Wie ich letzte Woche geschrieben hatte, habe ich so meine Probleme damit, wie die Welt mit dem Coronavirus umgeht. Ich denke, dass sowohl sinnvolle als auch sinnlose Maßnahmen in einen großen Topf geworfen und zu einer halbgaren Mélange verkocht werden. In Europa, großen Teilen Asiens und den amerikanischen Kontinenten hat das Virus Fuß gefasst und trotz massiver Einschnitte in das tägliche Leben werden wir ihm nur sehr schwer Herr. Es gibt aber auch positive Beispiele. Andere Länder reagieren besser und zielführender und von diesen sollte man lernen.
Für mich am eindrucksvollsten aber ist der Umgang Taiwans mit der Seuche. Dieses kleine Land in Südostasien mit sehr hoher Bevölkerungsdichte, überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln und massivem Reiseverkehr von und nach China hat das Coronavirus den verfügbaren Informationen nach im Griff. Herauszufinden, was Taiwan anders macht, ist relativ einfach. Und ist ein Beispiel für sinnvollen Umgang mit dem Virus:
1. Taiwan traut China nicht: Für China ist Taiwan eine abtrünnige Provinz, während Taiwan, dessen offizieller Name ja Republik China lautet, auf der eigenen Unabhängigkeit besteht und in der Volksrepublik China einen äußeren Aggressor sieht. Dieser Konflikt hat in der aktuellen Situation gravierende Auswirkungen: Taiwan hat durch den chinesischen Einfluss keinen eigenen Sitz bei und Zugang zur WHO. Deswegen sind die taiwanesischen Behörden skeptisch gegenüber jeder Information, die aus China kommt und glauben insbesondere nicht den Beschwichtigungsversuchen. Und nachdem sowohl 2002/2003 als auch 2019/2020 China einiges vertuscht und kleingeredet hat, sollte die Welt langsam auch damit aufhören. Aber dummerweise ist China zu groß, zu mächtig und zu wichtig als Produzent und Motor der Weltwirtschaft. Deswegen spielen die meisten Staaten dieses dreckige Spiel mit und klopfen sich dabei noch auf die Schulter.
2. Taiwan hat aus der SARS-Epidemie 2002/2003 gelernt: Damals starben Duzende Menschen und das Land war für einige Zeit ähnlich stillgelegt wie heute Norditalien. Aus dieser Krise wurden Maßnahmen abgeleitet, wie die Schaffung des National Health Command Center (NHCC), einer zentralen Behörde zur Seuchenkontrolle ähnlich dem amerikanischen CDC und die Entwicklung von Notfallplänen beim erneuten Auftreten einer gefährlichen Krankheit.
3. Taiwan hat früher gehandelt als alle anderen: Am 31. Dezember 2019, als oben genannter Behörde Berichte über eine ungewöhnliche Häufung von Lungenentzündungen in Wuhan zu Ohren kamen, flogen Taiwanesische Beamte nach China, um sich ein Bild der Lage zu machen. Flugzeuge, die nach Taipeh starten, wurden ab diesem Zeitpunkt kontrolliert. Im Land selbst wurde die Produktion von Masken und Desinfektionsmittel angekurbelt und die Abgabe an Privatpersonen rationiert. Am 20. Januar 2020, als die Welt noch nichts von der Gefahr ahnte, weil chinesische Behörden unter allen Umständen den Deckel auf dem Kessel halten wollten, liefen in Taiwan bereits die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus an.
4. Taiwans Maßnahmen stoßen zum Kern des Problems vor, nämlich der Erkennung und Isolation von Verdachtsfällen: Von Anfang an war es das Ziel herauszufinden wer infiziert sein könnte und wen er oder sie eventuell angesteckt hat. Ein Verdachtsfall reicht aus um eine 14-tägige häusliche Quarantäne anzuordnen. Einreise aus einem Risikogebiet ist ein ausreichender Grund für den Verdacht. Gleichzeitig erfragen die Behörden, zu wem die möglicherweise infizierte Person Kontakt hatte, man kontaktiert auch diese Menschen und, falls notwendig, alle die wiederrum mit diesen Kontakt hatten (Sofern das möglich ist natürlich. Wer weiss schon, wie die ganzen Leute in der Straßenbahn heißen). In Verbindung mit der frühen Erkennung möglicher Verdachtsfälle noch vor der Einreise ist es so gelungen, die Fallzahlen bei ca. 50 zu halten.
5. Die Überwachung der Quarantäne erfolgt durch die Smartphones der Betroffenen via GPS. Bei Missachtung drohen empfindliche Strafen. Obwohl die Quarantäne dadurch ziemlich einfach, zumindest kurzfristig, umgangen werden kann, halten sich die Betroffenen im Großen und Ganzen daran und bleiben zu Hause.
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