Ab ca. 1970 tauchten in Deutschland die ersten Berichte über das amerikanische Paramedic-System auf und beeinflussten auch das hiesige Rettungswesen. In Amerika entstand zu dieser zeit der moderne Rettungsdienst. Organisatorisch funktionierte das damals so, dass nach klinischen Standards ausgebildete Sanitäter – die Paramedics – mit einem Einsatzfahrzeug, das zwar keinen Transport erlaubte, aber alles an Ausrüstung enthielt, was man brauchen könnte und so im Wesentlichen einer Art Rüstwagen entsprach, zum Patienten fuhren und dort Funkkontakt mit einem Arzt im Krankenhaus aufnahmen. Der Arzt wurde von den Paramedics über Situation, Verletzungen und Vitalzeichen des Patienten informiert, stellte die Diagnose und gab Anweisungen zur Behandlung. Da die Paramedics in ärztlichen Maßnahmen ausgebildet wurden, konnten sie vor Ort, noch bevor die Fahrt zur Klinik mit einem separat angeforderten Krankenwagen begann, den Patienten so weit stabilisieren, dass der Transport mit möglichst geringem Restrisiko möglich wurde. Dieses System hatte dreierlei Vorteile:

1. Ein Notarztwagen im Einsatz belegt immer einen Notarzt. Auch wenn der Patient gar nicht in Lebensgefahr schwebt. Im Paramedic-System ist die knappe Ressource Notarzt besser genutzt, da er im Krankenhaus bleibt bzw. im äußersten Notfall gezielt in den Einsatz gehen kann.

2. Ärztliche Maßnahmen, wie Intubation, ggf. Defibrillation, legen von Zugängen für die i.v.-Gabe von Medikamenten, Gabe dieser Medikamente, etc. konnten einige Minuten früher erfolgen und damit kritische Zeitfenster für die Behandlung besser genutzt werden

3. Eine kodifizierte Ausbildung ist ein Fundament auf dem sich aufbauen lässt. Tatsächlich ist seit den 1970ern der Paramedic von einem dreimonatigen Kurs für Feuerwehrleute zu einem drei- bis vierjährigen Studium evolviert.

Im Jahr seiner Einführung in Kalifornien wurde der Fernsehproduzent Robert Cinader darauf aufmerksam und produzierte bis 1977 die Serie Emergency!, die in Deutschland unter dem Namen Notruf California lief und, auch wenn mittlerweile ziemlich veraltet, einen schönen Einblick in die Struktur des damals modernsten Rettungsdienstes der Welt gibt.

Um 1975 wurde in Deutschland ein gemeinsamer Ausschuss aus Bund, Ländern und Ärzteverbänden gegründet, der einen Maßnahmenkatalog für die zukünftige Gestaltung des Rettungsdienstes erarbeiten sollte. In 1977 legte dieser Ausschuss seine Ergebnisse vor. Die wichtigsten Vorschläge waren erstens die flächendeckende Einführung des schon in den 1960ern erprobten Rendezvous-Systems, bei dem ein nur mit Sanitätern besetzter Rettungstransportwagen (RTW) und ein mit einem Notarzt und einem Sanitäter besetztes Notarzt-Einsatzfahrzeug (NEF) getrennt zum Einsatzort fahren und sich dort treffen. Dadurch ist eine Person mehr vor Ort als im Kompakt-System mit Notarztwagen und die Notärzte können gezielt zu Einsätzen dirigiert werden, wo man sie wirklich braucht. Die zweite wichtige Neuerung war die Schaffung des Rettungssanitäters mit einer kodifizierten, qualifizierten Ausbildung, die mindestens 520 Stunden umfasst, aufgeteilt in einen Theorieteil und zwei Praktika in Krankenhaus und Rettungswache. Zwar gab und gibt es kein bundesweites Rettungssanitätergesetz, aber in den Rettungsdienstgesetzen aller Länder ist die Ausbildung noch im Wesentlichen so festgeschrieben, wie sie 1977 erdacht wurde. Die Einführung eines Paramedic-Systems mit Anleitung über Funk durch einen Arzt wurde meines Wissens nach nicht weiter verfolgt.

Der Rettungssanitäter war nicht als Pendant zum Paramedic erdacht. Seine Ausbildung enthält zwar Fachkenntnisse über ärztliche Maßnahmen, aber berechtigt nicht zu deren Durchführung. Er war schon ein Schritt in die richtige Richtung, aber auch mit deutlichen Grenzen und mit der Zeit wurde klar, dass die steigenden Ansprüche an einen modernen Rettungsdienst so nicht zu stemmen sein würden. Vor allem die Björn-Steiger-Stiftung arbeitete unermüdlich für die Verbesserung der Qualität. Die Einführung von Fahrzeugfunk, der bundeseinheitlichen Notrufnummern und des zentral geleiteten Rettungsdienstes, der nicht mehr nur Städte oder Landkreise sondern größere Gebiete abdeckt, gehen auf ihre Arbeit zurück. Es zeigte sich, dass der Rettungssanitäter keine ausreichende Qualifikation mitbrachte, um dem Notarzt vor Ort gut zur Hand zu gehen, wenn es um mehr als die Basismaßnahmen ging. Der Bedarf an einen Assistenten des Notarztes wurde erkannt. In 1989 trat dann auch das Rettungsassistentengesetz in kraft. Der Rettungsassistent war eine zweijährige Berufsausbildung, die auch ärztliche Maßnahmen wie die Intubation umfasste und allgemein deutlich umfangreicher als die des Rettungssanitäters. Allerdings war zur damaligen Zeit noch nicht gedacht, dass der Rettungsassistent eigenverantwortlich solche Maßnahmen ohne einen Arzt vor Ort ausführt, auch wenn die fachliche Qualifikation vorhanden wäre. Und darin liegt die Krux.

