Heiße ich Parallelgesellschaften, radikale Religiösität, und was sonst noch so als Vorwurf kam, gut?

Nope. Keinesfalls.

Ist meine methodische Kritik ein Versuch die Existenz radikaler Phänomene vom Tisch zu wischen, wie von manchen behauptet?

Nein. Was auch immer bei einer korrekt gemachten Studie rauskommt: Die Ergebnisse sind – unabhängig von persönlichen und politischen Vorlieben – zu akzeptieren, da man es mit Fakten zu tun hat, die soziale Perspektiven und Ausschnitte beleuchten.

Die Bandbreite diesbezüglicher Phänomene ist groß. Probleme im Bereich von Kinderbetreuungseinrichtungen sind existent, wie in der Langversion geschrieben. Diese lassen sich aber meiner Felderfahrung nach (d.h. nicht empirisch abgesichert) auf die enorme Steigerung der Anzahl von Gruppen und nicht nur auf die islamischen Gruppen zurückführen.

Arbeiten, wie die ‚Vorstudie‘, suggerieren aber, dass alle islamischen Kigas und Kindergruppen ein Problem darstellen – und dabei kann aber eine Arbeit dieser Qualität darüber keine Aussagen treffen. Das halte ich für gefährlich und unethisch. Daher der Blogpost dazu.

Würde ich selbst an einer Studie zu Kinderbetreuungseinrichtungen mitarbeiten?

Was für eine Frage. Natürlich. 😉

Ist das die Motivation zu den Blogposts gewesen?

Nein. Siehe oben.

Bis vor kurzem hätte ich das auch nicht machen können, weil ich selbst im Feld aktiv war (Kindergruppen-, dann Schulobfrau). Inzwischen würde das, weil ich nicht mehr aktiv Teil des Feldes bin, zwar funktionieren. Dafür braucht es aber Zeit und Ressourcen, die ich im Moment gar nicht hätte.

Qualifikationsgrundlage meiner methodischen Kritik?

Eigentlich wäre das ja einfach ergooglebar und auch in meiner Scienceblogkurzbio steht dazu etwas drin. 😉 Aber falls es jemanden tatsächlich genauer interessiert:

Ich arbeite seit Ende der 90er als Sozialwissenschafterin, habe ursprünglich Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert, damals noch mit einem Nebenfach, bei mir war das eine Kombi aus Soziologie, Politikwissenschaft und weiteren Studienrichtungen. Ende der 00er Jahre kamen zwei Jahre in einem Postgraduatelehrgang am IHS Soziologie dazu. Einige Ausbildungen zu Training und Beratung habe ich auch hinter mir und bin auch Teil der ÖGGO, der Gesellschaft für Gruppendynamik und Organisationsberatung.

Während des Studiums war ich als Tutorin tätig, aus der Zeit stammt der Start meines Methodenschwerpunkts, ich habe mit em. a.o. Univ.-Prof. Vitouch gearbeitet. Seit 2001 unterrichte ich angestellt als Lektorin an der Uni Wien am Institut für Publizistik, inzwischen auch an der TU Wien, an der ich auch mal Assistentin war. Lehraufträge an der SFU oder in Krems waren in Lauf der Jahre auch dabei.

Meine erste Lehrbeauftragung war die Einführung in die empirische Sozialwissenschaft, die Methodeneinführungsvorlesung, damals parallel zu Kollegen Vitouch. Im Lauf meiner beruflichen Tätigkeit folgte eine intensive Auseinandersetzung mit qualitativen Methoden – insbesondere der Grounded Theory und der dokumentarischen Methode. Ich habe zur qualitativen Forschung eine Vorlesung entwickelt, die ich aktuell halte. Ebenso halte ich eine LV zu Forschungsmanagement und im Sommersemester die Einführungsvorlesung zur Medienpädagogik im Audimax (eins meiner Forschungsfelder) und LVs zu Arbeitstechniken, gruppendynamischen Strategien und interner Organisationskommunikation. In der Lehre verbinden sich so meine wissenschaftlichen Arbeitsfelder mit Trainings- bzw. Beratungstätigkeiten. (Alles im Vorlesungsverzeichnis der Uni Wien nachrecherchierbar.)

