Nachdem die Verfahrenstechnische Basisplanung nun so weit abgeschlossen ist, wir also wissen, wie das grundsätzliche Layout der Anlage aussieht und was wir alles brauchen werden, beginnen wir jetzt mit der EMSR-Basisplanung.

EMSR ist die etwas in die Jahre gekommene, aber wie ich finde immer noch griffige Abkürzung für Elektro-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik. Obwohl auch Einrichtungen der MSR-Technik heute in der Regel elektrisch oder elektromechanisch betrieben werden, macht man hier eine Unterscheidung: Elektrotechnik in diesem Sinne umfasst die elektrische Energieversorgung, die Niederspannungsverteilung, elektrische Energieverbraucher wie Motoren, evtl. Heizungen, Licht und Steckdosen. Sie arbeitet mit Spannungen weit oberhalb der höchstzulässigen Berührungsspannung und großen Strömen. In der MSR-Technik sind kleine Spannungen bis 24 V DC (und seltener noch AC) und Ströme im Bereich einiger Milliampere üblich.

Die EMSR-Basisplanung setzt auf der Verfahrenstechnischen Basisplanung auf – so ergibt sich das Mengengerüst für die Feldgeräte, z.B. aus dem R&I-Bild. Als Feld bezeichnet man den späteren Einsatzort in der Anlage. Bei der Planung eines Feldgerätes ist es wichtig, die Umgebungsbedingungen zu kennen. Die Standardgeräte der Hersteller sind schon so ausgelegt, dass sie sowohl sehr heiße Sommer und sehr kalte Winter überstehen, sehr trockenes Wetter und sehr heftige Niederschläge überstehen. Und wenn das nicht reicht, gibt es immer Sonderlösungen: Gehäuse, Beheizung/Kühlung oder Wetterschutz. Laut R&I-Fließbild, das die Verfahrenstechniker erstellt haben, brauche ich für meine Gartenbewässerung eine Pumpe, ein Manometer und acht Magnetventile. Das ist ein guter Ansatz, aber wie wir noch sehen werden, ist es nicht die ganze Wahrheit.

Der genaue Aufbau der Feldgeräte hängt eng mit der Verfahrenstechnischen Basisplanung zusammen. Nennweiten, Druckstufen, Prozessanschlüsse, Messbereiche, etc. müssen mit dem R&I-Fließbild übereinstimmen. Dazu ein Beispiel: Dem R&I-Fließbild kann man entnehmen, dass die Leitungen zu den Magnetventilen aus 3/4″-Messingrohr bestehen. Die Magnetventile müssen folglich auch mit 3/4″-Anschluss ausgeführt sein. Rohrteile kann man auf verschiedene Weise zusammenfügen: Schweißen, Pressen, Flanschen, Muffen, Schrauben. Diese Information geht aus dem R&I-Fließbild oft nicht hervor, sondern wird während der verfahrenstechnischen Basisplanung grundsätzlich geklärt, so dass nur noch Ausnahmen von der Regel extra erwähnt werden müssen. In meinem Fall werden alle Verbindungen geschraubt. Da Rohr zweckmäßigerweise mit Außengewinde versehen wird, müssen die Magnetventile Anschlüsse mit Innengewinde haben. Da ich kein galvanisches Element bauen will, kann ich nur gleiche oder gegenüber Elektrokorrosion unempfindliche Materialien zusammenfügen – in diesem Fall sind das Messing oder Edelstahl. Magnetventile aus Edelstahl sind deutlich teurer. Zusammengefasst macht es also Sinn, Magnetventile aus Messing mit 3/4″-Innengewinde auf Ein- und Ausgangsseite einzusetzen. Was wir jetzt noch klären müssen, ist die Ausführung des Magnetantriebs. Damit kommen wir in ein Gebiet, das zwar Berührungspunkte mit der Verfahrenstechnik hat, aber im Grunde von dieser unabhängig ist, nämlich das Leittechnische Grundkonzept.

