Und haben sie sich dann doch zum Auszug entschlossen, muss erst eine neue Wohnung gefunden werden, was üblicherweise nicht an einem Tag zu schaffen ist, insbesondere, wenn Lage und Größe zu Familie und Arbeitsplatz passen müssen.

 

Die Lebenswirklichklichkeit lässt es manchmal einfach nicht zu

In großen Appartement-Blocks wie Grenfell Towers leben für gewöhnlich keine reichen Leute. Eine neue, bezahlbare Wohnung zu finden ist unter Umständen nicht einfach. Auch der Umzug kostet Geld, es müssen evtl. alte Möbel ver- und neue gekauft werden, die Vermieter machen einem Ärger wegen Reparaturen, viele Formulare müssen ausgefüllt; Wasser, Telefon, Strom- und Gas ab-, an- und umgemeldet werden…

Das Tägliche Leben der meisten Menschen ist um ihren unmittelbaren Wohnort herum organisiert. Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, der Weg zur Arbeit, der Schulweg der Kinder, etc. Das alles unter einen Hut zu bringen dauert Zeit und man opfert den mühsam errungenen Überblick über den eigenen Alltag nicht leicht wegen einer möglicherweise diffusen und schwer einschätzbaren Bedrohung.

Ein Jahr nach dem verheerenden Feuer scheint mir das eine Lehre zu sein und ein guter Grund für hohe Ansprüche an die Sicherheit.

1 / 2

Kommentare (7)

  1. #1 Michael Schöfer
    Mannheim
    18. April 2018

    “Wenn die Bewohner wirklich so besorgt wegen der Feuersicherheit waren, warum sind sie dann nicht weg gezogen?”

    Vielleicht, weil die horrenden Mietpreise im sündhaft teuren London jeglichen Gedanken an einen Umzug gleich im Keim erstickten. Ich glaube gelesen zu haben, dass viele ehemalige Bewohner des Grenfell-Towers immer noch keine neue – bezahlbare – Unterkunft gefunden haben.

  2. #2 Hobbes
    18. April 2018

    Etwas off topic:
    Heute wurde ein Teil des Berichtes vom Untersuchungsausschuss geleaked. Der besagt wohl, dass alle Leben hätten gerettet werden können wenn die ursprüngliche Fassade beibehalten worden wäre.

  3. #3 libertador
    18. April 2018

    “Heute wurde ein Teil des Berichtes vom Untersuchungsausschuss geleaked. Der besagt wohl, dass alle Leben hätten gerettet werden können wenn die ursprüngliche Fassade beibehalten worden wäre.”

    Interessant ist in solchen Fällen von verteilter Verantwortung und unsicherem Risiko, wie Entscheidungsträger danach bestraft werden. In diesem Fall ist es ja noch recht einfach, da die Kausalität zu den Todesfällen vom Brand zumindest klar ist. Gleichzeitig können solche Schäden aber auch Jahre später erst sichtbar werden und es ist schwer zu rekonstruieren, wie klar das Risiko vorher erkennbar war.

  4. #4 PippiLotta
    18. April 2018

    Wie man seit dem Vorfall in London mit einem solchen Risiko umgeht sieht oder sah man in Dortmund ganz gut, wo ein Hochhaus in einer Nacht- und Nebelaktion geräumt wurde: https://www.ruhrnachrichten.de/Staedte/Dortmund/Brandschutzprobleme-gravierender-als-bisher-angenommen-1256991.html

    Mehr als 700 Leute mussten von einen auf den anderen Tag wegen eklatanter Brandschutzmängel ihre Wohnungen verlassen. Ein Betreten ist bzw war nur mit einer durch die Feuerwehr gestellten Brandsicherheitswache möglich.

    Es sei mal dahingestellt wie hoch das Risiko eines Brandes in diesem Gebäude wirklich ist, die Gefährdung durch einen Brand wäre aufgrund der Baumängel natürlich massiv. Durch den Brand in London wird man hier aber auch viel genauer hingesehen haben als man es in den letzten Jahren getan hat.
    Der Betreiber hat vorsätzlich gehandelt.

  5. #5 Dr. Webbaer
    18. April 2018

    Brennbare Fassade mag allgemein nützlich, aber auch in concreto tödlich sein,
    MFG
    Dr, Webbaer

  6. #6 Hobbes
    18. April 2018

    Eine weitere interessante Sache ist die, dass das Vereinigte Königreich immer besonders stolz auf die Brandschutzbestimmungen im Land war und diese für die Besten der gesamten Welt erachtet hat. Das ganze geht wahrscheinlich zurück auf den Einfluss der Tabaklobby die versucht hat von Feuertoten durch Zigaretten abzulenken indem die entflammbarkeit von Einrichtungsgegenständen extrem erhöht wurde. Die Möbelhersteller haben darin dann sehr schnell den protektionistischen Nutzen erkannt und die Gesetze entsprechend gestützt. Aktuell gibt es aber bedenken, dass die Feuerschutzzusatzstoffe zu extremen Rauchentwicklungen führen die mehr Leben kosten als retten.
    Was man bei Risikobewertung auch nicht außer Acht lassen sollte ist, dass man immer denkt mich trifft es ja schon nicht. Wenn man mal wirklich ehrlich seine eigene Jugend beleuchtet findet man viele Fälle in denen man mit etwas Pech ernsthaften Schaden hätte erleiden können ohne das es einen wirklich gestört hätte.

  7. #7 Kassandra
    20. April 2018

    Die Erklärung ist vermutlich noch viel einfacher: Wer in einer Sozialwohnung lebt, der wird in London ebenso wie in München kaum viele Möglichkeiten zum Wechseln der Wohnung haben. Man muß ja schon froh sein, überhaupt eine zu bekommen.

    “Waiting times for social housing in the Square Mile are extremely long. In certain situations, you may be expected to wait more than 10 years.”

    https://www.cityoflondon.gov.uk/services/housing/looking-for-a-home/Pages/default.aspx