Meine Forschungstätigkeiten sind dzt. außeruniversitär, sowohl im quantitativen, als auch – und hauptsächlich – im qualitativen Sektor angesiedelt. Zweiteres auch deshalb, weil diese Art von Forschung die ideale Grundlage für weitere Beratungstätigkeiten und Maßnahmenentwicklung ist. Auch hier wieder ein Link zwischen den Berufsfeldern.

Wo ich, wann, wie genau tätig war, würde hier den Rahmen sprengen. Ich gehöre zur ersten Generation der prekär wissenschaftlich Arbeitenden. Unter meinen anderen Arbeitgebern waren u.a. die TU Wien (FWF Projekt), die Boltzmann-Gesellschaft oder das Forschungszentrum Seibersdorf. Seit 4 Jahren forsche, berate und trainiere ich im Rahmen unserer eigenen Firma – ich war die ewigen prekären Anstellungen leid. Im Zuge dessen habe ich 2012 begonnen auf Scienceblogs zu schreiben. Die Freiheit, die mit diesen Arbeitsformen verbunden ist, schätze ich, insbesondere fürs wissenschaftliche Arbeiten, sehr.

Meinem Herkunftsinstitut der Publizistik bin und bleibe ich durch Lehrtätigkeit intensiv verbunden. Diese universitäre ‚Heimat‘ schätze ich, bei allem was an Uni und Institut  berechtigt zu kritisieren ist, sehr. Die Entwicklung der Publizistik hin zu einer Sozialwissenschaft seit mehr als 20 Jahren miterleben und mitgestalten zu dürfen, finde ich großartig und möchte ich nicht missen.

Warum bin ich keine Dr.?

Ja, das werde ich oft gefragt. Und zurecht. 😉 Mehr als die Hälfte der Dissertation ist schon länger fertig. Sie ist das Projekt, das immer liegen bleibt, wenn es anderes zu tun gibt. Und ich hab ziemlich gut zu tun. Und sie ist das Projekt für das ich aus meinem sonstigen Alltag eine Zeit lang aussteigen müsste, etwas das nicht so einfach ist angesichts von Job, Familie und sonstigem. Der Blog ist da praktischer: Immer nur recht kurze Arbeitseinheiten produzieren einen Text und keine fixe Verpflichtung.

Ich hoffe es ist jetzt alles befragt und beantwortet. Und nun allen schöne Ferien und gute Erholung!

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Kommentare (6)

  1. #1 Silvester Schröger
    Salzburg
    Dezember 26, 2015

    Sehr geehrte Frau Schaffar,
    bravo. Da haben Sie es Ihrem Kollegen Aslan aber so richtig gezeigt. Sind Sie jetzt zufrieden?
    Glauben Sie wirklich, dass Ihre methodische Hirnwichserei irgend jemanden interessiert, die Hardliner der islamischen Community ausgenommen?
    Kurz und Aslan haben mit politischem Gespür und praktischer Erfahrung eine Eiterbeule aufgestochen. Ihr Querschuss ist eine Nebelgranate, die so unnötig ist wie ein Kropf, weil sie von einem gewaltigen gesellschaftspolitischen Problem ablenkt: Seit Jahren lässt sich beobachten, dass ein einflussreicher Teil der islamischen Welt die Deutungshoheit über den “wahren” Islam auch in Europa an sich gerissen hat. Als Folge erleben wir die konsequente Festigung von Parallelstrukturen mit reaktionär-religiöser Schlagseite. Mit Ihrer kleinlichen “Methoden-Kritik” spielen Sie dieser Entwicklung in die Hände. Hauptsache, Sie haben die Reputation Ihrer Zunft gerettet, nur scheinbar zwar, aber sicherlich gut gemeint.