Grundsätzlich gibt es immer ganz verschiedene Möglichkeiten, wie man etwas automatisieren kann. Im Kern gleicht sich aber alles: Sensoren, z.B. Thermometer oder Positionssensoren liefern Echtzeitwerte, die von einem Logiksystem eingelesen, nach einem Programm verarbeitet und wieder ausgegeben werden, um damit Aktoren, z.B. Ventile oder Motoren anzusteuern. Erst durch geeignete Ansteuerung erfüllt eine Anlage überhaupt ihren Zweck. Die Gesamtheit aus Sensor, Logiksystem und Aktor nennt man Leittechnik. Das Logiksystem, nach dessen Programm alles gesteuert wird nennt man auch Leitsystem.

Zum Leittechnischen Grundkonzept gehören Fragen wie
Welche Geräte sollen automatisiert werden und wo sollen Handeingriffe möglich oder gar nötig sein?
Wie groß ist der Funktionsumfang?
Soll die Anlage von einem zentralen Leitsystem oder dezentralen Systemen gesteuert werden?
Wie viele analoge und binäre Signale sollen verarbeitet werden und welche Signalarten werden genutzt?

Die erste Frage lässt sich sofort beantworten, wenn wir uns an die Aufgabe, die die Anlage erfüllen soll, also an das Was? erinnern:

Ich will eine automatisierte Bewässerung meines Gartens, bestehend aus einer von Beeten umgebenen Rasenfläche. Die Bewässerung soll zentral gesteuert werden. Der Rasen soll nur von der Rasenkante aus beregnet werden – Regner in der Rasenfläche sind unerwünscht. Außerdem soll die Steuerung die Beregnung automatisch verhindern, wenn eine gewisse Zeit vorher ausreichend Regen gefallen ist und die Bewässerungszeit während besonders heißer Zeiträume verlängern.

Dieser kurze Absatz steckt schon voller Information und sagt dem Planer eine Menge. Das Wichtigste habe ich markiert.

 

automatisierte Bewässerung – das ist der eigentliche Zweck der Anlage. Aus keinem anderen Grund wird sie gebaut. Wenn sie diesen Zweck nicht erfüllt, ist sie wertlos – egal wie toll sie aussehen oder funktionieren mag. Ein paar Magnetventile zu automatisieren ist zunächst einfach: Eine Zeitschaltuhr, die die Ventile ansteuert – fertig.

zentrale Steuerung – Das Leitsystem soll an einem zentralen Ort sitzen, z.B. in einem Schaltschrank. Kein Problem, eine Zeitschaltuhr kann man überall montieren. Das macht Sinn, weil ich nur sehr wenige Feldgeräte ansteuern muss und so der Aufwand am kleinsten ist. Wäre meine Anlage riesig, könnte ich mir auch mehrere Steuerung, die jeweils einen Teilbereich abdecken, vorstellen.

die Beregnung automatisch verhindern, wenn eine gewisse Zeit vorher ausreichend Regen gefallen ist – das ist ein wichtiger Punkt! Er sagt mir nämlich, dass es nicht mit dem getan ist, was die Verfahrenstechniker brauchen, um ihre Aufgabe zu erfüllen – die Regner gesteuert mit Wasser zu versorgen – sondern zusätzlich ein Regensensor nötig ist, der die Ansteuerung der Ventile verhindert. Gut, auch nicht besonders kompliziert: Der Sensor schaltet ein Zeitrelais, das bei Regen sofort abfällt, dadurch die Zuleitung der Magnetventile unterbricht und erst 24 Stunden nachdem der Regen aufgehört hat wieder anzieht.

die Bewässerungszeit während besonders heißer Zeiträume verlängern. – Jetzt wird es wirklich spannend! Ich brauche also auch einen Temperatursensor, d.h. ich muss irgendwie einen Analogwert verarbeiten! Und ich muss mir eine Logik überlegen, die die Anforderung erfüllt! Das kann unter Umständen ziemlich knifflig sein. Implizit weiss ich jetzt, dass es mit einer einfachen Zeitschaltuhr und ein paar Relais nicht getan ist. Ich brauche ein Leitsystem, das ein Programm abarbeiten kann – eine richtige Steuerung.

