum weniger exotische Flüssigmetallkühlung setzten. Ich habe meine Zweifel, dass ein tatsächlich überlegenes Konzept so viele Jahre völlig unbeackert bleiben sollte.
Thorium-Reaktoren könnten, wären sie einfach zu bauen, eine wirklich tolle Sache sein, aber leider sind sie es nicht. Thorium ist, um den Worten Ratan Kumar Sinhas zu folgen, wie nasses Holz: Es brennt nicht von allein, sondern muss erst in einem Ofen getrocknet werden. Ich finde dieses Bild sehr passend – Thorium selbst ist nämlich nicht spaltbar. Man muss aus Thorium-232 erst Uran-233 erbrüten und diesen Brutprozess in der Praxis so effizient zu gestalten, dass sich der Bau eines kommerziellen Reaktors lohnt, ist äußerst aufwendig. In Deutschland und Amerika hat man es schon vor 40 Jahren versucht, hat es aber nicht hingekriegt[2].
DESERTEC sollte eine Lehre sein
2003 trat eine bis dahin Unbekannte Organisation, die sich Trans-Mediterranean Renewable Energy Corporation nannte, mit der Idee an die Öffentlichkeit, in der nordafrikanischen Wüste vermittels solarer Strahlungsenergie einen Gutteil des europäischen Bedarfs an elektrischer Energie zu decken. Die Vision von DESERTEC war geboren und schließlich 2009 die DESERTEC Foundation gegründet. In der Folge wurde darüber zwar viel ge- und sicher einiges auch zerredet, aber wenn man unter alles einen Strich zieht, dann kam nicht mehr dabei heraus als bunte Bildchen und Absichtserklärungen. Mir fällt es schwer, die tatsächlich laufenden Projekte in Norafrika mit DESERTEC in Verbindung zu bringen, weil sie, soweit ich es überblicken kann, nicht maßgeblich durch das Konsortium initiiert, koordiniert oder gefördert wurden. Insbesondere, weil von der DESERTEC Foundation seit Ende 2014 nicht mehr viel übrig ist. Es erscheinen zwar immer noch hin und wieder Neuigkeiten auf der Homepage, aber im Grunde ist mit der so vielversprechenden Vision heute nicht mehr viel los. Und das, obwohl sich seit 2003 auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energien weltweit Enormes getan hat: z.B. der (vielleicht zu) rasante Ausbau in Deutschland, die drastisch gesunkenen Preise für PV-Anlagen, die gigantischen Projekte in China.
Was hat das mit SMR zu tun: Erneuerbare Energien scheinen mit der Zeit günstiger zu werden und doch ist DESERTEC gescheitert. Kernenergie dagegen scheint überall auf der Welt teurer zu werden und dennoch sehen die SMR-Entwickler goldenen Zeiten entgegen. Ich befürchte, sie werden eher bleierne Zeiten erleben – die Geschichte von DESERTEC könnte eine Warnung sein.
Was bleibt?
Wenn SMR die Zukunft sind, werden sie sich durchsetzen. Die Welt ist so groß und die Zustimmung zur Kernenergie in vielen Ländern so breit, dass sie irgendwo ihre ökologische Nische finden werden – sofern es sie gibt. Ich will nicht zu früh unken, aber die Geschichte der Kernenergie handelt schon auf zu vielen Seiten von Projekten und Ideen, die voller Euphorie gestartet und mit schwer zu verdauender Enttäuschung beendet wurden. Ich bin deswegen skeptisch. Natürlich wäre es nett, wenn ich mich irre. Vielleicht passiert ja in den nächsten Jahren wirklich etwas für mich völlig Unerwartetes – ich wäre durchaus für Begeisterung offen.
[1] Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Phénix, Superphénix, Dounreay PFR, Monju
[2] Hamm-Uentrop THTR, Fort St. Vrain
Kommentare (9)