EU-Richtlinien zum Arbeitsrecht
die EU-Arbeitszeitrichtlinie und Arbeitsschutzrichtlinie sind zwei Beispiele von EU-Richtlinien mit deutlichen Auswirkungen auf die Spielregeln, nach denen in der EU gearbeitet werden soll, in Deutschland umgesetzt in Form der entsprechenden Gesetze. Objektiv betrachtet sind diese Regelungen von Nachteil für die Wirtschaft, denn sie erlegen den Arbeitgebern Regeln auf, an die sie sich halten müssen. Das ist ein Wettbewerbsnachteil der EU am Weltmarkt. Allerdings ist in dieser Argumentation auch das Zahlen auskömmlicher Löhne ein Wettbewerbsnachteil und ich denke, die meisten Leser dürften mit mir der Meinung sein, dass zumindest die eigene Arbeit fair entgolten werden sollte.
Mich besorgt (wenngleich es mich nicht überrascht), dass gerade die Arbeitszeitrichtlinie als Ballast wahrgenommen wird. Durch sie wird die regelmäßige, wöchentliche Arbeitszeit auf 48 Stunden beschränkt (Ausnahmen sind kurzzeitig möglich, wenn zeitnah Freizeit als Ausgleich gegeben wird), jeder Arbeitnehmer in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis hat Anspruch auf 4 Wochen bezahlten Urlaub pro Jahr, es gibt Regeln für Mindestruhezeiten, Gestaltung von Schichtarbeit, usw. Die Arbeitszeitrichtlinie steckt schon einen ziemlich weiten Rahmen ab. Man bedenke, was in Deutschland mit Doppelschichten in Krankenhäusern oder 60-Stunden-Wochen von Montagepersonal schon alles möglich ist, ohne die Richtlinie bzw. das darauf fußende nationale Gesetz abzuschaffen. Wenn darin tatsächlich ein Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung gesehen wird, dann befürchte ich für die britischen Arbeitnehmer nichts Gutes.
Just-in-Time-Produktion
Über die gesamte EU inklusive der britischen Inseln und Irland spannen sich komplexe, tiefgestaffelte, vielschichtige Versorgungsketten, die die moderne Just-In-Time-Produktion mit allen Vorteilen für Lagerhaltung und Offsetkosten erst möglich machen. Das Schengener Abkommen hat dieses System stark vereinfacht, indem obligatorische Grenzkontrollen vereinzelten Stichproben gewichen sind. Wenn zwischen Großbritannien und der EU wieder verpflichtende Grenzkontrollen eingeführt werden – insbesondere zwischen Nordirland und Irland, aber auch z.B. zwischen den Londoner und Hamburger Häfen, bedeutet das eine Erhöhung von Lieferzeiten und mehr Papierkram für die Logistikunternehmen, was das Ganze insgesamt teurer macht. Kompensieren ließe sich das z.B. durch größere Lagerhaltung mit allen Vor- und Nachteilen, darunter die größere Versorgungssicherheit bei kurzfristigen Ausfällen (aber die decken Hersteller sowieso ab) und höheren Kosten. Das ist auch einer der Gründe, warum es in der EU ansässigen Firmen zwar leicht fällt, Fertigprodukte (z.B. Autos und Maschinen) an Länder zu liefern, die nicht zum Binnenmarkt gehören wie Japan oder Südkorea, sie aber beim Handel innerhalb der EU, bei dem zwischen Firmen vor allem Komponenten Just-In-Time gehandelt werden, Schwierigkeiten hätten. Und Firmen sind nun mal nicht nur Produzenten, sondern auch Kunden.
Vorläufig abschließende Gedanken
Der Brexit ist nun auch formal auf dem Weg, d.h. der zweijährige Trennungsprozess rollt an und man darf gespannt sein, welchen Weg er nimmt. Ich denke, dass die Verhandlungspartner an sich an guten Lösungen interessiert sind. In der britischen Presse waren in den letzten neun Monaten viele Metaphern aus der Welt des Poker zu lesen, aber ich glaube nicht, dass da was dran ist. Das ist kein Immobilien-Geschäft und auch kein Pokerspiel, bei dem der eine den anderen mit Geheimwissen ausbooten kann. Die Nebenbedingungen liegen ziemlich klar auf dem Tisch, die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sind öffentlich bekannt. Ich denke, dass zunächst einige Monate ins Land gehen werden, ohne dass man wirklich sagen kann, wohin die Reise geht. In den nächsten zwei Jahren werde ich sicher noch das ein oder andre Mal auf die Fragen oben zurück kommen. Mal sehen, ob, wann und wie sie beantwortet werden.
Kommentare (32)