 

Dem Verfahrenstechniker, der sich alles zunächst viel einfacher vorgestellt hatte, wird das nicht gefallen, denn richtige Steuerungen sind viel teurer als Zeitschaltuhren. Aber wenn die Anforderung da ist, müssen wir sie irgendwie erfüllen. In der wirklichen Welt würde ein guter Verfahrenstechniker diese einfachen Überlegungen natürlich selbst machen, aber es gibt immer wieder Fälle, in denen er mögliche Probleme nicht sieht, weil ihm das tiefe Fachwissen der anderen Fakultäten fehlt. Dann kommt es auf die Kolleginnen und Kollegen aus der EMSR-Technik, der Maschinentechnik, der Versorgungstechnik, usw. an, die ihn darauf aufmerksam machen und entsprechend unterstützen. Natürlich ist es evtl. unschön, wenn eine EMSR-Kollegin einem VT-Kollegen eröffnet, dass seine Anlage an dieser Stelle teurer und aufwändiger wird – auf der Straße liegt das Geld schließlich nirgends – aber noch unschöner ist die Alternative, nämlich am Ende eine Anlage zu haben, die nicht das tut, was sie soll.

Das ist übrigens keine Einbahnstraße: Hin und wieder wird auch die EMSR-Technikerin mit einer Überlegung daneben liegen, weil sie aus verfahrenstechnischen Gründen nicht funktioniert, etwa weil Stoffe zu viskos sind oder chemische Reaktionen ablaufen, die ihr nicht bewusst waren. Deswegen ist der Dialog zwischen allen Fachstellen über die gesamte Projektlaufzeit so wichtig: Nur so lassen sich zumindest die offensichtlichen Probleme aus dem Weg räumen. Und nur gemeinsam gelingt das überhaupt. Weil der Verfahrenstechniker und die EMSR-Kollegin in diesem Fall mit meiner Person identisch sind, ist die Diskussion nur von kurzer dauer. Im Ergebnis und zur Dokumentation wird das R&I-Fließbild noch entsprechend angepasst und um EMSR-Stellenkreise für den Temperatursensor, den Regensensor und das Steuerprogramm ergänzt. Außerdem werden Wirklinien eingezeichnet, die den Signalfluss kenntlich machen sollen. Eine gestrichelte Linie vom Temperatursensor T101 zum Programm U100 zeigt an, dass ein analoges Signal von der Temperaturmesstelle im Programm verarbeitet wird. Eine strich-punktierte Linie vom Regensensor X101 zum U100 zeigt dasselbe für ein binäres Signal (Regen/Kein Regen). Die strich-punktierten Linien zu den Magnetventilen zeigen, dass diese von U100 gesteuert werden. Wie genau das Programm aussieht entnimmt man entsprechenden Logikplänen. Die behandeln wir zu einem etwas späteren Zeitpunkt.

Abb.1: Das R&I-Fließbild meiner Gartenbewässerung, ergänzt um die für die Steuerungsfunktionen wichtigen EMSR-Stellenkreise und Wirklinien

Abb.1: Das R&I-Fließbild meiner Gartenbewässerung, ergänzt um die für die Steuerungsfunktionen wichtigen EMSR-Stellenkreise und Wirklinien

Das leittechnische Grundkonzept sieht nun also vor: Zentrale Ansteuerung der Magnetventile durch eine Steuerung in Abhängigkeit von Regen und Temperatur. Zusammen mit den Feldgeräten müssen wir zunächst ein geeignete Steuerung aussuchen. Das wird unsere nächste Aufgabe.

Kommentare (1)

  1. #1 Fliegenschubser
    8. Mai 2017

    Sehr interessant. Und überraschend (aber verständlich), wie kompliziert das alles werden kann.