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Kommentare (7)

  1. #1 Omnivor
    Am 'Nordpol' von NRW
    13. Januar 2020

    Ein Notfallsanitäter müsste doch die Heilpraktikerprüfung schneller ablegen können, als andere auf dem Scheißhaus benötigen.

  2. #2 Joseph Kuhn
    13. Januar 2020

    Schöner informativer Beitrag, danke.

  3. #3 rolak
    14. Januar 2020

    Schöner

    Naja, bis auf diese Selbstzerfleischung “2019 überhaupt nix” ;•)

  4. #4 RPGNo1
    14. Januar 2020

    @Oliver Gabath

    Zunächst einmal: Herzlich willkommen zurück im Blog.

    Und dann: Vielen Dank für den Beitrag. Mir war nicht bewusst, dass Notfallsanitäter teilweise so in der Luft gelassen werden, was ihre Möglichkeiten zu medizinischen Notfalleingriffen angeht.

    Dass Heilpraktiker, die lediglich nachweisen müssen, dass sie keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, besser gestellt sind als ein intensiv ausgebildeter Notfallsanitäter lässt mich hingegen nur fassungslos den Kopf schütteln.

  5. #5 Ferl
    14. Januar 2020

    Entweder ein Trollbeitrag oder jemand wollte mal was noch sagen dürfen. Dafür schaff Dir bitte Dein eigenes Medium, Ferl, auf meinem ist dafür kein Platz (Davon abgesehen war’s in der Sache völliger Quatsch) – Oliver Gabath

  6. #6 Grim
    19. Januar 2020

    Um ehrlich zu sein bin ich mit der aktuellen rechtlichen Situation was Notfallsanitäter auch nicht ganz zufrieden, aber ich finde in diesem Lied wird doch übertrieben. Denn ja nach Par. 4 Abs. 2 Nr. 2c werden nicht überall viele Maßnahmen freigegeben. Hier zum Bsp. ist die aktuelle Situation in Bayern nachzulesen (https://www.aelrd-bayern.de/index.php?option=com_content&view=article&id=268:notsang&catid=80&Itemid=556).
    Aber gleichzeitig wurde mit dem NotSanG auch die Argumentationsgrundlage für ein Handeln nach 34StGB gestärkt. Der Notfallsanitäter hat als Ausbildungsziel das “Durchführen medizinischer Maßnahmen der Erstversorgung bei Patientinnen und Patienten im Notfalleinsatz und dabei Anwenden von in der Ausbildung erlernten und beherrschten, auch invasiven Maßnahmen, um einer Verschlechterung der Situation der Patientinnen und Patienten bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder dem Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung vorzubeugen, wenn ein lebensgefährlicher Zustand vorliegt oder wesentliche Folgeschäden zu erwarten sind,”.
    Wer jetzt wie im Lied geschildert neben einem Pat. mit stärksten Schmerzen sitzt und trotzdem, dass er die Maßnahme gelernt hat und sie beherrscht etc. sie nicht anwendet ist imho für mich nahe am Tun durch Unterlassen.

    • #7 Oliver Gabath
      3. Februar 2020

      Handeln nach §34 StGB ist nicht das Problem – strafrechtlich kann sich auch ein Rettungssanitäter oder gar völliger Laie darauf berufen, wenn die Maßnahme angebracht erscheint. Das hindert aber den Arbeitgeber nicht daran, ihn wegen Überschreitung seiner Kompetenzen und Verletzung des Arbeitsvertrags zu kündigen, denn das Arbeitsrecht gehört zum Zivilrecht und da gibt es keinen rechtfertigenden Notstand. So geschehen mit diversen Rettungsassistenten, die sich auf ihre Notkompetenz berufen haben und dieses Damoklesschwert hängt auch über den Notfallsanitätern aus Gründen, die Sie selbst genannt haben. In Bayern steht z.B. Midazolam nicht auf der Liste, folgerichtigerweise also auch nicht Esketamin. Das Mittel der ersten Wahl beim Traupatienten fällt damit flach. Dito bei Kolikschmerzen, da Metamizol auch nicht drauf steht. Also bleiben nur Priritramid, Fentanyl oder gar nix und gleich Opioide rauszuhauen sollte auch nicht die Lösung sein. Was also tun mit den starken Schmerzen, die noch nicht die stärksten sind? Überhaupt ist die Liste, verglichen mit RLP oder Ba-Wü ziemlich dünn – vielleicht ist das ein Grund, warum die ÄLRD in Bayern sich alle darauf einigen konnten.