Ich bin im Begriff, mich unbeliebt zu machen: Ich halte nicht viel von Nikola Tesla.
Kunstpause.
Und jetzt erzähl ich Euch, warum.
Peter Hook – Entzauberung einer Basslegende
Ich spiele Bass. Nicht gerade wie Victor Wooten, aber immerhin. Ich liebe basslastige Musik. Ich mag das Wummern der Tieftöner und ich finde, dass die Rhythm-Section für den Groove einer Band, besonders einer Rockband, wichtiger ist, als die Leadgitarre (und viel, viel, vieeeeeel wichtiger als der Sänger). Klar ist das super, wenn der Gitarrist auf seinem Instrument rumspielt, aber den Takt in den man sich wiegt und den man unwillkürlich mitmacht, geben Bass und Schlagzeug vor.
Der ganz wesentliche Grund, selbst den Bass in die Hand zu nehmen war Peter Hook , der mit seinen einfachen, aber kraftvollen Basslinien die Musik von Joy Division geprägt hat. In den 80er Jahren gefiel er mir als Bassist von New Order sogar noch besser und war dann später mit seinem Projekt Freebass der für mich eindrucksvollste (ich sage bewusst nicht “der Beste”) Bassist. Insbesondere bei Freebass hat er gezeigt, was er alles kann und für meine Ohren steht sein Spiel, auch wenn er eher Techniker als Improvsator ist, dem von beispielsweise John Entwistle in nichts nach. Was er konnte, wollte ich auch können (und bin noch weit davon entfernt). Dann sah ich ihn live und dachte nur: Wow – what happened?
Peter Hook sah völlig fertig aus. Er wirkte wie ein Greis, obwohl er grade mal um die 50 war. Sein Gesang war schon kraftlos, aber noch schlimmer war: Seinen Bass hatte er nur zur Zierde umgeängt. Er klimperte darauf herum, aber die Musik kam von woanders. Wirklich – er machte sich gar nicht die Mühe, das zu verbergen. Natürlich spielte er auch ein bisschen mit, aber der eigentliche Rhythmus wurde von einem zweiten Bassisten gespielt, der vielleicht irgendwo im Hintergrund der Bühne stand. Von meinem Platz aus war er nicht zu sehen. Weil ich das können will, was Peter Hook konnte, spiele ich Bass. Die Wirklichkeit zu sehen, hat mich schon ein Stück weit enttäuscht.
Nun habe ich Enttäuschungen dieser Art schon mehrmals erlebt und sie hauen mich heute nicht mehr um. Aber im gleichen Moment, in dem sich Peter Hook vor mir entzaubert hat, musste ich an einen anderen Popstar denken, mit dem es mir schon einige Jahre zuvor in nämlicher Weise ergangen war. Mit eben jenem titelgebenden und am 07. Januar 1943 bzw. gestern vor 75 Jahren verstorbenen Nikola Tesla, der in Zeiten des Internet zu einer Pop-Ikone geworden ist, war es ganz ähnlich gewesen.
Wie ich die Teslaphilie in den Welten, in denen ich mich bewege wahrnehme
Ich bin ein Nerd. Glaube ich. Ich bin seit 20 Jahren Rollenspieler, ich mag Pickdumps, Memes, ich spiele WoW, Minecraft und seit einiger Zeit exzessiv auch Factorio, ich mag Verschwörungstheorien (gerade weil ich an keine glaube), ich bemale kleine Plastikfigürchen und ich hab schon mehr als eine funktionierende Blide gebaut. Ich gehöre zu der gloreichen Generation, die die Zeit vor und den Aufstieg des Internet mit all seinen Facetten erlebt hat. Wenn man sich im Internet des Jahres 2018 bewegt, dann wird man zu bestimmten Gelegenheiten unweigerlich über den Namen Nikola Tesla stolpern. In der Regel wird man eine ausgeprägte Teslaphilie wahrnehmen, die sich in staunender Ergebenheit ergeht. Egal ob ein Good-Guy-Greg-Meme mit Teslas berühmter Profilaufnahme, ein Blogbeitrag wie z.B. bei Oatmeal – Tesla, der Name steht für alles: Für geniale Ideen, für die Erfindung des Elektromotors, des Wechselstroms, für geheimnisumwitterte Experimente, für unterdrückte Forschung und böse Machenschaften.
Tesla ist ein Held der Geeks. Ein Underdog, der die Welt beglücken wollte und von bösen Mächten daran gehindert wurde. Das macht ihn beliebt. Und zu einem idealen Projektionssubjekt. Manchmal kommt er mir vor, wie eine Erlöserfigur. Man projiziert Wünsche und Träume in ihn. Und natürlich sind Tesla-Transformatoren einfach cool. Außerdem – da lehne ich mich mal weit aus dem Fenster – kann man sich als Jünger des Erlösers selbst in dessen Glanz sonnen: Seht her, ihr Unwissenden – ich kenne die Wahrheit. Dereinst, wenn sie auch dem Heiden offenbar wird, werde ich sie schon immer gekannt haben. Natürlich ist das überspitzt. Aber für viele Menschen ist es immens wichtig, hinterher schon vorher alles gewusst zu haben. Das gilt besonders für junge Leute, die noch mit einem Bein in der Kindheit, mit dem anderen im Erwachsensein stehen und sich ihren Platz noch erstreiten müssen. Gerade in dieser Phase seines Lebens, in der die Hormone alles über den Haufen werfen und man selbst alles über den Haufen werfen möchte, ist man für jene besondere Art Heldenverehrung besonders empfänglich, die das Bild Teslas bedient.
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