Der Bundesverband der Deutschen Industrie kommentiert: »Das Übereinkommen ist ein unzureichender Kompromiss und sendet ein fatales Signal an die eng verflochtene Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks.«
Ja, Schockschwerenot! Unzureichender Kompromiss. Fatales Signal. Beide Seiten des Atlantiks. Was ist das für ein Kompromiss, bei dem eine Seite die andere überrollt? Was ist das für ein Signal, wenn die überrollte Seite dann überhaupt noch vom Kompromiss spricht? Und hat der gutgemeinte Appell an beide Seiten nicht etwas Rührendes? Glauben die wirklich, dass der signifikante Teil der US-amerikanischen Bevölkerung der voll hinter Trump steht in ihnen gleichberechtigte Partner sieht? Welchen Grund hätten sie der USA gegeben, sich zukünftig zurückzuhalten?
Besonders interessant finde ich die Stellungnahme des BGA Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. vom 12.07.2025: “Die heutige Ankündigung, zum 1. August 2025 die Zölle auf Importe aus der Europäischen Union auf 30 Prozent anzuheben, ist keine Überraschung. Das ist ein eingeübter Teil der Verhandlungsstrategie des amerikanischen Präsidenten. Europa darf sich davon nicht beeindrucken lassen, sondern muss nüchtern am Verhandlungstisch eine Lösung auf Augenhöhe suchen. Wer die Weltwirtschaft bewusst zum Spielball seiner eigenen politischen Agenda macht, schadet letztlich auch der eigenen Wirtschaft und der eigenen Bevölkerung. Ein solches Spiel kennt nur Verlierer”
Sapperlot, wenn das mal Leute wie Trump nicht überzeugt. Von nüchtern Lösungen wird gesprochen, von Augenhöhe. Die USA ziehen die Boxhandschuhe aus und wir wollen es ausdiskutieren? Wie, gedenkt der BGA, soll die EU konkret reagieren, um zu zeigen, dass sie sich nicht beeindrucken lässt, wenn nicht durch Gegenzölle, durch Annahme des Kampfes? Das würde weh tun, aber was, glaubt der BGA, wird zukünftig passieren, wenn man es nicht tut? Dass Trump, obwohl bestätigt, plötzlich aufhört? Klar, der BGA-Präsident muss sich diplomatisch ausdrücken, aber wenn der dargebotene Olivenzweig nicht an einem Knüppel hängt, beeindruckt das niemanden. Die Analyse in den ersten drei Sätzen teile ich, aber ich vermisse die Konsequenzen.
Die Stellungnahme von gestern lautet denn auch: Diese Einigung ist ein schmerzhafter Kompromiss. Jedes Prozent Zoll ist ein Prozent zu viel. Der Zollaufschlag bedeutet für viele unserer Händler eine existenzielle Bedrohung. Auch wenn jetzt zunächst Sicherheit über die Handelsbedingungen herrscht, werden sich Lieferketten verändern und Preise erhöhen. Wir Mittelständler sind durch unsere Flexibilität sehr resilient, aber das ist ein harter Schlag für den Außenhandel”
Mit großen Schmerzen zugestimmt ist schon ein politisches Bonmot. Das wird Vertrauen schaffen. Und wieder der Apell an die Vernunft, als sei das Wort noch eines von Bedeutung und nicht eine leere Hülse, in die jeder reflektieren mag, was er selber in sich trägt. Dafür fehlt die Idee, wie man darauf reagieren soll.
Und es geht weiter: “Wir müssen jetzt nach vorne schauen… (Wäre eine Rückschau, wie es dazu kommen konnte, nicht angebrachter?) Verstehen wir die letzten Monate als Weckruf (der wievielte wäre das dann?). Wir haben uns lange auf Handelspartnerschaften verlassen und uns zu leichtfertig in Abhängigkeiten begeben. (Zustimmung) Europa muss sich jetzt strategisch für die Zukunft aufstellen. (absolut) Wir brauchen neue Handelsabkommen mit den großen Wirtschaftsregionen dieser Welt. (Haben wir doch gerade, wenn auch noch nicht de jure, so doch de facto abgeschlossen. War doch nicht gut?) Und wir müssen endlich die bereits verhandelten Abkommen auch schnell und unbürokratisch ratifizieren. (Der Kotau vor Trump war schnell und unbürokratisch. Soll er auch schnell und unbürokratisch ratifiziert werden?) Das Warten auf den Sankt Nimmerleinstag kostet uns Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. Wachen wir auf und handeln ab jetzt wieder geschlossen und einig.” (in der Tat. Wie?).
Haben der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, die Präsidenten der Kommission der Europäischen Union, BGA und der BDI, die ich stellvertretend für alle hochrangigen Politiker, Funktionäre und Organisatoren zitiere, die sich das Ergebnis der Trump’schen Dampfwalze, schönreden, in ihrem Leben nie Konflikte mit einer starken Gegenseite ausfechten müssen? Als Spitzen-Entscheidungsträger unserer Gesellschaft gehört es zu ihren Kernaufgaben, Ideen zu haben, was man tut, wenn die Exkremente mit dem Ventilator kollidieren. Wo sind die? Wo ist der Plan B?
Kommentare (14)