De facto wird unsere Gesellschaft zurzeit vom Utilitarismus bestimmt. Wir stehen vor der Wahl, gar nichts zu tun oder zu handeln. In beiden Fällen sterben Menschen. Wir als Gesellschaft haben uns dafür entschieden, lieber zu handeln als das Virus sich ausbreiten zu lassen. Das ist sicher auch vernünftig. Wirft zwar die Frage auf, warum wir nicht bei anderen ähnlich gravierenden Problemen so entschlossen sind, aber immerhin. Ich habe damit auch kein grundsätzliches Problem – das Risiko falsch zu handeln dem Risiko durch Unterlassen Schaden anzurichten vorzuziehen entspricht auch meinem Denken. Ich denke aber auch, dass alles Handeln Abwägungssache sein sollte und ich mache mir Sorgen, dass die Reaktion auf die Pandemie eine Eigendynamik entwickelt, die die Tat an sich und nicht mehr die Tat unter Abwägung der Vor- und Nachteile in den Mittelpunkt stellt. Unsere Reaktion auf die Krise wird ebenfalls Menschenleben kosten und Schaden anrichten. Ich bin zurzeit nicht überzeugt davon, dass dieser Punkt ausreichend gewürdigt wird.
Allerdings sind nicht alle Nachrichten schlecht, denn was uns die Corona-Krise auch lehrt ist, dass die Welt zwar auf Kante genäht sein mag, aber der Stoff aus dem sie besteht wesentlich elastischer als in früheren Zeiten ist. Trotz der großen Einschränkungen, trotz der im vereinigten Deutschland nie da gewesenen Versammlungsverbote, der Hamsterkäufe, der häuslichen Quarantänen geht das Leben irgendwie weiter. Die Leute machen sich mal mehr mal weniger Sorgen, aber bleiben im Grunde ruhig. Für mein Gefühl ist trotz der größeren räumlichen Distanz der soziale Zusammenhalt enger geworden. Vielleicht ist es das, was man damit meint, wenn man sagt, dass Krise auch Chance heißt?
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