    • #2 Andrea Schaffar
      Dezember 27, 2015

      Wäre das meine Intention gewesen, hätte es wohl gereicht ein Pamphlet zu machen, das der Qualität von Aslans Projektbericht entspricht.

      Und ganz im Gegenteil: Nicht ich spiele Entwicklungen in die Hände. Der, qualitativ unwissenschaftliche, Projektbericht tut dies. Der Projektbericht/Vorstudie trägt zur Polarisierung bei, schafft Schwarz/Weiß-Malereien ohne jegliche Verankerung in empirischen Daten. Und um genau dies aufzuzeigen, war eine Analyse des Ganzen notwendig.

      Kurz und Aslan haben keine Eiterbeule aufgestochen. Sie haben mit Hilfe der Medien eine Eiterbeule geschaffen.

  2. #3 Dr. Webbaer
    Dezember 26, 2015

    Gegenrede :
    Hierzu) „Das ist ja nur eine Vorstudie“ – kam in mehreren Variationen
    Eine ‘Vorstudie’ liegt nicht vor, ‘Vorstudien’ meinen Studien, die weitergehende Studien anleiten oder (in seltenen Fällen) von ihnen ableiten sollen.
    Was vorliegt:
    -> https://images.derstandard.at/2015/12/10/ProjektberichtIslamischeKindergaertenErgebnissefinal-2.pdf
    … ist ein Projektbericht, der ganz anscheinend besondere Mängel erkennt wie berichtet, die als ‘relevante Zwischenergebnisse’ kommuniziert worden sind, die als politisch direkt wichtig und insofern zeitnah und vorab kommuniziert worden sind.
    Besondere Behandlung kleiner Kinder kann schon mal, wie viele finden, außerordentlich berichtet werden.
    Hierzu) Ist meine methodische Kritik ein Versuch die Existenz radikaler Phänomene vom Tisch zu wischen, wie von manchen behauptet?
    Ihre Kritik wirkt halt im Missverständnis der hier behandelten Ad-Hoc-Meldung ungünstig.
    Es bringt nüscht bei derartigen Ad-Hoc-Meldungen formal(istisch) zu werden.
    Sie setzen sich hier nur ungünstig aus, exponieren sich, Sie haben auch in früherer Berichterstattung auf bei den scienceblogs.de mit dem Begriff ‘Hetze’ hantiert, diese muss nicht vorliegen, wenn Kleinkinder islami(sti)sch indoktriniert werden und dies zwischengemeldet wird und wenn dies einige in der Folge nicht gut finden.

    MFG
    Dr. W (der natürlich nicht dissen will, Ihnen abär bei der Diss viel Erfolg wünscht)

    • #4 Andrea Schaffar
      Dezember 27, 2015

      @Vorstudie: Mit der Begrifflichen Ungenauigkeit hab ich in meiner Analyse begonnen. Vorstudie wurde imho nur als Begriff verwendet, um (vermeintlich) unangreifbar zu werden.

      @Ihre Kritik wirkt halt im Missverständnis […]
      Die Vorstudie/Projektbericht/whatsoever spielt genau damit. Gibt vor wissenschaftlich zu sein, nimmt damit für sich Platz in Anspruch und ist es aber nicht. Insofern war die einzige Möglichkeit dem wissenschaftlich zu begegnen, das zu tun was ich tat. Was ich getan habe, weil sich sonst niemand diesbezüglich analytisch zu Wort gemeldet hat.

  3. #5 Dr. Webbaer
    Januar 13, 2016

    Wie dem auch sei, werte Frau Schaffar, gerne beizeiten noch zur fortlaufenden Entwicklung berichten, ob sich da was getan hat in Wien, ob und wie Ihre Analyse beihelfen konnte und wie sich die Sache mit einigem Abstand darstellen wird.

    MFG
    Dr. W

    • #6 Andrea Schaffar
      Januar 31, 2016

      Bleibe auch gespannt. 🙂 Sollte ja angeblich bald so weit sein, dass die Endversion rauskommt. 🙂