Vor ein paar Tagen war der 1. Geburtstag von Quo Vadis und wenn ich auch zurzeit nicht viel Zeit zum Schreiben habe, möchte ich dieses Ereignis doch nicht ganz unkommentiert lassen. Im Letzten Jahr habe ich hier rund 30 Beiträge veröffentlicht, die eine oder interessante Diskussion angeregt und bin mit vielen tollen Rückmeldungen belohnt worden. Wir kennen uns ja jetzt schon ein bisschen und deswegen können wir so langsam über ein paar eher nicht so eindeutige Themen diskutieren, die das Gebiet der Technik tangieren.
Wenn ich sage, dass ich der Meinung bin, Technik sei eine Glaubensfrage, dann ist das eine provokante These. Techniker haben es normalerweise nicht so mit dem Glauben – von religiösen Dingen vielleicht abgesehen. Maschinen hält nicht der Glaube am Laufen, sondern die naturwissenschaftlichen Prinzipien, auf deren Grundlage sie entwickelt wurden. Wenn ich also von Technik als einer Glaubensfrage spreche, dann kann ich nicht die Funktion von Maschinen und die ihnen zugrunde liegenden Naturgesetze meinen.
Die Naturwissenschaften beschäftigen sich mit einer Natur, deren Gesetzmäßigkeiten keinen Willensentscheidungen unterliegen, sondern die in erster Näherung einfach so sind, weil sie so sind. Naturgesetze sind nicht abhängig davon, wie viel wir über sie herausfinden. Die Frage, Warum die Natur so ist, wie sie ist, lässt sich letzten Endes nicht sinnvoll beantworten.
Alle Dinge, die wir bauen wollen, um uns das Leben einfacher zu machen sind praktische Anwendungen gewisser theoretischer Vorstellungen, die man von der Natur hat und die sich formal in den Naturgesetzen wiederspiegeln. Das ist gewissermaßen ein Vorteil der Naturwissenschaften – es existiert tatsächlich eine mit absoluter Wahrheit ausgestattete Stelle – eben die Natur selbst – deren “Entscheidungen” nicht davon abhängen, was wir davon halten, die unter gleichen Bedingungen immer gleich sind, und nach denen wir uns immer richten müssen.
Naturgesetze sagen uns etwas über bestimmte Effekte, die unter bestimmten Bedingungen auftreten – die praktische Anwendung dieser Effekte, das ist Technik. Die Naturgesetze stecken einen Rahmen des absolut Möglichen ab, in dessen Grenzen wir uns bewegen müssen, innerhalb desselben wir aber völlige Handlungsfreiheit genießen. Niemand sagt uns, wie genau wir Dinge tun sollen, so lange wir dabei keine Naturgesetze verletzen. Beim Weg vom Naturgesetz zur technischen Anwendung spielen aber noch andere Schritte eine Rolle. Damit nähern wir uns dem Gegenstand meiner oben gemachten These, Technik sei eine Glaubensfrage.
Der Umgang mit der Technik, die Art, wie wir Dinge tun, hängt nicht so sehr von der grundsätzlichen Machbarkeit eines technischen Systems ab – die ist Grundvoraussetzung, dass wir als Gesellschaft oder jeder von uns als Privatperson uns überhaupt Gedanken über ein Für und Wider ihres Einsatzes machen können. Mindestens genauso wichtig ist eine – wieder private oder gesellschaftliche – Übereinkunft darüber, ob das technische System als sinnvoll oder nicht sinnvoll bewertet wird; oder wenn man manichäische Weltbilder bevorzugt, als gut oder böse.
Und an diesem Punkt tun sich Abgründe auf.
In der Geschichte der Menschheit gibt es einige Erfindungen und Entdeckungen, die in meinen Augen so überragend positive Auswirkungen für das Leben der Menschen hatten, dass man ihrem Einsatz nach reiflicher Abwägung der Vor- und Nachteile nicht mehr sinnvoll widersprechen kann. Aber natürlich kann – und in einer demokratischen Gesellschaft muss – sowohl über das Ob als auch dessen konkrete Ausgestaltung diskutiert werden. Die konkrete Entscheidung für einen Weg führt dann, ganz wertneutral gesprochen, zu Konsequenzen. Ein Beispiel dafür ist der gesellschaftliche Umgang mit selbstfahrenden Autos.
Es gibt überschaubar viele Pilotprojekte und die Aufmerksamkeit von Gegnern und Befürwortern ist erfahrungsgemäß nicht gleichmäßig über alle Vor- und Nachteile bzw. guten und schlechten Erfahrungen verteilt. Selbstfahrende Autos sind ein gutes Beispiel dafür, wie schwierig die Bewertung eines technischen Systems ist und von welchen persönlichen Abwägungen sie abhängt. Befürworter neigen dazu, nur die Chancen und Möglichkeiten zu sehen bzw. das global niedrigere Unfallrisiko, während Gegner vor allem die einzelnen Unfälle im Fokus haben.
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